Suchttherapie 2012; 13(03): 132-137
DOI: 10.1055/s-0031-1297948
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Drogenkonsumräume auch für Bayern?

Charakteristiken der Besucher niederschwelliger Anlaufstellen für Drogenkonsumenten in Bayern und ihre Nutzungsabsichten von DrogenkonsumräumenDrug Consumption Rooms Useful in Bavaria?Characteristics of Visitors to Low Threshold Services for Drug Users in Bavaria and Their Intentions Regarding the Use of Drug Consumption Rooms
K. Thieme
1   UMIT – Universität Hall in Tirol, Österreich
,
T. Krahe
2   Suchtfachstelle München Ost, Condrobs e. V., München
,
D. Rester
1   UMIT – Universität Hall in Tirol, Österreich
,
B. Seeberger
1   UMIT – Universität Hall in Tirol, Österreich
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Publication Date:
23 February 2012 (online)

Zusammenfassung

Seit dem Jahr 2001 können durch eine bundesweite Regelung Drogenkonsumräume (DKR) betrieben werden – jedoch ist nicht in allen Bundesländern diese Möglichkeit umgesetzt worden. Der vorliegende Artikel stellt die Ergebnisse zweier aufeinander aufbauenden Befragungen von Besuchern niedrigschwelliger Drogenhilfeeinrichtungen in Bayern dar. Gegenstand der ersten Befragung (n=394) war die Einstellung zu Drogenkonsumräumen, die deskriptive Datenerhebung zu den Konsumgewohnheiten sowie die Selbsteinschätzung für eine mögliche Nutzung eines DKR. Die zweite Befragung (n=512) diente zur Beschreibung gesundheitlicher, sozialer und suchtspezifischer Bedarfe. In der Datenauswertung wurde insbesondere das Lebensalter als Merkmal berücksichtigt. Die Ergebnisse der Befragungen zeigen, dass bayerische Drogenkonsumenten Drogenkonsumräume zu einem gewissen Anteil bereits nutzen: Sie nehmen bei Gelegenheit außerhalb von Bayern liegende Angebote in Anspruch. Zudem ist die Mehrheit bereit, Drogenkonsumräume zu nutzen. Sie wünscht sich weitere Angebote der Überlebenshilfe wie auch ausstiegsorientierte Hilfen als Zusatzangebote von Drogenkonsumräumen. Desweiteren zeichnen die Ergebnisse der Befragung das Bild einer mehrfach belasteten Bevölkerungsgruppe. Neben der Suchterkrankung liegen schwerwiegende Problemlagen in den Lebensbereichen Wohnen, Arbeit und Gesundheit vor. Vor allem die Gruppe der älteren Langzeitabhängigen weisen hier besonderen Bedarf auf.

Abstract

Since 2001 a national regulation enables the operation of injecting rooms, but this possibility has not been implemented in all states. This article presents the findings of 2 consecutive surveys of visitors to low-threshold drug services in Bavaria. The subject of the first survey (n=394) was regarding their attitude towards injecting rooms. It is a descriptive data collection on consumption habits and self-assessments on the possible use of injecting rooms. The second survey (n=512) served to describe health, social and addiction-related needs. In the data analysis, age was taken into account as a main variable. The survey results suggest that Bavarian drug users to a certain extent already use drug consumption rooms. They make use of services that lie outside of Bavaria. Also the majority are willing to use injecting rooms. Bavarian drug users seek for more offers aimed at reducing harm, as well as additional drug withdrawal aids offered as supplementary features of the injecting rooms. In addition the survey results reveal a population group exposed to multiple stressors. Over and above the addiction, serious problems in housing, employment and health prevail. Furthermore elderly long-term addicts have special needs.

 
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