Aktuelle Dermatologie 2016; 42(07): 271-279
DOI: 10.1055/s-0042-104942
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dresdner Dermatologische Demonstration 2016 – 19. März 2016[*]

Dresden Dermatology Demonstration 2016 – March 19, 2016
G. Hansel
Klinik für Dermatologie und Allergologie am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
,
A. Koch
Klinik für Dermatologie und Allergologie am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
,
U. Wollina
Klinik für Dermatologie und Allergologie am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
13 April 2016 (online)

Kutane Nebenwirkungen unter Hydroxycarbamid-Therapie

G. Hansel, T. Werner

Anamnese: Die 78-jährige Patientin wurde erstmals im August 2014 in unserer Klinik behandelt. Die Einweisungsdiagnosen lauteten chronisches palmoplantares Ekzem und Plattenepithelkarzinom am rechten Handrücken. Die Patientin war 40 Jahre als Winzerin tätig gewesen, sodass es nahe lag, bei dem im Verlaufe operativ entfernten und histologisch bestätigten Plattenepithelkarzinom vom Vorliegen einer Berufskrankheit auszugehen. Die BK-Anzeige war bereits erstattet worden.

Unter den Begleiterkrankungen schien eine seit 2000 bekannte Polycythaemia vera mit Einnahme von Hydroxycarbamid (Syrea®) von besonderer Bedeutung zu sein. Es bestanden weiterhin eine arterielle Hypertonie, eine koronare Herzkrankheit mit akutem Myokardinfarkt 2004, eine Herzinsuffizienz NYHA II und eine postoperative Hypothyreose. 2012 hatte die Patientin einen Apoplex mit Hemiparese rechts erlitten. Im Juli 2015 erfolgte die Wiederaufnahme der Patientin wegen eines Plattenepithelkarzinoms am rechten Zeigefinger.

Hautbefund: Bei der klinischen Untersuchung sahen wir eine ausgedehnte Lichtschädigung der Haut mit Betonung von Gesicht, Händen und Füßen. Die Haut der Hände und Füße wirkte atrophisch, z. T. mit aufgelagerten Hyperkeratosen, einer groblamellären Schuppung und vereinzelten Rhagaden. Die Zehen boten ein fast sklerotisches Bild, teilweise in Kombination mit einer Nageldystrophie. Am linken Vorfuß bestand in Höhe des Grundgelenkes DV eine schmierige Ulzeration von 10 × 10 mm Größe. Früher waren auch Ulzerationen am linken und rechten Hohlfuß auffällig, die jedoch zum Wiederaufnahmezeitpunkt abgeheilt waren ([Abb. 1] und [Abb. 2]).

Zoom Image
Abb. 1 Plantare Ulzera durch Hydroxycarbamid.
Zoom Image
Abb. 2 Schwere Elastose mit aktinischen Keratosen und einem frühinvasiven Plattenepithelkarzinom an Dig. II rechts.

Am rechten Zeigefinger sahen wir eine ca. 10 mm durchmessende, erhabene, tumoröse Neubildung, am linken Handgelenk eine kleinere, flache, relativ unscharf abgegrenzte, keratotische Neubildung.

Histologie vom rechten Zeigefinger: Hypertrophe aktinische Keratose mit einem frühinvasiven Plattenepithelkarzinom G1.

Laborbefunde: Pathologisch waren Leukozyten mit 14,47 Gpt/l (↑), hypochrome Erythrozyten 29,2 % (↑), mikrozytäre Erythrozyten 3,2 % (↑), Thrombozyten mit 505 Gpt/l (↑), ein weiterer Anstieg der Thrombozyten im Verlauf bis 1981 Gpt/l und eine Lymphopenie von 0,7 Gpt/l (↓). Antinukleäre Antikörper (ANA) und ANA-Differenzierung waren negativ.

Epikutantestung Standard: Externa, Duftstoff-Mix I und II: negativ.

Bildgebende Diagnostik: Akrale Lichtplethysmografie beider Beine mit und ohne Kompression bds. Normalkurven. Arterieller Status: Cruro-brachialer Quotient (CBQ) rechts 1,25, links 1,17.

Sonografie Lymphknoten Axillen: Unauffällig.

Therapie und Verlauf: Anfänglich lautete die Einweisungsdiagnose „Hand- und Fußekzem mit nebenbefundlich bestehenden aktinischen Keratosen und Plattenepithelkarzinomen“. Die Hautbehandlung gestaltete sich langwierig. Insgesamt wurden zwei Plattenepithelkarzinome, am rechten Handrücken und am 2. Finger rechts, sowie ein In-situ-Karzinom am linken Handgelenk operativ entfernt. Nach Operation von rechtem Zeigefinger und linkem Handgelenk im Sommer 2015 kam es zu einer schweren Wundinfektion mit subseptischem Allgemeinbefund, in dessen Verlauf die Thrombozyten so hoch anstiegen, dass wir von einer Verschlechterung der Polycythaemie ausgingen. In Beratung mit dem Hämatoonkologen erfolgten Knochenmarkpunktion und -biopsie sowie molekulargenetische und genetische Untersuchung. Ein Übergang in ein myelodysplastisches Syndrom oder eine chronisch myeloische Leukämie konnte ausgeschlossen werden. Es wurde mit der ambulant betreuenden Hämatoonkologin die Umstellung auf Ruxolitinib (Jakavi®, ein Proteinkinase-Inhibitor) besprochen, die bei eingeschränkter Compliance erst im Januar diesen Jahres umgesetzt werden konnte.

Kommentar: Die Plattenepithelkarzinome wurden als Berufskrankheit Nr. 5103 anerkannt. Die Bewertung des Gesamtbildes der Hautveränderungen war jedoch unbefriedigend, ließ sich doch keine eindeutige dermatologische Erkrankung definieren. Deshalb vermuteten wir einen Zusammenhang zur Therapie mit Hydroxycarbamid. Tatsächlich ist in der medizinischen Literatur nach mehrjähriger Therapie mit Hydroxycarbamid (15 Jahre bei unserer Patientin) über kutane Nebenwirkungen berichtet worden wie Erytheme, Atrophie von Haut und Nägeln, Desquamation, violette Papeln, Alopezie, Dermatomyositis-ähnliche Hautveränderungen, aktinische Keratosen, Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome, Hautulzerationen, insbesondere an den Unterschenkeln, Pruritus sowie Hyperpigmentierung von Haut und Nägeln [1 – 4]. Diese Symptome waren bei der Patientin fast vollständig aufgetreten. Deshalb entschieden wir uns für eine Umstellung der Therapie der Polycythaemie auf den Proteinkinase-Inhibitor Jakavi®.


#

Literatur

1 Walter CB, Burow H, Grischke E-M. Dermatologische Nebenwirkungen von Zytostatika. Akt Dermatol 2015; 41: 104 – 109

2 Nofal A, El-Din ES. Hydroxyurea-induced dermatomyositis: true amyopathic dermatomyositis or dermatomyositis-like eruption? Int J Dermatol 2012; 51: 535 – 541

3 Slobodin G, Lurie M, Munichor M et al. Gottron’s papules-like eruption developing under hydroxyurea-therapy. Rheumatol Int 2006; 26: 768 – 770

4 Grange F, Couilliet D, Audhuy B et al. Multiple keratosis induced by hydroxyurea. Ann Dermatol Venereol 1995; 122: 16 – 18


#

* Vorsitz: Prof. Dr. U. Wollina
Berichterstatter: Frau Dr. G. Hansel, Dr. A. Koch, Prof. Dr. U. Wollina
Histopathologie: Frau Dr. J. Schönlebe, Prof. Dr. G. Haroske
Klinische Fotodokumentation: Frau R. Herz
Plenarvorträge: Frau PD Dr. U.-C. Hipler, Jena: Die Rolle der Textilien in der Medizin
Dr. P. Kleesz, Erfurt/Mannheim: Berufsdermatologie – Prävention
Dr. A. Goldman, Porto Alegre/RS, Brasilien: Polymethacrylat-Filler – Nebenwirkungen und deren Management
Prof. Dr. T. Kluba, Dresden: Metastasenchirurgie aus orthopädischer Sicht