Z Orthop Ihre Grenzgeb 2002; 140(5): 483-484
DOI: 10.1055/s-2002-34013
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Deutscher Orthopädenkongress 2002, Berlin,
25. - 28. 9. 2002

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Publication Date:
12 September 2002 (online)

Die Wahl des Standortes Berlin hat im letzten Jahr zweifelsfrei zu unterschiedlichen Reaktionen geführt, letztlich sind die Diskussionen unnötig, wir müssen, nein, wir dürfen uns mit Berlin arrangieren.

Der Kongress wird unterschiedlichste Möglichkeiten der Kommunikation, des wissenschaftlichen Streitgesprächs, aber auch der Entspannung bieten, wobei das wissenschaftliche Hauptinteresse den vier Schwerpunkten gelten wird.

Im Rahmen der Bone-and-Joint-Decade wurde die „Arthrose” als Schwerpunktthema genannt, wobei gerade dieses Thema in der heutigen Zeit von besonderem Interesse ist.

Die Tatsache, dass aufgrund der sich ändernden Lebenspyramide in Deutschland die Menschen älter werden, führt u.a. auch zu einer veränderten Belastung und Belastbarkeit der Haltungs- und Bewegungsorgane. Gleichzeitig steigt aber die Forderung nach erfüllter Lebensqualität auch im Alter. Der heute 75-Jährige versteht unter Lebensqualität eine physische und psychische Fitness, die es ihm ermöglicht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, er will Sport treiben, er stellt Anforderungen, die vor 20 Jahren von 60-Jährigen erwartet wurden.

Vor diesem Hintergrund sehen wir uns verpflichtet, schmerzarme bzw. schmerzfreie Funktion der Haltungs- und Bewegungsorgane garantieren zu helfen, zumindest aber Angebote zu unterbreiten, die dem älteren Patienten das Leben lebenswert erscheinen lässt. Gleiches trifft selbstverständlich auch für den jungen Patienten zu, wobei die Frage der Zerstörung von Gelenken durch entzündliche oder posttraumatische Prozesse uns ebenso vor die Frage stellt, ob es noch zeitgemäß ist, durch gelenknahe Korrekturosteotomien Patienten zu helfen oder ob wir diese Art von Operationen komplettieren müssen durch Knochen- und Knorpeltransplantationen, deren Wert auch heute noch nicht eindeutig gesichert ist. Wir werden aber auch mit der Frage konfrontiert, ob künstlicher Gelenkersatz auch in jungen Jahren den Patienten eine Lebensqualität bietet, die für dieses Alter einfach gefordert wird.

Zweifelsfrei sind heute Verbesserungen der Implantate, der Implantationstechnik und der Biomaterialien unbestritten, trotzdem bleibt die Frage nach der Dauerhaftigkeit des Gelenkersatzes nicht nur erlaubt, sie muss immer wieder diskutiert werden. Gegebenenfalls ist es sogar notwendig mitunter Patienten verschiedene Schritte des Gelenkersatzes zu besprechen, wobei im Vordergrund eines solchen Procedere die Knochen schonenden Implantationstechniken stehen müssen, um bei einem Zweit- oder Dritteingriff nicht sofort Knochen ersetzende Prothesensysteme implantieren zu müssen. Ich bin schon der Meinung, dass wir bei allen Fortschritten im molekular- und zellbiologischen Bereich die Frage beantworten sollten, ob es heute möglich ist, unseren Patienten zwischen dem 30. und 80. Lebensjahr Endoprothesen anzubieten, die sich aufbauend ergänzen.

Das alles muss eingebettet sein in die leidige Diskussion zu Kostenfragen, denen wir nicht ausweichen sollten, wo wir aber mit eigenen Modellvorschlägen stärker in diesen Teil der Diskussion eingreifen müssen.

Knochentumoren bleiben ein Riesenproblem, wobei wir heute sagen dürfen, dass durch interdisziplinäre Zusammenarbeit auch hier die Lebensqualität anders zu bewerten ist als dies noch vor 20 Jahren erwartet werden konnte. Wir als Orthopäden haben dabei die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit Strahlentherapeuten und Onkologen für unsere Patienten ein Maximum zu erreichen, wobei die harten Kriterien operativen Vorgehens immer die Grundlage für Überleben und Lebensqualität der Patienten darstellen werden.

Von Seiten des Berufsverbandes werden „Der kranke Rücken in den verschiedenen Lebensabschnitten” sowie „Das entzündete Gelenk„ im Fortbildungsprogramm abgehandelt. Wesentliche Aussagen sind in diesem Zusammenhang zu erwarten, wobei die Frage nach der Zusammenarbeit zwischen orthopädischer und internistischer Rheumatologie mit Sicherheit die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas besonders reizvoll erscheinen lassen wird.

Wir haben in diesem Jahr eine Reihe von Neuerungen speziell in der Kongressorganisation und -durchführung angeboten, die es notwendig erscheinen lassen, dass nach dem Kongress eine kritische Auswertung erfolgen muss. Selbst wenn diese Neuerungen abgelehnt werden, sind wir trotzdem der Meinung, dass Angebote dieser Art immer zu begrüßen sind, da sie uns zwingen, nicht in starren Strukturen zu verharren, sondern uns mit modernen Kommunikationsmöglichkeiten zu beschäftigen.

Selbstverständlich wird dieser Kongress auch geprägt sein von vielen Diskussionen zur Frage der Vereinigung von Orthopädie und Unfallchirurgie, die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens und die Möglichkeiten, das Fachgebiet Orthopädie als Ganzes zu erhalten. Nur dann, wenn wir über ein gemeinsames Weiterbildungskurrikulum erreichen, dass das Wesen und die Philosophie der Orthopädie als Ganzes erhalten bleibt, wird es möglich sein, in einer Zusammenführung von Orthopädie und Unfallchirurgie eine Bereicherung zu erkennen. Die Gründungsväter der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie haben schon 1901 definiert, dass Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen an den Haltungs- und Bewegungsorganen einer besonderen Fürsorge bedürfen, wobei die lebenslange Begleitung dieser Patienten sich ganz wesentlich von anderen klinischen Fächern unterscheidet.

Entscheidend für uns bleibt, dass Orthopädie als Fachgebiet und Kompetenzzentrum von Prävention, Diagnostik, konservativer und operativer Therapie sowie Rehabilitation von Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane als Ganzes erhalten bleibt und sich so in der Gesellschaft darstellt.

Ich freue mich, Sie in Berlin begrüßen zu dürfen und wünsche uns allen, auch die Faszination dieser Metropole genießen zu können.

Ihr
Prof. Dr. med. W. Hein
Präsident der DGOOC

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