Psychother Psychosom Med Psychol 2010; 60(7): 241-242
DOI: 10.1055/s-0030-1248505
Editorial

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Qualität statt Quantität – Paradigmenwechsel bei der DFG

Quality Instead of Quantity – DFG Paradigm ChangeElmar  Brähler1 , Steffi  Riedel-Heller2
  • 1Universitätsklinikum Leipzig AöR, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
  • 2Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Selbständige Abteilung Sozialmedizin
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Publication Date:
07 July 2010 (online)

Prof. Dr. Elmar Brähler

Prof. Dr. Steffi Riedel-Heller

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat neue Regelungen zur Gestaltung von Publikationsverzeichnissen in Anträgen, Antragsskizzen und Abschlussberichten eingeführt. Die Regelungen wurden auf Vorschlag des DFG-Präsidiums vom Senat der DFG im Februar beschlossen und vom Hauptausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen [1]. Die Kollegien der DFG waren an diesem Prozess nicht beteiligt. Viele der DFG-Kollegiaten wurden am 23. Februar 2010 durch eine Pressemitteilung „Qualität statt Quantität – DFG setzt Regeln gegen Publikationsflut in der Wissenschaft” überrascht [2]. Das Statement des Präsidenten der DFG, Prof. Dr. Matthias Kleiner, bei der Pressekonferenz am 23. Februar 2010 startete mit den Worten „Mit großen Worten soll man ja vorsichtig sein. Und doch ist das, was wir Ihnen hier vorstellen, nicht weniger als ein Paradigmenwechsel. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft startet heute eine weitere Initiative für mehr Qualität statt Quantität in der Wissenschaft und im Wissenschaftsbetrieb [3]”.

Die neuen Regelungen sind ab dem 1. Juli 2010 für alle Antragsteller und Antragstellerinnen verbindlich. Der Kern der Änderungen ist, dass die maximale Anzahl von Publikationen im Lebenslauf nur noch 5 betragen darf. Die Antragsteller sollen die 5 aussagekräftigsten (besten) Arbeiten aufführen. Im Antrag dürfen bei Einzelanträgen maximal 2 Publikationen pro Jahr der Förderung im Antragstext erscheinen, bei mehreren Personen pro Jahr der Förderung 3 Arbeiten.

Es dürfen nur noch erschienene und angenommene Arbeiten aufgeführt werden, aber auch Buchveröffentlichungen.

Bei angenommenen Arbeiten muss das Manuskript beigefügt werden und eine Bestätigung über die Annahme des Manuskriptes.

In seinem Schreiben an die Fachkollegiaten und Fachkollegiatinnen vom 1. März 2010 beschreibt der Präsident der DFG die Ziele der Neuerungen: Mit dieser Entscheidung möchte der Senat verdeutlichen, dass die Bewertung vor Vorhaben in der DFG sich an Inhalten und deren Qualität orientiert. Er möchte ein klares Signal geben, dass der Druck zu immer mehr Publikationen und wachsende Orientierung allein an numerischen Werten, wie Zahl der Publikationen, Impactfaktor der erreichten Zeitschriften und daraus abgeleitet die Indizes (Hirsch-Faktor) einer qualitätsorientierten kritischen Wissenschaft nicht dienen. Nicht zuletzt dieser Druck war es, der in einer Reihe von Anträgen an die DFG zu falschen Angaben in Literaturverzeichnissen geführt hat. Das hat dem Ansehen der Wissenschaft geschadet. Die neue Regelung hat auch zum Ziel, einem derartigen wissenschaftlichen Fehlverhalten vorzubeugen, in dem es die Anreize senkt und Verstöße leicht erkennen lässt.

Diese Regelung soll es auch den Gutachterinnen und Gutachtern leichter machen, sich inhaltlich mit Leistungen eines Vorhabens auseinanderzusetzen und die Frage „Was ist gemacht worden?” beantworten zu können und nicht nur „Wie viel ist gemacht worden?”. In einem Antwortschreiben des Fachkollegiums Psychologie hat der DFG-Präsident auch noch betont, dass die neue Praxis dem wissenschaftlichen Nachwuchs zugute kommt und sich als familienfreundlich erweisen wird.

In seinem Statement zur Pressekonferenz am 23. Februar 2010 verweist der DFG-Präsident auch darauf, dass auch in den USA Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Anträgen an die National Science Foundation lediglich bis zu 5 Publikationen mit Bezug zum beantragten Projekt und bis zu 5 weitere Publikationen aufführen dürfen und bei dem National Institute of Health maximal 15 Publikationen und dass bei beiden alle Publikationen veröffentlicht oder zumindest angenommen sein müssen.

Literatur

  • 1 Deutsche Forschungsgemeinschaft .Information für die Wissenschaft Nr. 11, 26. Februar 2010, Neuregelungen für Publikationsverzeichnisse in Anträgen, Antragsskizzen und Abschlussberichten. 
  • 2 Deutsche Forschungsgemeinschaft .Pressemitteilung Nr. 7, 23. Februar 2010 „Qualität statt Quantität” – DFG setzt Regeln gegen Publikationsflut in der Wissenschaft. 
  • 3 Kleiner M. „Qualität statt Quantität” – Neue Regelungen für Publikationsangaben in Förderanträgen und Abschlussberichten. Pressekonferenz Berlin; 23. Februar 2010
  • 4 Decker O, Beutel M, Brähler E. Deep impact – evaluation in the sciences.  Sozial- und Präventivmedizin. 2004;  49 10-14
  • 5 Brähler E, Strauß B. Leistungsorientierte Mittelvergabe an Medizinischen Fakultäten.  Bundesgesundheitsblatt. 2009;  52 910-916
  • 6 Brähler E, Strauß B. Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) in der Medizin – sind die psychosozialen Fächer Verlierer?.  Psychother Psych Med. 2004;  54 435-436
  • 7 Brähler E, Decker O. Deep Impact – Konsequenzen für Nachwuchs und LOM.  Psychother Psych Med. 2003;  53 473-474
  • 8 Brähler E, Decker O, Borkenhagen A. „Das Wahre, Schöne, Gute oder schöne, gute Ware?” Wenn die Ladung verschwindet – Wissenschaft als Ware.  Psyche. 2001;  55 1245-1252
  • 9 Decker O, Brähler E. Von Büchern und Zeitschriften – Diskussion der Bewertung wissenschaftlicher Leistungen in den kultur- und sprachgebundenen Fächern in der Medizin.  Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie. 2001;  49 235-246
  • 10 Brähler E, Decker O. Der Hirsch-Index.  Psychother Psych Med. 2005;  55 451

Prof. Dr. rer. biol. hum. Elmar Brähler

Universitätsklinikum Leipzig AöR, Abt. für Med. Psychologie und Med. Soziologie

Philipp-Rosenthal-Straße 55

04103 Leipzig

Email: Elmar.Braehler@medizin.uni-leipzig.de

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