Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(02): 46
DOI: 10.1055/s-0042-102888
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf Prof. Dr. Ernst Beinder

W. Frobenius
1   Universitätsklinikum Erlangen
,
E. Schleußner
2   Universitätsklinikum Jena, Friedrich Schiller Universität
,
D. Schlembach
3   Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin
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Publication History

Publication Date:
25 April 2016 (online)

Am 7. Januar 2016 ist Prof. Dr. med. Ernst Beinder nach langer, schwerer Krankheit in Erlangen verstorben. Viel zu früh aus seinem Schaffen gerissen hat er dennoch als Wissenschaftler und Arzt die deutschsprachige Geburtshilfe und Perinatalmedizin nachhaltig beeinflusst.

Ernst Beinder wurde am 5. April 1959 in Oberstaufen (Allgäu) geboren. Nach dem Abitur und einem Semester Biologie in Regensburg studierte er von 1980 bis 1986 in Erlangen Medizin. Im Rahmen der beruflichen Weiterbildung war er anschließend zunächst als Assistent in der Onkologie der Schloßbergklinik in Oberstaufen tätig. 1988 konnte er mit einem DFG-Stipendium an die renommierten Züricher Universitäts-Kliniken von Walter Siegenthaler (Innere Medizin) sowie Albert und Renate Huch (Geburtshilfe) wechseln. Mit dem Thema „Zur Veränderung der Mikrozirkulation in der Schwangerschaft“ fand er so früh das Forschungsfeld, das seinen weiteren wissenschaftlichen Werdegang prägen sollte. Mit dem Ehepaar Huch verband ihn weit über den Forschungsaufenthalt hinaus eine wissenschaftliche und auch freundschaftliche Beziehung.

Ab 1989 war Ernst Beinder zunächst als wissenschaftlicher Assistent, ab 1995 als Oberarzt im Bereich Pränatale Medizin und Geburtshilfe an der Universitätsfrauenklinik Erlangen tätig. Dort habilitierte er sich und wurde 2002 zum Professor für Pränataldiagnostik und Perinatalmedizin ernannt. Als begnadeter Ultraschalldiagnostiker wurde er in den exklusiven Kreis der Frauenärzte mit der höchsten Qualifikationstufe DEGUM III berufen. Wenig später ergab sich die Gelegenheit, wieder nach Zürich zu wechseln, wo er 10 Jahre als leitender Arzt der Klinik für Geburtshilfe am Universitätsspital wirkte.

2010 wurde Ernst Beinder zum Professor für Geburtshilfe und Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an die Charité – Universitätsmedizin Berlin berufen. Damit war ihm die stets erstrebte Möglichkeit zu absoluter Eigenständigkeit in klinischer und wissenschaftlicher Tätigkeit eröffnet. Schon 2011 machte jedoch völlig überraschend eine Erkrankung mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen allen beruflichen und privaten Plänen ein jähes Ende.

Aufbauend auf die prägenden Erfahrungen bei Huch und Siegenthaler suchte Ernst Beinder bei seiner wissenschaftlichen Arbeit vor allem den interdisziplinären Ansatz. In Fortsetzung seines DFG-Stipendiums beschäftigte er sich über 2 Jahrzehnte mit den Grundlagen der hypertensiven Erkrankungen in der Schwangerschaft wie auch innovativen Therapieansätzen. An allen seinen beruflichen Wirkungsstätten stellte er wissenschaftliche Arbeitsgruppen zusammen, die national und international beachtete Forschung betrieben. Offen für neue Technologien nicht nur in der Ultraschalldiagnostik war er einer der Pioniere der fetalen Magnetokardiografie zur pränatalen Diagnostik fetaler Arrhythmien. Früh erkannte er die weitreichende Bedeutung des Konzeptes der fetalen Programmierung von Erkrankungen im späteren Lebensalter und trug zur Etablierung dieser neuen Forschungsrichtung im deutschen Sprachraum bei. Seine Untersuchungen in Zürich belegten erstmals beim Menschen Langzeiteffekte der pränatalen Glukokortikoidexposition im Rahmen der Lungenreifeinduktion auf die kindliche Stressregulation.

Ernst Beinder war ein Mensch der Berge; dort konnte er sich erholen und neue Ideen generieren. Seine ausgeglichene und Vertrauen erweckende Persönlichkeit war durch ungewöhnliches Einfühlungsvermögen für seine Patientinnen gekennzeichnet. Moderne Kunst und Literatur begeisterten ihn ebenso wie sportliche Aktivitäten in den Bergen.

Als engen Mitarbeitern, Weggefährten und Freunden bleibt uns Ernst Beinder als kompetenter Geburtshelfer, engagierter Wissenschaftler und Hochschullehrer mit herausragenden didaktischen Fähigkeiten in bester Erinnerung, nicht zuletzt aber auch als Mentor. Mit ihm hat die Frauenheilkunde einen ihrer herausragenden Vertreter verloren. Sein wohl abgewogenes Urteil und seine unaufgeregte Beharrlichkeit in der Sache fehlen uns.

Dr. med. Wolfgang Frobenius, Erlangen
Prof. Dr. Med. Ekkehard Schleußner, UFK Jena
PD Dr. med. Dietmar Schlembach, Berlin