Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(02): 50-50a
DOI: 10.1055/s-0042-104719
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Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neonatale Hyperbilirubinämie – Tabellarisches Scoring-Instrument entwickelt

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Publication Date:
25 April 2016 (online)

Hintergrund: Einige Neugeborene entwickeln trotz des Fehlens hämolytischer Störungen eine schwere Hyperbilirubinämie, die schlimmstenfalls zu einem Kernikterus mit bleibender Hirnschädigung führen kann. Gemäß den Empfehlungen der „American Academy of Pediatrics“, die sich auf Studiendaten aus den Jahren 1979–1990 stützen, sollte bei allen Neugeborenen und insbesondere bei den innerhalb von 72 Stunden nach der Geburt aus der Klinik entlassenen Kindern das Risiko für eine neonatale Hyperbilirubinämie evaluiert werden. Norman und Kollegen haben anhand einer großen Studienkohorte ein Instrument zur Prädiktion des Hyperbilirubinämierisikos entwickelt.

Methoden: Im Rahmen der populationsbasierten Kohortenstudie wurden die Daten von 23 711 zwischen 1999 und 2012 in Schweden reif geborenen Kindern (Einling, Gestationsalter ≥ 37 SSW, Geburt aus Schädellage), die eine nichthämolytischen neonatalen Hyperbilirubinämie entwickelt hatten, ausgewertet. Maternale (Ethnizität, Alter, Größe, Körpergewicht, Body Mass Index, Parität, Diabetes mellitus), geburtshilfliche (Weheninduktion, Geburtsmodus, Gestationsalter) sowie neonatale (Geschlecht, Geburtsgewicht) Risikofaktoren für eine Hyperbilirubinämie wurden analysiert.

Ergebnisse: Als Risikofaktoren für eine neonatale Hyperbilirubinämie mit einer adjustierten Odds Ratio (aOR) ≥ 1,5 wurden ein Gestationsalter zwischen 37 und 38 SSW (aOR 2,83), eine fehlgeschlagene Vakuumextraktion (aOR 2,79), eine Vakuumextraktion (aOR 2,22), asiatische Herkunft der Mutter (aOR 2,09), Primiparität (aOR 2,06), eine „Large-for-Gestational-Age“-Geburt (aOR 1,84), maternale Adipositas (aOR 1,83), eine „Small-for-Gestational-Age“-Geburt (aOR 1,66) sowie eine Geburtseinleitung (aOR 1,53) identifiziert. Eine geplante Sectioentbindung war als einziger Faktor mit einem verminderten Hyperbilirubinämierisiko assoziiert (aOR 0,45). Ohne Vorliegen dieser Risikofaktoren (Vaginalgeburt ohne Weheninduktion, Gestationsalter 39–41 SSW, zeitgerechte fetale Entwicklung, nicht adipöse, mehrgebärende Mutter nicht-asiatischer Abstammung) betrug die Hyperbilirubinämieindizenz 0,7 %. Die höchste Inzidenz (26 %) war bei Kindern mit einem Gestationsalter von 37 SSW und Notkaiserschnitt-Entbindung nach fehlgeschlagener Vakuumextraktion nachweisbar. Die niedrigste Inzidenz zeigten mit 41 SSW per elektiver Sectio geborene Kinder.

Fazit

Bei den meisten am Termin geborenen Kinder erreicht der Bilirubinspiegel erst nach der Entlassung aus der Entbindungsklinik seinen höchsten Wert. In einigen Fällen muss hierbei mit exzessiv hohen Bilirubinkonzentrationen gerechnet werden. Die Studienergebnisse, so das Fazit der Autoren, tragen wesentlich zu einer Präzisierung der gängigen Behandlungsstandards bei. Die schwedische Arbeitsgruppe hat ein tabellarisches Scoring-Instrument entwickelt, das unmittelbar nach der Geburt eine sehr genaue Einschätzung des individuellen Hyperbilirubinämierisikos reifer Neugeborener in Abhängigkeit von verschiedenen, einfach zu erhebenden maternalen und perinatalen Einflussvariablen und unter Berücksichtigung von möglichen Interaktionen zwischen den einzelnen Faktoren ermöglicht. Einige bedeutende Kovariablen wie z.B. ein familiär gehäuftes Auftreten einer neonatalen Hyperbilirubinämie oder die Blutgruppenkonstellation bleiben hierbei jedoch unberücksichtigt. Norman et al. empfehlen eine Validierung des Risiko-Scores an einer vergleichbaren Population.

Dr. Judith Lorenz, Künzell