Psychiatr Prax 2011; 38(3): 153-154
DOI: 10.1055/s-0031-1276677
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Drogennotfälle

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Publication Date:
06 April 2011 (online)

 

Notfälle durch den Konsum von Suchtmitteln, insbesondere Intoxikationen zählen zu den häufigeren Diagnosen, die zu einem Notarzteinsatz führen. Neben der klassischen Opiatüberdosis gibt es eine Vielzahl von kritischen Situationen, ausgelöst durch zu viel oder im Entzug auch zu wenig Suchtmittel. Konfrontiert werden damit nicht nur Notärzte oder Suchtmediziner, sondern auch Ärzte in Allgemeinkrankenhäusern, in Psychiatrien oder niedergelassene Ärzte verschiedener Fachrichtungen. Während die Erstbehandlung körperlicher Symptome sehr strukturiert in Leitlinien durchdekliniert ist und den erfahrenen Notfallmediziner beim kooperativen oder bewusstseinsgetrübten Patienten meist nicht in Verlegenheit bringt, sind psychische Ausnahmezustände unter dem Einfluss von Suchtmitteln oftmals schwer zu behandeln und bedürfen nicht selten polizeilicher Amtshilfe. Je nach Art der konsumierten Suchtmittel sind unterschiedliche somatopsychische Symptomkonstellationen zu beobachten. Herausforderungen für die Einschätzung und Behandlung stellen dabei insbesondere Mischintoxikationen dar. Die Wirkungen und Gefahren sämtlicher auf dem Markt erhältlicher Drogen sind auch für Insider nur schwer überschaubar.

Dankenswerterweise hat sich Michael Soyka unter der Mitarbeit von 13 Autoren aus den Gebieten der Psychiatrie, Anästhesie und Suchtmedizin des Themas angenommen und mit dem vorliegenden Buch eine umfassende Darstellung einer Vielzahl von, durch die Einnahme von Suchtmitteln verursachten Notfallsituationen geschaffen, einschließlich diagnostischer Einschätzungen und therapeutischer Empfehlungen. Schon im 1. Kapitel "Grundlagen" erhält man einen sehr guten Überblick. Die folgende syndromorientierte Einteilung von Drogennotfällen erleichtert die Ersteinschätzung. Es folgt eine detaillierte Aufführung von somatischen Symptomen und Komplikationen mit der möglichen Zuordnung zu bestimmten Substanzen. Nach der Darstellung der Möglichkeiten zur weiteren Abklärung im Rahmen der Labordiagnostik wird strukturiert und immer im Kontext der Verursachung durch Suchtmittel die notfallmedizinische Behandlung der typischen pulmonalen, kardialen und neurologischen Komplikationen erläutert.

Im 2. Kapitel werden die einzelnen Substanzen und Gruppen vorgestellt, angefangen vom Alkohol über Opioide, Cannabinoide, Sedativa, Stimulanzien und Halluzinogene bis zu Nikotin, Inhalanzien und Mischintoxikationen. Auch aktuelle Modedrogen wie Liquid Ecstasy (GHB, GBL) oder nicht primär psychotrope Medikamente finden Erwähnung. Neben der Pharmakologie, der Darstellung der Risiken und Behandlungen von Intoxikationen und Entzügen, werden in diesem Kapitel insbesondere auch die psychischen Begleiterscheinungen ausführlicher dargestellt. Den Besonderheiten von Drogennotfällen bei Kindern, Jugendlichen und Frauen bzw. Schwangeren ist jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet. Eine sinnvolle Ergänzung zur Auffrischung des Wissens oder auch für medizinische Laien stellt das Kapitel über die Erstmaßnahmen im Rahmen des Basic and advanced life supports bei Atem- oder Herz-Kreislauf-Stillstand dar. Nicht fehlen dürfen im Anhang wichtige Adressen der Suchthilfe und der Giftnotrufzentralen.

Das Buch erfüllt somit erfreulich erschöpfend den in der Einleitung anvisierten Zweck, die Lücke zwischen Lehrbüchern mit eher psychologischem und therapeutischem Schwerpunkt und dem klinischen Alltag in der Akutversorgung zu schließen und konkrete Informationen für die Behandlung suchtmedizinischer Notfälle zu vermitteln. Es ist didaktisch gut gegliedert, die verschiedenen Aspekte der Drogennotfälle werden verständlich und umfassend dargestellt. Das Buch ist auf der Höhe der Zeit und für den klinischen Alltag absolut relevant. Für die Mitnahme in der Manteltasche und den Gebrauch im Akutfall leider etwas zu groß und umfangreich geraten, eignet es sich hervorragend als Lehrbuch und Nachschlagewerk und sollte zur Grundausstattung von Notfallambulanzen und suchtmedizinischen Versorgungseinrichtungen gehören. Für erfahrene Notfallmediziner könnte insbesondere die ausführliche Darstellung der einzelnen Suchtmittel und der psychischen Begleiterscheinungen von Interesse sein.

Markus Leibfarth, Weissenau
Email: markus.leibfarth@zfp-zentrum.de

Soyka M. Drogennotfälle: Diagnostik, Klinisches Erscheinungsbild, Therapie. Stuttgart: Schattauer, 2010; 280 S., 34,95 €. ISBN: 978-3794525959

  • 1 Soyka M. Drogennotfälle: Diagnostik, Klinisches Erscheinungsbild, Therapie. Stuttgart: Schattauer; 2010. 280 S., 34,95 €. ISBN: 978-3794525959
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