Diabetologie und Stoffwechsel 2021; 16(S 02): S329-S335
DOI: 10.1055/a-1515-9155
DDG-Praxisempfehlung

Diabetische Retinopathie und Makulopathie

Hans-Peter Hammes
1   V. Med. Klinik, Universitätsmedizin Mannheim, Universität Heidelberg
,
Klaus Dieter Lemmen
2   Augenärztliche Praxis, Düsseldorf
,
Bernd Bertram
3   Augenärztliche Praxis, Aachen
› Author Affiliations
Aktualisierungshinweis

Die DDG-Praxisempfehlungen werden regelmäßig zur zweiten Jahreshälfte aktualisiert. Bitte stellen Sie sicher, dass Sie jeweils die neueste Version lesen und zitieren

Inhaltliche Änderungen gegenüber der Vorjahresfassung

Änderung 1: Eine Frühverschlechterung („euglycemic reentry“, „early worsening“) der Retinopathie betrifft Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Sie ist selten (< 5 % der Patienten), tritt meist innerhalb der ersten 12 Monate der Stoffwechselverbesserung (insbesondere durch intensivere Insulintherapie, CSII, GLP-1-Rezeptoragonisten und durch adipositaschirurgische Maßnahmen) auf, ist vor allem bei langer Diabetesdauer (> 10 Jahre) und langfristig schlecht eingestelltem Blutzucker (HbA1c-Wert > 10 %) häufiger. Wichtigster Faktor ist aber eine vorbestehende Retinopathie, gleich welchen Grades. Sie wird nicht durch eine graduelle Verbesserung des HbA1c-Werts verhindert. Auf lange Sicht überwiegt der positive Effekt der Blutzuckerverbesserung bei Patienten mit Typ-1-Diabetes sowie nach bariatrischer Operation.

Begründung: Frühverschlechterung durch Therapieintensivierung gleichermaßen bei T1- und T2-Diabetes – Risikoerkennung ist diabetologische Aufgabe und richtet sich nach publizierter Risikokonstellation.

Stützende Quellenangabe: [7] [8] [9] [10]

Änderung 2: Kapitel „Bedeutung der Retinopathiediagnose für die diabetologische Behandlung“

Mit der erstmaligen Feststellung einer diabetischen Retinopathie zumeist wegen Mikroaneurysmen oder Punktblutungen (s. unten) sind diabetologisch folgende Fakten zu berücksichtigen:

Sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes nimmt ab dem Vorliegen einer Retinopathie die Wirkstärke einer Euglykämie auf den weiteren Verlauf ab – sie beträgt ohnehin nur 11 %, d. h., 89 % der Effekte sind durch zumeist unbekannte Faktoren bestimmt.

Eine milde Retinopathie ist der mit Abstand stärkste Prädiktor der Progression zur visusbedrohenden Retinopathie – weit stärker als HbA1c-Wert, Blutdruck oder Cholesterin.

Die Feststellung einer diabetischen Retinopathie als Organkomplikation bei Patienten mit Typ-2-Diabetes reiht diese ein in die Kategorie „very high risk“ für kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkt, Apoplex) der „Guidelines on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases“ der European Society of Cardiology (ESC) und der European Association for the Study of Diabetes (EASD) (Referenz neu). Damit ist jede Form einer diabetischen Retinopathie ein unverzichtbarer Biomarker für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Menschen mit Diabetes mellitus.

Die Screeningintervalle müssen angepasst werden.

Bei Auftreten eines Makulaödems ist eine umfassende Diagnostik hinsichtlich einer diabetischen Nephropathie angezeigt.

Begründung: Die diabetische Retinopathie hat die Rolle eines Biomarkers für exzessives kardiovaskuläres Risiko.

Stützende Quellenangabe: [5] [6] [7]



Publication History

Article published online:
21 October 2021

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  • Literatur

  • 1 Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien. Träger: Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Nationale VersorgungsLeitlinie: Prävention und Therapie von Netzhautkomplikationen bei Diabetes. Langfassung. 2015 2. Aufl. Version 1. AWMF-Register-Nr.: nvl-001b
  • 2 Schorr S, Hammes HP, Müller UA. et al Nationale Versorgungsleitlinie. Prävention und Therapie von Netzhautkomplikationen. Deutsches Ärzteblatt; 2016 (im Druck)
  • 3 Ziemssen F, Lemmen K, Bertram B. et al. Nationale Versorgungsleitlinie (NVL). Diabetische Retinopathie – 2. Auflage der NVL zur Therapie der diabetischen Retinopathie. Ophthalmologe 2016; 113: 623-638
  • 4 Bertram B, Lemmen KD, Agostini J. et al. Netzhautkomplikationen bei Diabetes. Der Diabetologe 2016; 12: 509-521
  • 5 Lachin JM, Genuth S, Nathan DM. et al. Effect of glycemic exposure on the risk of microvascular complications in the Diabetes Control and Complications Trial – revisited. Diabetes 2008; 57 (04) 995-1001
  • 6 Scanlon PH, Stratton IM, Histed M. et al. The influence of background diabetic retinopathy in the second eye on rates of progression of diabetic retinopathy between 2005 and 2010. Acta Ophthalmol 2013; 91 (05) e335-e339
  • 7 Cosentino F, Grant PJ, Aboyans V. et al. 2019 ESC Guidelines on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases developed in collaboration with the EASD. Eur Heart J 2020; 41: 255-323
  • 8 Neff KJ, Le Roux CW. The Effect of Metabolic Surgery on the Complications of Diabetes: What Are the Unanswered Questions?. Front Endocrinol (Lausanne) 2020; 11: 304
  • 9 Yu CW, Park LJ, Pinto A. et al. The Impact of Bariatric Surgery on Diabetic Retinopathy: A Systematic Review and Meta-Analysis. Am J Ophthalmol 2021; 225: 117-127
  • 10 Marso SP, Bain SC, Consoli A. et al. Semaglutide and cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 1834-1844