Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(15): 773
DOI: 10.1055/s-0031-1299004
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der breite Fokus der Inneren Medizin

The wide focus of internal medicine
J. Mössner
1   Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Department für Innere Medizin, Neurologie und Dermatologie, Universitätsklinikum Leipzig
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Publication Date:
10 April 2012 (online)

Das Schwerpunktheft 2012 der Deutschen Medizinischen Wochenschrift anlässlich des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin vermittelt wichtige Inhalte, die vielleicht sonst etwas außerhalb unseres Fokus liegen.

Als Originalarbeit werden von Mitarbeitern aus der Klinik von Michael Manns, Hannover, interessante sozioepidemiologische Gesichtspunkte der chronischen Hepatitis-B-Virusinfektion in Deutschland vorgestellt. Die Erkrankung kann durch Impfung verhindert werden. Die Tatsache, dass nur 84 % der Angehörigen dieser Patienten gegen Hepatitis B geimpft sind, zeigt mir, dass die in der Behandlung dieser Patienten involvierten Ärzte und auch die Deutsche Leberhilfe Handlungsbedarf haben! Insbesondere Patienten mit sogenanntem Migrationshintergrund bedürfen einer intensiveren Beratung. Diese Erhebung war nur möglich unter Beteiligung zahlreicher Kollegen verschiedener Kliniken, deren Namen in der Arbeit aufgeführt sind.

Unter der Rubrik Kasuistik stellen Christian Stelzner, Felicitas Zimmermann und Sebastian Schellong, Dresden, einen Patienten mit einer Fingernekrose vor. Die Angiologie ist einer der 8 Schwerpunkte der Inneren Medizin. Das seltene Krankheitsbild einer paraneoplastischen Gefäßbeteiligung dürfte nicht allgemein bekannt sein. Ob es sich hier wirklich um einen paraneoplastisch bedingten Gefäßverschluss am Finger gehandelt hat bei gleichzeitig vorliegender schwerer Arteriosklerose könnte kontrovers diskutiert werden. Die Argumente der Autoren legen aber ein paraneoplastisches Geschehen nahe.

Das Mediquiz von Daniel Grund und Norbert Suttorp, Berlin, zu lesen ist ein „Muss“. Selten können so viele Befunde eines zwar seltenen, aber wichtigen erblichen Krankheitssyndroms aus den Bildern gelernt werden.

Das Thema der Rubrik Aktuelle Diagnostik & Therapie ist in diesem Heft der Tollwut gewidmet. Tim Kümmerle, Gerd Fätkenheuer und Michael Hallek aus Köln geben einen interessanten Überblick über dieses Krankheitsbild. Die Infektion mit dem Tollwut-Virus durch Bisse infizierter Tiere, meist Hunde (Rabies-Virus, RABV), ist weltweit gesehen immer noch eine Bedrohung und in der Regel tödlich. In Deutschland sind seit 2006 keine Fälle von terrestrischer Tollwut mehr aufgetreten. Die Fledermaustollwut ist aber immer noch endemisch. Der Erreger der Fledermaustollwut ist das „European Bat Lyssa Virus“. Der Artikel vermittelt u. a. auch wichtige Kenntnisse, wann und bei welchen Personen eine Impfung und/oder eine Postexpositionsprophylaxe erfolgen soll.

Aus der Übersichtsarbeit von Norbert Schütz, Ulrike Sixdorf und Elisabeth Märker-Hermann, Wiesbaden, lernen wir etwas über die Komplexizität chronisch entzündlicher Erkrankungen des Bewegungsapparates im Alter und ihre Interaktion mit weiteren chronischen Erkrankungen im Alter.

Da auch die Adipositas ein Schwerpunkt-Thema des Jahreskongresses der DGIM ist, freue ich mich, dass in der Rubrik Pro & Contra Edward Shang, Leipzig, sowie Morten Schütt und Hendrik Lehnert, Lübeck, die bariatrische Therapie diskutieren.

Diese Ausgabe der DMW wird abgerundet mit einem ausgewogenen, praxisrelevanten Kommentar von Claudius Jacobshagen und Gerd Hasenfuß, Göttingen, zur immer noch kontroversen Diskussion über das Thema des Risikos einer Wirkungseinschränkung eines P2Y12-ADP-Rezeptorinhibitors (insbesondere Clopidogrel, aber vielleicht auch Prasugrel, Ticagrelor) bei einer Komedikation mit Protonenpumpenblockern (PPI). Insbesondere Omeprazol kann die Wirkung des Clopidogrels durch Hemmung der Aktivierung dieses „prodrugs“ mindern, mit der Folge z. B. eines lebensbedrohlichen Verschlusses eines Koronarstents. Die Patienten, die bei dualer Plättchenhemmung und Komedikation mit einem PPI kardiale Komplikationen entwickelten, waren aber auch kränker, sodass der PPI ein Surrogatmarker für die Schwere der kardialen Erkrankung sein könnte. Auch wenn es keine klare wissenschaftliche Evidenz für meine folgende Aussage gibt und die Medikamentenkosten erhöht werden, würde ich im „Zweifelsfall“ bei einem akuten Koronarsyndrom und hohem Risiko einer gastrointestinalen Blutung ASS mit Ticagrelor und Rabeprazol oder Pantoprazol der Therapie mit ASS, Clopidogrel und Omeprazol vorziehen. Nota bene, ich habe mit keiner der Firmen, die diese Medikamente herstellen, finanzielle Beziehungen.

Über Ihr geschätztes Interesse an dieser Ausgabe würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Ihr

Joachim Mössner