Aktuelle Neurologie 2009; 36(4): 149
DOI: 10.1055/s-0028-1090258
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patientenorientierung im Internet

Patient Orientation in the InternetR.  Gold
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Publication Date:
15 May 2009 (online)

Prof. Dr. med. Ralf Gold

In der modernen Medizin stehen wir in den letzten Jahren vielfältigen Wandlungen und Herausforderungen gegenüber. Für Patientenkontakte werden zunehmend elektronische Medien genutzt, wozu vor allem das Internet zählt. Diese Entwicklung beginnt von der sog. Internetpräsentation einer Klinik / Klinikkette, die quasi als „Magnet für Patienten” dienen soll und die das Leistungsspektrum einer Klinik im Rahmen des rechtlich Erlaubten darbietet. Auf der anderen Seite wachsen aber auch die Informationsbedürfnisse der Patienten, vor allem wenn, wie im Fall der Multiplen Sklerose, hauptsächlich junge Menschen mit noch anstehender Berufs- und Familienplanung neu erkranken. Insofern ist es vielleicht kein Zufall, dass die erste größere wissenschaftliche Arbeit zur qualitativen Bewertung von Internetseiten nun die Multiple Sklerose analysiert.

Unter Leitung des Dresdner Lehrstuhls für Gesundheitswissenschaften wurden die Anbieter von Internetseiten im Bereich Multiple Sklerose einer systematischen objektivierbaren Bewertung unterzogen, deren Ergebnisse in diesem Heft vorgestellt werden. Diese Qualitätsüberprüfung erstreckte sich auf Patientenverbände genauso wie kommerzielle Unternehmen und die Webseiten von Selbstbetroffenen. Das Expertengremium analysierte die nach der Delphi-Methode ausgewählten Seiten zunächst nach 10 Qualitätskriterien, darüber hinaus aber auch per sog. Testmail und vergab insgesamt 30 Punkte.

Erfreulicherweise schnitten die Seiten der Patientenverbände am besten ab, nämlich der Bundesverband der Deutschen MS-Gesellschaft (DMSG) sowie 2 ihrer Landesverbände. Aus der Gruppe kommerzieller Unternehmen wurden durchschnittliche Werte mit allerdings geringerer Streubreite als bei den Patientenverbänden erreicht.

Wie sind diese Ergebnisse zu interpretieren ?

Zum einen ist es für uns Ärzte und Wissenschaftler motivierend, dass offensichtlich die finanzielle Ausstattung allein keine hohe Qualität der Webseite garantiert. Bei den Webseiten der Patientenverbände fließt sozusagen viel „eigenes Herzblut” mit ein, dazu erfolgt seit vielen Jahren eine qualitativ hochwertige und unabhängige wissenschaftliche Beratung aus den ärztlichen Beiräten. Erklärungsbedürftig ist hier sicherlich, dass die sog. Landesverbände der DMSG unabhängig und in keiner Form weisungsgebunden sind, woraus sich die teilweise schlechten Ergebnisse einzelner DMSG-Landesverbände wie Bayern erklären lassen. Diese Website ist allerdings zur Jahreswende 08 / 09 deutlich überarbeitet worden. Bei den kommerziell gesponserten Websites sehen viele Patienten Gefahren durch Verlust der Anonymität, aber auch durch Laienwerbung, die die Autoren auf vielen kommerziellen Webseiten teils in versteckter Form entdeckten.

Zusammenfassend sollten wir für unsere „großen Neuro-Krankheiten” Wert darauf legen, eine möglichst breite und objektive Informationsbasis im Netz anzubieten. Die MS kann hierfür nur als Musterbeispiel dienen, wobei selbstverständlich ist, dass bei Krankheiten mit älteren und teils kognitiv beeinträchtigten Patientenklienteln die Webseiten mehr auf die Information von Angehörigen zielen werden.

Der Artikel regt an, eine Form der Zertifizierung der Internetpatientenseiten einzuführen. Dies ist eine wertvolle Empfehlung, die aber für die breite Einführung noch zukünftige Unterstützung und Regelung durch die Politik braucht. Der DMSG-Bundesverband hat seine Website bereits mit dem HON-Code-Siegel zertifiziert.

Prof. Dr. med. Ralf Gold

Neurologische Klinik
St. Josef-Hospital
Ruhr-Universität Bochum

Gudrunstr.

44791 Bochum

Email: ralf.gold@ruhr-uni-bochum.de

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