Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(02): 48
DOI: 10.1055/s-0042-104716
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Geburtshilfe
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Peripartale Kardiomyopathie – Genetische Prädisposition möglich?

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Publication Date:
25 April 2016 (online)

Hintergrund: Die in Europa und den USA seltene peripartale Kardiomyopathie manifestiert sich gegen Ende der Schwangerschaft oder in der frühen postpartalen Periode. Die klinische Symptomatik dieser ätiologisch weitgehend unklaren Erkrankung – es tritt eine systolische Herzmuskelschwäche sowie eine Erweiterung der Herzkammern auf – ähnelt der von Patienten mit idiopathischer dilatativer Kardiomyopathie, bei welchen häufig kausale genetische Aberrationen nachweisbar sind. In bis zu einem Viertel der Fälle liegt bei diesen Patienten eine Mutation des Titin (TTN)-Gens, welches ein Strukturprotein des Sarkomers kodiert, vor. Die US-amerikanische Arbeitsgruppe von der Harvard Medical School in Boston hat untersucht, ob bei Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie ebenfalls entsprechende Genmutationen nachweisbar sind.

Methoden: Anhand der DNA-Proben von 172 Patientinnen mit peripartaler Kardiomyopathie erfolgte die Sequenzierung von 43 verschiedenen Genen, die bei Patienten mit idiopathischer dilatativer Kardiomyopathie bekanntermaßen häufig mutiert sind. Die Prävalenz verschiedener zu Proteinabbrüchen führenden Genalterationen (Nonsense-, Frameshift-, Splicing-Mutationen) im Kollektiv der Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie wurde mit der Prävalenz dieser Varianten bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie (n = 332) sowie bei gesunden Kontrollprobanden (n = 60 706) verglichen.

Ergebnisse: Bei den 172 Patientinnen mit peripartaler Kardiomyopathie wurden 26 unterschiedliche, seltene, heterozygote Mutationen (11 Nonsense-, 7 Frameshift-, 8 Splicing-Mutationen) in 8 verschiedenen Genen identifiziert. Die Prävalenz dieser genetischen Aberrationen war im Kollektiv der Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie und der Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie ähnlich (26/172; 15 % vs. 55/332; 17 %; p = 0,81). Im Kontrollkollektiv waren diese Mutationen hingegen nur mit einer Häufigkeit von 4,7 % (p = 1,3 × 10–7) nachweisbar. 17 der identifizierten Mutationen (65 %) betrafen das TTN-Gen und waren bei 10 % der Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie und bei 1,4 % der Kontrollprobanden nachweisbar (p = 2,7 × 10– 10). Für 7 dieser TTN-Mutationen war bereits eine Assoziation mit der idiopathischen dilatativen Kardiomyopathie nachgewiesen worden. 14 der 17 TTN-Mutationen lagen in dem für die A-Bande des Titin-Proteins kodierenden Genabschnitt, und 16 der 17 Mutationen betrafen Exons, die im Herzmuskel konstitutiv exprimiert werden. Bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie sind ähnliche Muster von Genanomalien nachweisbar. In einer Kohorte von 83 Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie war das Vorliegen einer zum Proteinabbruch führenden TTN-Mutation im Vergleich zu Frauen ohne diese Mutation mit einer signifikant geringeren Herzauswurfleistung nach einem Jahr assoziiert (p = 0,005).

Fazit

Bei Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie lassen sich hinsichtlich der Prävalenz und der Art der Genmutationen bemerkenswerte Ähnlichkeiten zu Patienten mit idiopathischer dilatativer Kardiomyopathie nachweisen. Bei beiden Erkrankungsformen können insbesondere Defekte des TTN-Gens detektiert werden. Diese Ergebnisse, so die Schlussfolgerung der Autoren, deuten auf eine genetische Prädisposition bei peripartaler Kardiomyopathie hin und lassen zukünftig eine Diagnosesicherung mittels genetischer Analyse, wie sie für Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie bereits zur Verfügung steht, möglich erscheinen.

Dr. Judith Lorenz, Künzell