psychoneuro 2004; 30(4): 200
DOI: 10.1055/s-2004-826658
Brennpunkt

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Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Arzneimitteltherapie bei psychiatrischen Erkrankungen (AGATE) zu den Roten Hand Briefen von Zyprexa® und Risperdal® - Einsatz von Neuroleptika bei älteren Patienten

Miriam Steur1 , Ekkehard Haen1
  • 1Klinische Pharmakologie, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg
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Publication Date:
11 May 2004 (online)

Sowohl Risperdal® (Risperidon) als auch Zyprexa® (Olanzapin) werden in der Praxis auch bei älteren Patienten mit Psychosen und/oder Verhaltensstörungen eingesetzt. Zyprexa® besitzt keine Zulassung für die Anwendung im Zusammenhang mit einer Demenz, Risperdal® ist schon seit längerem (u.a.) zugelassen für die Anwendung bei „chronischer Aggressivität und psychotischen Symptomen bei Demenz” (Fachinformation, Juli 2002). Bereits vor zwei Jahren haben wir auf ein möglicherweise erhöhtes zerebro-vaskuläres Risiko unter Neuroleptika bei älteren Patienten hingewiesen. In Zusammenhang mit unserer Teilnahme an Phase-III-Studien mit Risperidon hatten wir erfahren, dass in plazebo-kontrollierten Studien bei älteren Patienten zerebro-vaskuläre Ereignisse in 0,08 % (d.h. 8 mal unter 10000 Anwendungen) unter Risperidon und 0 % unter Plazebo dokumentiert waren; bei Vorliegen einer Demenz stiegen diese Zahlen auf 1,36 % bzw. 0,64 %. Insgesamt waren die Zahlen für statistisch-signifikante Unterschiede viel zu klein. Janssen-Cilag hatte seinerzeit die Fachinformation um einen Nebenwirkungshinweis ergänzt („Unter der Behandlung mit Risperdal-Filmtabletten, Quicklet-Tabletten und Lösung wurden zerebro-vaskuläre Ereignisse beobachtet.”). Im Rahmen von plazebo-kontrollierten Studien wurde mittlerweile bei beiden Präparaten beobachtet, dass unter der Anwendung bei älteren Patienten mit Demenz die Inzidenz von zerebro-vaskulären Ereignissen einschließlich Insult und transitorischen ischämischen Attacken gegenüber Plazebo erhöht war (vgl. die Rote Hand Briefe der Fa. Lilly und Janssen-Cilag). Die entsprechenden Häufigkeitsangaben liegen für beide Präparate in ähnlicher Größenordnung. Bei Zyprexa® wird nun wegen möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen die Anwendung bei älteren Patienten mit Demenz generell nicht empfohlen. Im Fall von Risperdal® wurde das Teilanwendungsgebiet bezüglich älterer Patienten spezifiziert: „Schwere chronische Aggressivität, durch die sich die Patienten selbst und andere gefährden, oder psychotische Symptome bei Demenz, durch die die Patienten erheblich beeinträchtigt werden” (Fachinformation, März 2004). Vor dem Einsatz von Risperidon bei älteren Demenz-Patienten sollte eine strenge Indikationsteilung erfolgen und auch in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob der Patient weiterhin der Gabe des Präparates bedarf. Des weiteren sollte auf bestehende zerebro-vaskuläre Risikofaktoren des Patienten (wie Bluthochdruck, kardiovaskuläre Erkrankungen, vaskuläre Demenz) geachtet werden. Insbesondere beim Vorliegen solcher ist beim Patient während der Behandlung auf das Auftreten von Anzeichen eines möglichen zerebro-vaskulären Ereignisses (plötzliche Erschlaffung, Taubheit im Gesicht, Armen oder Beinen, Sprach- und Sehstörungen) zu achten. Wird ein entsprechendes Ereignis beobachtet, sind selbstverständlich sofort alle Behandlungsmöglichkeiten, auch ein Therapie-Abbruch zu erwägen.

Die EMEA äußert sich bezüglich der Anwendung von Neuroleptika bei Patienten mit Demenz-assoziierten Psychosen und Verhaltensstörungen dahingehend, dass „die Datenlage bis dato nicht ausreicht, um einen Unterschied hinsichtlich des Mortalitätsrisikos oder des Risikos zerebro-vaskulärer Ereignisse innerhalb der Gruppe atypischer Neuroleptika oder zwischen atypischen und konventionellen Neuroleptika zu bestätigen.”

Unserer Meinung nach handelt es sich hierbei um ein generelles Risiko der Neuroleptikaanwendung im Alter, das durch das Vorliegen einer (vaskulären?) Demenz weiter ansteigt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die in den Studien mit Zyprexa® und Risperdal® gefundenen zerebro-vaskulären Risiken bei älteren Patienten unter anderen Neuroleptika nicht auftreten. Für die älteren Neuroleptika liegen wohl nur deshalb bisher keine Daten zum zerebro-vaskulären Risiko bei älteren Patienten vor, weil mit diesen Wirkstoffen noch keine klinischen Studien speziell bei älteren Patienten durchgeführt bzw. vorliegende Daten in dieser Altersgruppe nicht gezielt auf dieses Risiko hin ausgewertet wurden. Somit kann zum jetzigen Zeitpunkt auch keine Ausweichempfehlung ausgesprochen werden, auf welches andere Neuroleptikum ältere Demenz-Patienten von Zyprexa® bzw. Risperdal® bei bestehender Notwendigkeit der Medikation umgesetzt werden sollten.

1 Verbund aus psychiatrischen Kliniken und niedergelassenen Psychiatern zur Qualitätssicherung bei der Psychopharmakotherapie, hervorgegangen aus der „Arzneimittelüberwachung in der Psychiatrie Bayerns” (AMÜP-Bayern)

Korrespondenzadresse:

Miriam Steur
Ekkehard Haen

Bezirksklinikum Regensburg

Universitätsstr. 84

93053 Regensburg

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