1 Einleitung

Die ob COVID-19/SARS-CoV‑2 gesetzlich verordnete Umstellung (Informationen der österreichischen Bundesregierung vom 10. März 2020) der gesamten österreichischen Hochschullehre auf Online-Lehre (Lehre die ausschließlich über das Internet stattfindet, siehe „Purely Online Learning“ lt. Means et al. 2013) bot die einzigartige Möglichkeit den Mehrwert und die Fallstricke von Online-Lehre in der Lehramtsausbildung zu beforschen.

Für bildungswissenschaftliche Forschung in dieser Zeit gilt es zu bedenken, dass die Umstellung der Hochschullehre auf Online-Lehre Chancen zur Beforschung eröffnete, aber auch Limitationen setzte. Die Chancen bestanden darin, dass alle Teile der Lehramtsausbildung online durchgeführt werden mussten. Es fielen dadurch Selektionseffekte weg, die unter normalen Umständen für Studien unumgänglich waren: alle Lehrenden mussten auf Online-Lehre umstellen; alle Studierenden mussten an Online-Lehre teilnehmen. Dennoch bestanden Limitationen. Einerseits gab es Inhalte von Lehrveranstaltungen (LV), für die selbst in dieser Ausnahmesituation keine Online-Lösung gefunden werden konnte (z. B. Sport- und Kreativwoche). Andererseits begrenzt die Plötzlichkeit der Umstellung, dass Studien mit Vergleichsgruppen geplant und umgesetzt werden konnten; so war es zwar möglich die Online-Lehre zu beforschen, aber nicht diese mit einer Vergleichsgruppe mit herkömmlicher oder anderer Umsetzung zu vergleichen.

Wir verfolgten das Ziel Aspekte von Online-Lehre zu identifizieren, die von Studierenden als förderlich/hinderlich wahrgenommen wurden und zu prüfen, wie diese Aspekte mit dem Erleben der LVen und der Lern- und Leistungsmotivation (LLM) der Studierenden zusammenhingen. Unser Anliegen war es, konkrete Empfehlungen für künftige Online-Lehre im Lehramt abgeben zu können.

1.1 Online-Lehre: Theoretischer Hintergrund und Limitationen bisheriger Studien

In der Literatur gab es bereits vor Covid-19 zahlreiche Theorien zur Online-Lehre. Expertinnen und Experten kritisieren jedoch, dass Theorien stets nur ausgewählte Aspekte der Online-Lehre adressieren (für eine kritischen Überblick: Arghode et al. 2017). Dieses Phänomen findet sich auch in der Literatur spezifisch zur Online-Lehre im Lehramt wieder, wo Studien stets nur einzelne Aspekte der Online-Lehre im Lehramt aufgreifen (für eine Übersicht: Carrillo und Flores 2020). Dieser Mangel einer übergreifenden Theorie zeigt sich auch darin, dass Studien oft auf einzelne Theorien beschränkt sind (z. B. „Communities of Inquiry“) und dementsprechend nur sehr spezifische Inhalte beforscht werden (z. B. Interaktion Studierende-Lehrende: Shea et al. 2010). Wiederum andere nutzen für Online-Lehre einen viel breiteren theoretischen Rahmen (z. B. Prinzipien guten Unterrichts bzw. EESS model), setzen diesen dann aber ein, um nur einen Aspekt von Hochschullehre zu fördern, wie selbstreguliertes Lernen (Astleitner 2006) oder den wahrgenommen Nutzen (Al-Fraihat et al. 2020). Vor diesem Hintergrund werden vermehrt qualitative Studien gefordert (Arghode et al. 2017), um einen Einblick in Online-Lehre zu bekommen, der nicht durch die Brille einer spezifischen Theorie und auf dadurch vorgegebene Aspekte beschränkt ist. Solche qualitativen Studien würden auch dem Anspruch gerecht werden, stärker die Qualität der studentischen Lernerfahrungen zu erfassen (z. B. Robinson und Hullinger 2008).

Weiters gab es bereits vor Covid-19 zahlreiche Konzepte zu und entsprechende Evaluierungen von Online-Lehre. Leider fehlt es diesen Konzepten an empirischen Überprüfungen (z. B. Hartman und Morris 2019). Auch werden oft nur sehr enge Erfolgskriterien fokussiert (z. B. „student engagement“: Ornelles et al. 2019). Zudem zeigt sich, dass die Vorschläge zur Evaluierung dieser Konzepte dieselben Fallstricke wie die Evaluierung von Präsenz-Lehre aufweisen: Der Fokus liegt auf selbsteingeschätzten Kompetenzen (Paechter 2006). Zusammengefasst braucht es weitere empirische Belege, welche über enge Erfolgskriterien und selbsteingeschätzte Kompetenzen hinausgehen sollten.

Schließlich zeigt sich auch eine eingangs erwähnte starke Limitation in der bestehenden Literatur: die Selektionseffekte in LV-Inhalten. Erkenntnisse zur Online-Lehre werden oft dort gewonnen, wo Inhalte zu Online-Lehre gelehrt werden (z. B. „Technology Tools and Integration for Teachers“: Cho et al. 2017). Diese Limitation entsteht vermutlich daraus, dass es pädagogisch sinnvoll ist, diese Inhalte online zu lehren, und dass diese Vortragenden fit in der Online-Lehre sind. Die verordnete Umstellung der gesamten Hochschullehre auf Online-Lehre bot die Möglichkeit diese Limitation zu umgehen.

1.2 Online-Lehre: Empirische Befunde

Meta-Analysen zeigten bislang keinen Vor- bzw. Nachteil von Online-Lehre gegenüber Präsenz-Lehre (ρ ≈ 0: Bernard et al. 2004; ρ = −0,01: Machtmes und Asher 2000; ρ = 0,10: Zhao et al. 2005). Empfehlungen für Online-Lehre beruhen auf bescheidenen Effektstärken, wobei kaum neues Wissen über gute Lehre generiert wurde. Bei Bernard et al. (2004) zeigte sich, dass asynchrone Online-Lehre einen leichten Vorteil hat (g = −0,10), aber synchrone einen leichten Nachteil (g = 0,05). Machtmes und Asher (2000) verweisen darauf, dass eine wechselseitige Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden von Vorteil ist. Die konkretesten Empfehlungen geben Zhao et al. (2005), z. B., manche LV-Inhalte sind besser online umsetzbar als andere; interindividuelle Unterschiede der Lernenden beeinflussen den Lernerfolg. Zhao et al. betonen dabei die Wichtigkeit bestehendes Wissen über die Effektivität von Präsenz-Lehre auch auf Online-Lehre anzuwenden.

Die jüngste uns bekannte Meta-Analyse zeigte, dass der Studienerfolg in Präsenz-Lehre und Online-Lehre vergleichbar ist (d = 0,05), aber Präsenz-Lehre kleine Nachteile gegenüber Mischformen aufweist („blended learning“: d = 0,33; Schneider und Preckel 2017). Dieses Ergebnis zeigte sich schon bei Means et al. (2013; g = 0,35), wobei sich allerdings auch zeigte, dass dieser Unterschied mit mehr Lernzeit, Ressourcen und Interaktionen zwischen Lernenden konfundiert ist.

Zusammengenommen liefern Meta-Analysen keine belastbaren Empfehlungen für die Gestaltung von Online-Lehre, um gleich effektiv oder sogar besser als Präsenz-Lehre zu sein, die über bisherige Erkenntnisse zu guter Lehre hinausgehen. Außerdem bleibt offen, wie Lehrende Online-Lehre tatsächlich umsetzen (Arghode et al. 2017). Vor diesem Hintergrund scheint es zielführend, eine Breite von Aspekten zu identifizieren, die in Online-Lehre von Studierenden erlebt werden. Solche Aspekte können Kriterien guter Lehre sein, können eine Teilmenge dieser sein, können darüber hinausgehen, oder können Spezifika von Online-Lehre zur konkreten Umsetzung aufgreifen.

1.3 Lern- und Leistungsmotivation

In der Multimedia-Psychologie wurde bereits vor Längerem postuliert, dass motivationale Faktoren – wie z. B. die LLM – beträchtlich durch die Anwendung von neuen Medien beeinflusst werden können (Seel und Ifenthaler 2009). Bisherige Studien beschränken sich darauf, dass die Wichtigkeit von motivationalen Faktoren für z. B. selbstreguliertes Lernen in offenen Online-Lernumgebungen untersucht wird (z. B. Song und Bonk 2016). Leider fehlen Studien, die die Zusammenhänge von LLM in curricular geplanten und vorgegebenen LV-Formaten untersuchen.

Meta-Analysen zeigten, dass LLM bedeutsame motivationale Faktoren für den Studienerfolg sind (|0,12| ≤ ρ ≤ |0,14|, „goal orientations“: Richardson et al. 2012). LLM stehen bereits in der sekundären Bildung in Zusammenhang mit akademischen Leistungen; vor allem Lernziele sogar über Intelligenz und Persönlichkeit hinaus (Steinmayr et al. 2011; Steinmayr und Spinath 2009). Im Lehramtsstudium gehen ungünstigere Berufswahlmotive mit ungünstigerer LLM einher (Lernziele: r = 0,43; Vermeidungsleistungsziele: r = −0,32; König et al. 2018). Weiters bestehen Zusammenhänge zwischen der LLM und dem pädagogischen Wissen von Studierenden (Lernziele: r = 0,18; Arbeitsvermeidung: r = −0,15; König und Rothland 2013). Schließlich zeigte sich auch, dass die LLM für den späteren Lehrerberuf relevant sind, so hängen sie zusammen mit Burn-Out und dem Interesse zu unterrichten (z. B.: Arbeitsvermeidung: r = 0,31 bzw. r = −0,35: Retelsdorf et al. 2010).

Die LLM kann als dispositionelles oder situatives Konstrukt gesehen und erhoben werden (Payne et al. 2007). Dispositionell kann LLM beispielsweise für die Schule bzw. das Studium sein (SELLMO‑S bzw. SELLMO-ST: Spinath et al. 2002). Situativ kann LLM beispielsweise auf eine bestimmte Aufgabe (Button und Mathieu 1996) oder eine bestimmte LV (Harackiewicz et al. 1997) bezogen sein. Diese Differenzierung musste bei LLM berücksichtigt werden, denn es ging in dieser Studie nicht darum die LLM als stabile Disposition der Studierenden zu erheben. Für die Ziele dieser Studie musste die LLM auf die gesetzlich verordnete Online-Lehre im Lehramtsstudium bezogen sein. Weiters bedeutet eine situative LLM, dass Interventionen auf LV-Ebene geplant werden können, um die LLM zu verändern.

1.4 Die vorliegende Studie

Vor diesem Hintergrund war es unser Ziel zuerst qualitativ zu erheben, welche Aspekte der Online-Lehre Lehramtsstudierende als förderlich bzw. als hinderlich für deren subjektiven Lernerfolg erlebten. In Studie 1 wurden Studierende verschiedener Semester und Studiengänge offen zur Online-Lehre in der Zeit der Umstellung aufgrund von COVID-19/SARS-CoV‑2 befragt (Sommersemester 2020). Um einen möglichst breiten Überblick zu bekommen, wurde eine Stichprobe Lehramtsstudierender aus unterschiedlichen Studiengängen und in unterschiedlichen Studienphasen rekrutiert.

Damit kommen wir der Forderung nach stärker die Qualität der studentischen Lernerfahrungen zu erfassen (z. B. Robinson und Hullinger 2008) und zu untersuchen, wie Online-Lehre tatsächlich umgesetzt wird (Arghode et al. 2017). Weiters ist eine qualitative Herangehensweise nicht an eine bevorzugte Theorie gebunden und kann damit einen breiteren Rahmen abbilden. Unsere Herangehensweise ermöglicht auch über bestehende Kriterien guter Hochschullehre hinauszugehen, indem sich Aspekte zeigen können, die spezifisch für Online-Lehre sind und bisher noch nicht berücksichtigt wurden. Schließlich unterliegt unsere Studie nicht der Limitation, dass nur spezifische LV-Inhalte als Online-Lehre umgesetzt wurden, sondern alle Inhalte des Lehramtsstudiums.

Darauf aufbauend war es unser Ziel konkrete Empfehlungen abgeben zu können, welche Aspekte aus Studie 1 geeignet sind, um die Qualität von Online-Lehre im Lehramt steigern zu können. Studie 2 sollte dementsprechend jene Aspekte der Online-Lehre aus Studie 1 identifizieren, die (1) positive & motivierende LVen von negativen & demotivierenden unterschieden und (2) mit der LLM der Studierenden zusammenhingen. Ersteres war davon motiviert, dass LVen grundsätzlich positiv & motivierend erlebt werden sollten (Helmke 2012), und deshalb relevante Aspekte der Online-Lehre auch unterscheiden können sollten, wie eine LV erlebt wurde. Dafür wurden die Aspekte (1) für positive & motivierende bzw. negative & demotivierende LVen erhoben und (2) mit der LLM (Lernziele, Annäherungs-Leistungsziele, Vermeidungs-Leistungsziele und Arbeitsvermeidung) der Studierenden in Bezug gesetzt.

Wir analysierten zuerst explorativ, welche Aspekte von Studie 1 sich zwischen positiven & motivierenden LVen und negativen & demotivierenden LVen unterschieden. Dann analysierten wir explorativ, welche dieser Aspekte mit der situativen LLM in Zusammenhang standen. Von besonderem Interesse waren jene Aspekte, die einerseits zwischen den beiden LVen differenzieren konnten und andererseits mit einer höheren Ausprägung in Lernziele und Annäherungs-Leistungsziele und einer niedrigeren Ausprägung in Vermeidungs-Leistungsziele und Arbeitsvermeidung einhergingen (oder umgekehrt).

2 Studie 1: Aspekte der Online-Lehre

2.1 Methode

Für Studie 1 entschieden wir uns für ein inhaltsanalytisches Vorgehen (Mayring 2014), um den Gegenstand offen zu erkunden und die Ergebnisse für die Instrumente von Studie 2 zu nutzen (Mayring 2015). Das Ausgangsmaterial lag in Form von Texten vor. Das auszuwertende Material entstand im Rahmen von LVen, indem Studierende drei offene Fragen schriftlich beantworteten. Diese bezogen sich auf die gesamte Lehre im von COVID-19/SARS-CoV‑2 betroffenen Semester (Sommersemester 2020). Die erste Frage bezog sich auf die verschiedenen Formate der LV-Umsetzung, die zweite bzw. dritte auf förderlich bzw. hinderlich erlebte Aspekte für den subjektiven Lernerfolg. Die vollständigen Formulierungen sind im Anhang zu finden (s. Abschnitt Studie 1: Offene Fragen für Studierende). Die Daten wurden anonym erhoben und die Teilnahme an der Studie war freiwillig. Das Ausgangsmaterial lag in schriftlicher digitaler Form vor. Die Dokumente wurden für die Datenauswertung aufbereitet (laufende Nummerierung der Dokumente, einheitliche Absatzkontrolle, Dateiformat, etc.). Im Sinne einer transparenten Verfahrensdokumentation (Mayring 2016) wurde die Studie vor der Datenerhebung präregistriert: https://osf.io/438p6/. Alle Daten und Materialien sind unter https://osf.io/7knhj/ zu finden.

2.1.1 Stichprobe

Die Stichprobe setzte sich aus 75 Lehramtsstudierenden in Österreich zusammen (80 % weiblich, 20 % männlich). Es befanden sich 68 % im Bachelor- und 32 % im Masterstudium; entweder in der SEK Allgemeinbildung (32 %), SEK Berufsschule (1 %), SEK Fachbereich Ernährung (27 %), SEK Fachbereich Information und Kommunikation (13 %,) oder Primarstufe (27 %). Sie befanden sich im Mittel im 5,4 Semester (SD = 2,4; Spannweite: 1–10).

2.1.2 Auswertung

Das Textmaterial wurde mittels qualitativer Inhaltsanalyse mit induktiver Kategorienbildung in QCAmap (Mayring 2014) nach förderlichen bzw. hinderlichen Aspekten für das eigene Lernen analysiert. Nach Vorgabe der Web-Applikation QCAmap wurden Basiseinstellungen vorgenommen (Kodiereinheit, Kontexteinheit, Auswertungseinheit) und eine Forschungsfrage für förderliche und eine für hinderliche Aspekte angelegt. Im ersten Materialdurchlauf wurden inhaltstragende Textstellen identifiziert und kodiert (Zweit- und Drittautorin). Beim Kodieren haben die Kodiererinnen (da selbst Lehrende mit Online-Lehrveranstaltungen) explizit darauf geachtet, mögliche Vorannahmen auszublenden und Kategorien textnah zu formulieren. Nach 1/3 des Materials wurde das Kategoriensystem nochmals überprüft (Revision) und die Kategoriendefinition geringfügig nachjustiert. Das gesamte Ausgangsmaterial wurde in einem zweiten Materialdurchlauf mit dem endgültigen Kategoriensystem vollständig analysiert. Danach wurde die Interkoderreliabilität durch einen unabhängigen Zweitkodierer (Erstautor) überprüft. Dabei wurden zufällig 10 % der Texte ausgewählt und einer genauen Überprüfung durch den Zweitkodierer unterzogen. Die geringfügig aufgetretenen Nicht-Übereinstimmungen wurden in einer Kodierkonferenz diskutiert und im Analyseergebnis berücksichtigt (Mayring und Brunner 2010). Im nächsten Schritt wurden die Kategorien inhaltlich geclustert und zu Aspekten (Hauptkategorien) zusammengefasst. Das Ergebnis ist eine Auflistung der förderlichen und hinderlichen Aspekte und wie oft diese im Material identifiziert wurden.

2.2 Ergebnisse & Diskussion

Wir haben 611 Kategorien induktiv zu 20 förderlichen (f = 366) und 25 hinderlichen (f = 245) Aspekten für den subjektiv erlebten Lernerfolg zusammengefasst, wobei sieben Aspekte in gegenteiliger Form als förderlich und hinderlich erlebt wurden (Tab. 12 und 3). Im Folgenden werden jene Aspekte kurz erläutert, die unseres Erachtens nach nicht selbsterklärend sind.

Tab. 1 Die förderlichen Aspekte für den subjektiven Lernerfolg identifiziert aus Studie 1 mit deren Häufigkeit
Tab. 2 Die hinderlichen Aspekte für den subjektiven Lernerfolg identifiziert aus Studie 1 mit deren Häufigkeit
Tab. 3 Die Aspekte identifiziert aus Studie 1, die in gegenteiliger Form förderlich bzw. hinderlich für den subjektiven Lernerfolg waren

Die Teilnahme an Videokonferenzen (f = 85) als förderlicher Aspekt beschrieb die Möglichkeiten und Vorteile der direkten Kommunikation. Der Aspekt Einzelarbeit/Einzelaufträge (f = 11) umfasste die Möglichkeit sich unabhängig von anderen intensiv mit Inhalten auseinanderzusetzen. Der Aspekt übersichtliche Struktur (f = 10) bezog sich vor allem auf die strukturierte Aufbereitung in Lernplattformen. Der Aspekt Studierende aktiv einbeziehen (f = 6) beinhaltete, dass Lehrende Studierende direkt in die LV miteinbezogen (z. B. direkt Fragen stellen).

Der hinderliche Aspekt unübersichtliche/fehlende Informationen zur Lehrveranstaltung (f = 20) beschrieb, dass Lehrende zu wenig oder zu viele Informationen unübersichtlich übermittelten. Der Aspekt technische Probleme (f = 16) bezog sich überwiegend auf eine schlechte Internetverbindung. Arbeiten mit Texten (f = 8) umfasste Textarbeiten im Selbststudium, ohne die Möglichkeit mit anderen darüber diskutieren zu können. Das fehlende Zeitmanagement der Lehrperson (f = 4) bezog sich auf sehr kurzfristige Informationsübermittlungen.

Der Aspekt Gruppenarbeiten wurde sowohl förderlich (f = 4) als auch hinderlich (f = 18) erlebt. Förderlich dann, wenn das Pensum gut aufgeteilt werden konnte bzw. die Gruppe nicht mehr als drei Personen umfasste. Hinderlich wurden Gruppenarbeiten z. B. mit mehr als drei Personen beschrieben, wenn Gruppenarbeiten durch die Lehrperson schlecht koordiniert waren und/oder Mitstudierende nur elektronisch miteinander kommunizieren konnten.

3 Studie 2: Aspekte der Online-Lehre & Lern- und Leistungsmotivation

3.1 Methode

Die Studie wurde vor der Datenerhebung präregistriert: https://osf.io/rj5f9/. Alle Daten und Materialien sind unter https://osf.io/87v5y/ zu finden.

3.1.1 Stichprobe

Die Lehramtsstudierenden wurden mittels ausgesandter Online-Umfrage rekrutiert. 1300 Studierende öffneten die Umfrage, 67 % beendeten diese. Wir schlossen aus: drei Studierende aufgrund zu kurzer Bearbeitungsdauer (<4 min), neun aufgrund doppelter Bearbeitung, zwei, weil sie nicht Lehramt studierten und schließlich zwei, da sie in der Bedingung der negativen & demotivierenden LV angaben, keine solche in dem betreffenden Semester gehabt zu haben.

Die finale Stichprobe von 855 Lehramtsstudierenden in Österreich (84,6 % weiblich, 15,2 % männlich, 0,1 % Cis-Mann, 0,1 % keine Angabe) war im Median 23 Jahre alt (Q25 = 21; Q75 = 25; 2 fehlende Angaben) und im Mittel 24,15 (SD = 5,48; Spannweite: 18–65); der Studienfortschritt war im Median das 4. Semester (Q25 = 2; Q75 = 6; 2 fehlende Angaben) und im Mittel das 4,61 Semester (SD = 2,45; Spannweite: 1–16). Es waren 48,5 % Studierende der Sekundarstufe und 50,4 % der Primarstufe (1,1 % fehlende Angaben). Die Studierenden waren zu 81,4 % im Bachelor- bzw. zu 18,6 % im Masterstudium. Als Stamminstitution gaben 62 % eine Pädagogische Hochschule an und 38 % eine Universität.

3.1.2 Manipulation

Studierende wurden gebeten sich an eine LV des von COVID-19/SARS-CoV‑2 betroffenen Semesters (Sommersemester 2020) zurückzuerinnern. Zuerst kam der Hinweis an eine LV zu denken. Um sich tiefer hineinzuversetzen sollten max. drei Schlagwörter zur LV angegeben werden. Das spontane Assoziieren der Schlagwörter entspricht einer autobiographischen Erinnerungsaufgabe (autobiographic memory task, z. B.: McFarland und Buehler 1998; Raes et al. 2003). Das Hineinversetzen war ausschlaggebend dafür, dass die Aspekte und die LLM bezogen auf die LV erhoben werden konnten.

Die Lehramtsstudierenden wurden zufällig aufgeteilt: sie bekamen entweder die autobiographische Erinnerungsaufgabe bezogen auf eine LV, die sie besonders positiv & motivierend für ihr Lernen erlebt hatten oder bezogen auf eine, die sie besonders negativ & demotivierend für ihr Lernen erlebt hatten. Die genauen Instruktionen dafür sind in Abb. 1 dargestellt. 50,4 % der Studierenden wurden der Bedingung positive & motivierende LV zufällig zugeteilt, 49,6 % der Bedingung negative & demotivierende LV.

Abb. 1
figure 1

Die autobiographischen Erinnerungsaufgaben für eine positive & motivierende und eine negative & demotivierende LV

Wir verglichen die Teilstichproben betreffend demographischer und studiumsbezogener Variablen. Es ließen sich keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern (χ2[1] = 1,69; p = 0,194) oder im Alter finden (∆M = 0,21 [−0,18; 0,59], d = 0,01; ausgewertet mit BEST: s. Beschreibung und Verwendung von BEST in Abschn. 3.1.5). Wir konnten auch keine Unterschiede im Hauptstudium (χ2[1] = 0,08; p = 0,772), im Studiengang (χ2[3] = 2,38; p = 0,304), im Semester im Studium (∆M = 0,28 [−0,05; 0,61], d = 0,12) oder in der Stamminstitution (χ2[1] = 0,88; p = 0,347) finden. Somit nahmen wir die zufällige Aufteilung auf die beiden Bedingungen und damit die Vergleichbarkeit der Teilstichproben an.

Nach der autobiographischen Erinnerungsaufgabe wurde u. a. erhoben welcher LV-Typ die jeweilige LV war (s. Angaben zur LV in Abschn 3.1.3). Hier zeigte sich, dass die fünf LV-Typen und die Kategorie „Sonstiges“ in den beiden Bedingungen nicht gleichverteilt waren (χ2[5] = 15,949; p = 0,007). Praktika waren öfters in der positiven & motivierenden Bedingung (4,8 % vs. 2,3 %) und Vorlesungen mit Übung öfters in der negativen & demotivierenden Bedingung (3,7 % vs. 6,5 %). Da diese beiden LV-Typen aber insgesamt selten gewählt wurden (zum Vergleich: Seminare waren 53,9 % aller LVen: 26,9 % vs. 27 %), nahmen wir die Vergleichbarkeit der Bedingungen an.

3.1.3 Material

Demographische und studiumsbezogene Variablen

Die Studierenden wurden nach Geschlecht (offene Frage), Alter (in Jahren) und studiumsbezogenen Variablen gefragt. Diese waren: Hauptstudium (Bachelor/Master), Studiengang (Primarstufe, Sekundarstufe Allgemeinbildung, Sekundarstufe Berufsbildung, anderes), Studienfortschritt in Semestern und welcher Hochschultyp ihre Stamminstitution war (hauptinskribiert an einer Universität oder Pädagogischen Hochschule).

Angaben zur LV

Die Studierenden sollten angeben, aus welchem Gebiet die LV war (Bildungswissenschaften, Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Schulpraxis, anderes), welchem LV-Typ sie zugeordnet war (VO = Vorlesung, VU = Vorlesung mit Übung, SE = Seminar, PR = Praktikum, UE = Übung, andere) und an welchem Hochschultyp sie abgehalten wurde (Universität, Pädagogische Hochschule).

Aspekte

Zu den aus Studie 1 extrahierten Aspekten formulierten wir Items. Wir schlossen jene Aspekte aus, die zu selten von Studierenden genannt wurden, keinen Konsens im Forschungsteam fanden oder sich auf persönliche Herausforderungen der COVID-19/SARS-CoV‑2 Situation bezogen. Wenn förderliche und hinderliche Aspekte ihr Gegenteil waren, wurde der häufigere gewählt (z. B. Klare Arbeitsaufträge/Aufgabenstellungen der Lehrpersonen wurde häufiger als förderlich genannt als ungenaue Erklärung zu Arbeitsaufträgen als hinderlich). Danach formulierten wir aus den Aspekten Items. Der Itemstamm der Items lautete „In dieser Lehrveranstaltung …“, um die Aspekte auf die betreffende LV zu beziehen. Das Antwortformat ging von 1 = trifft nicht zu bis 4 = trifft zu. Die vollständige Liste der Items kann der deskriptiven Tab. 4 entnommen werden (s. Anhang Tab. 5 für eine Gegenüberstellung der Aspekte und Items).

Tab. 4 Deskriptive Statistiken (basierend auf BEST) der Lern- und Leistungsmotivation und aller Aspekte für die positive & motivierende (Positiv) und die negative & demotivierende LV (Negativ)

Lern- und Leistungsmotivation

Die LLM wurde mit den Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation (SELLMO: Spinath et al. 2002) erhoben. Der SELLMO ist ein deutschsprachiges Inventar zur Erfassung der LLM, das sich in bildungswissenschaftlichen Studien bewährt hat (z. B. König et al. 2018; Steinmayr et al. 2011; Steinmayr und Spinath 2008, 2009). Wir haben den Itemstamm angepasst „In dieser Lehrveranstaltung …“, um die LLM für die betreffende LV zu erheben.

Der SELLMO umfasst vier Skalen: Lernziele, Annäherungs-Leistungsziele, Vermeidungs-Leistungsziele und Arbeitsvermeidung. Die vier Skalen haben 31 Items (5-stufiges Antwortformat: 1 = stimmt gar nicht bis 5 = stimmt genau). Die internen Konsistenzen der vier Skalen waren 0,76 ≤ α ≤ 0,88 für die positive & motivierende LV und 0,81 ≤ α ≤ 0,91 für die negative & demotivierende LV.

Ein Beispielitem für Lernziele ist „… geht es mir darum ein tiefes Verständnis für die Inhalte zu erwerben“. Ein Beispielitem für Annäherungs-Leistungsziele ist „… geht es mir darum Arbeiten besser zu schaffen als andere“. Ein Beispielitem für Vermeidungs-Leistungsziele ist „… geht es mir darum nicht durch dumme Fragen aufzufallen“. Ein Beispielitem für Arbeitsvermeidung ist „… geht es mir darum den Arbeitsaufwand stets gering zu halten“.

Drei Items wurden angepasst. Wir haben zwei Items von Arbeitsvermeidung angepasst, da sie im Original nicht anwendbar auf einzelne LVen der Online-Lehre waren. Wir änderten „… zu Hause keine Arbeiten erledigen zu müssen.“ zu „… keine Arbeiten über die Lehrveranstaltungszeit hinaus erledigen zu müssen.“ und „… mit wenig Arbeit durch Schule/Studium zu kommen.“ zu „… mit wenig Arbeit durch die Lehrveranstaltung zu kommen.“ ab. Für ein Item von Vermeidungs-Leistungsziele änderten wir das Wort „Dozenten“ auf „Lehrperson“, um den situativen Bezug herzustellen und auf eine geschlechtsneutrale Formulierung zu achten.

3.1.4 Prozedere

Die Teilnahme an der Befragung war freiwillig und anonym und konnte jederzeit ohne Angabe von Gründen abgebrochen werden. Die Umfrage wurde an Lehramtsstudierende in Österreich ausgeschickt und war online über LimeSurvey zu bearbeiten.

Alle Studierenden tätigten zuerst demographische und studiumsbezogene Angaben und wurden daraufhin zufällig auf die autobiographische Erinnerungsaufgabe aufgeteilt. Danach wurden die Angaben zur LV gemacht, gefolgt von der Bewertung der Aspekte und dem SELLMO.

3.1.5 Auswertung

Manipulation Check

Zuerst verglichen wir die LLM der beiden Bedingungen. Wir prüften Mittelwertsunterschiede mit Bayesian estimation approach (BEST: Kruschke 2013) des betreffenden R‑Pakets (Kruschke und Meredith 2018) statt mit herkömmlicher t‑Tests. BEST gibt a‑posteriori Verteilungen für M und SD und darüber hinaus a‑posteriori Verteilungen von ∆M, ∆SD und d. BEST prüft ∆M, ∆SD und d in einer Analyse. Damit geht BEST über das Potenzial eines t‑Tests hinaus (dieser kann nur ∆M auf Signifikanz prüfen) und das eines Bayes-Faktors hinaus (dieser gibt das Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten verschiedener Annahmen an, oft, dass ein vs. kein Unterschied besteht). Wir verwendeten BEST mit den Standardeinstellungen (Markov Chain Monte Carlo Länge 100.000 und keine Ausdünnung) und uninformierten Priors, da keine Informationen zu den Verteilungen der LLM in Online-Lehre aus vorherigen Studien abgeleitet werden konnten. Wir orientieren uns für die Interpretation der Ergebnisse an dem 95% High Density Interval um zu prüfen, ob z. B. ∆M oder d unterschiedlich 0 waren (0 nicht im Intervall) oder nichtFootnote 1. Die BEST-Ergebnisse geben somit Aufschluss darüber, ob sich Aspekte im Mittel unterschieden oder nicht (was oft mit einem t‑Test versucht wird zu beantworten), und lieferte uns für den Mittelwertsvergleich eine Schätzung der Effektstärke d.

Lernziele und Annäherungs-Leistungsziele sollten für positive & motivierende LVen höher sein als für die negative & demotivierende Bedingung; für Vermeidungs-Leistungsziele und Arbeitsvermeidung sollte es umgekehrt sein. Diese Mittelwertsunterschiede sollten den differenzierten Effekt der unterschiedlichen autobiographischen Erinnerungsaufgabe bestätigen.

Die Aspekte in den Bedingungen

Im nächsten Schritt beschrieben und verglichen wir die positive & motivierende LV und die negative & demotivierende LV auf allen erhobenen Aspekten mit BEST. Wir betrachteten die Unterschiede explorativ.Footnote 2

Aspekte & Lern- und Leistungsmotivation

Zuerst betrachteten wir den Zusammenhang der Aspekte und der LLM korrelativ für die beiden LVen. Für die weiterführenden Analysen nahmen wir nur Aspekte auf, die mit Skalen der LLM korrelierten (p < 0,05 und r > 0,10).

Die Aspekte wurden mittels Pfadanalysen zu der LLM in Verbindung gesetzt. Alle Pfade wurden zugelassen (Kovarianzen innerhalb der Aspekte und innerhalb der LLM; Regressionspfade von ersterem auf zweiteres). Zuerst wurde dieses Pfadmodell für beide LVen mittels Multigruppen-Pfadmodellen berechnet. Danach schlossen wir jene Aspekte aus, welche zu gering mit der LLM zusammenhingen (alle β < 0,1).Footnote 3 Schließlich führten wir Restriktionen über die LVen hinweg schrittweise ein, um zu überprüfen, ob die Zusammenhänge sich zwischen den LVen unterschieden. Wir setzten die Restriktionen in Abhängigkeit der numerischen Ähnlichkeit der Zusammenhänge (die ähnlichste zuerst, usw.).

Die Modelle wurden mit lavaan (Rosseel 2012) berechnet. Es wurde ein WLSMV-Schätzer verwendet; einerseits, da dieser Schätzer besser als ML-Schätzer geeignet ist für Likert-Skalen mit geringer Anzahl von Ausprägungen und andererseits, um robuste Standardfehler ob der schiefen Verteilungen (Schiefe und Kurtosis > |1|) verwenden zu können.

Als Evaluationskriterium für die Modelle wurde die Varianzaufklärung herangezogen. Die Signifikanz der Pfade haben wir mittels deren Standardfehler bestimmt (critical ratio test; p < 0,05). Für die Modellvergleiche verglichen wir die χ2-Statistik. Bei einem nicht signifikanten ∆χ2 (p ≥ 0,05) wurde das Modell mit Restriktionen angenommen.

3.2 Ergebnisse

3.2.1 Manipulation Check

Die deskriptiven Statistiken der LLM und deren Vergleich zwischen positiven & motivierenden LVen und negativen & demotivierenden LVen sind im oberen Teil von Tab. 4 angeführt. Es zeigte sich ein großer Unterschied in Lernziele (d = 0,60), und ein kleiner Unterschied in Vermeidungs-Leistungsziele (d = −0,37) und Arbeitsvermeidung (d = −0,48). Für Annäherungs-Leistungsziele zeigte sich kein Unterschied (d = 0,05). Mit Ausnahme der Annäherungs-Leistungsziele zeigte der Manipulation Check die erwarteten Ergebnisse.

3.2.2 Die Aspekte in den Bedingungen

Im nächsten Schritt wurde verglichen, welche Aspekte sich zwischen positiven & motivierenden LVen und negativen & demotivierenden LVen unterschieden (in Anlehnung an Cohen (1988) erweitert um die Kategorie „sehr große Unterschiede“). Es gab sehr große Unterschiede (|d| > 3) bei sieben Aspekten (z. B. wurden Arbeitsaufträge klar formuliert), große Unterschiede (3 > |d| > 0,8) bei 18 Aspekten (z. B. war die Lehrperson erreichbar), mittlere/kleine Unterschiede (0,8 > |d| > 0,2) bei sieben Aspekten (z. B. fehlte die soziale Interaktion mit anderen Studierenden) und keine Unterschiede (0,2 > |d|) bei weiteren sieben Aspekten (z. B. wurden zu viele unterschiedliche Tools verwendet). Die deskriptiven Statistiken und der Vergleich zwischen den beiden LVen sind im unteren Teil von Tab. 4 angegeben.

3.2.3 Aspekte & Lern- und Leistungsmotivation

Im nächsten Schritt analysierten wir für beide LVen, wie die Aspekte mit der LLM zusammenhingen. Die getrennte Analyse für die beiden LVen wurde auch dadurch bestärkt, dass es für positive & motivierende LVen 76 signifikante Korrelationen gab, für negative & demotivierende LVen nur 30 (s. Tab. 6; s. Tab. 7 für die Interkorrelationen aller Aspekte). Zunächst schlossen wir sechs Aspekte aus, die für beide LVen mit keiner der Skalen der LLM korrelierten (p ≥ 0,05 oder r ≤ 0,10; s. Tab. 6 im Anhang). Die übrigen 33 Aspekte gingen in das Multigruppen-Pfadmodell ein, um die LLM vorherzusagen.Footnote 4 In diesem Multigruppen-Pfadmodell setzten wir im nächsten Schritt jene Pfade auf null, die einen geringen Zusammenhang hatten (β < 0,1). Diese Restriktionen führten nicht zu einer Verschlechterung des Modells (∆χ2[229] = 209,14; p = 0,674). Wir schlossen danach alle 20 Aspekte aus den Analysen aus, wo es keine Pfade zur LLM mehr gab und wiederholten die Analysen. Im letzten Schritt wurden acht Pfade gleichgesetzt, die für beide LVen einen numerisch ähnlichen Zusammenhang hatten. Sollte einer der gleichzusetzenden Pfade schon null-gesetzt gewesen sein, wurden beide null-gesetzt (fünf der acht Pfade). Für einen Aspekt wurden die beiden Pfade zu Annäherungs-Leistungsziele null-gesetzt, da durch den Ausschluss der nicht zusammenhängenden Aspekte dessen Zusammenhang verschwand. Dieses finale Multigruppen-Pfadmodell mit Restriktionen erklärte die Daten nicht schlechter als das Modell ohne diese Restriktionen (∆χ2[10] = 80,755; p = 0,636). Die verbleibenden Aspekte und deren Zusammenhang zur LLM sind in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Zusammenhänge der Aspekte mit der Lern- und Leistungsmotivation. Für die Pfade ist deren β angegeben (strichlierte Linien sind Suppressionseffekte, graue Linien n. s. mit p ≥ 0,05), für die Lern- und Leistungsmotivation die aufgeklärte Varianz (die Pfade wurden von dem finalen Multigruppen-Pfadmodell extrahiert)

Wie Abb. 2 zeigt, waren die Zusammenhänge der Aspekte mit den Skalen der LLM für die beiden LVen unterschiedlich. Die Aspekte waren besser geeignet um Varianz der LLM der positiven & motivierenden LVen aufzuklären (3,6–12,7 %), als der negativen & demotivieren LVen (1,2–6,5 %). Insgesamt waren zwischen den LVen drei Pfade ident: „fehlte die soziale Interaktion mit der Lehrperson“ auf Lernziele, „hatte ich technische Probleme“ auf Vermeidungs-Leistungsziele, und „gab es eine Kombination aus Videokonferenz und Nutzung einer Lernplattform“ auf Arbeitsvermeidung. Alle anderen Pfade zeigten sich nur für eine der beiden LVen.

Es zeigten sich auch Suppressionseffekte. Alle signifikanten Pfade von „wurden Arbeitsaufträge klar formuliert“ und „waren Materialien und Aufgaben strukturiert“ zeigten sich im Pfadmodell, nicht aber in den Korrelationen. Gleichermaßen zeigten sich die signifikanten Pfade von „fehlte die soziale Interaktion mit der Lehrperson“ für die positive & motivierende LV nicht in den Korrelationen. Weitere Suppressionseffekte für die positive & motivierende LV waren der Zusammenhang zwischen „gab es eine Kombination aus Videokonferenz und Nutzung einer Lernplattform“ und Arbeitsvermeidung bzw. zwischen „fehlte die soziale Interaktion mit anderen Studierenden“ und Annäherungs-Leistungsziele.

4 Allgemeine Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, Empfehlungen für Online-Lehre im Lehramt abgeben zu können. Deshalb haben wir förderlich/hinderlich erlebte Aspekte der Online-Lehre identifiziert und deren Zusammenhang mit der LLM analysiert. Abb. 3 veranschaulicht, wie sich diese Aspekte zwischen positiven & motivierenden bzw. negativen & demotivierenden LVen unterscheiden und wie in Abhängigkeit davon deren Zusammenhang mit der LLM ausfiel.

Abb. 3
figure 3

Die Aspekte aufgegliedert nach (1) deren Unterschied zwischen positiven & motivierenden LVen und negativen & demotivierenden LVen und (2) der Art deren Zusammenhangs mit der Lern- und Leistungsmotivation; (1) ist aufgeteilt nach Effektstärken, (2) danach ob es bei beiden LVen einen Zusammenhang gab, bei nur einer davon, oder bei keiner. Inhaltlich nahe Aspekte sind gemeinsam umrahmt (die Aspekte sind abgekürzt für die Darstellung; wenn es Zusammenhänge zur LLM gab, zeigt der Pfeil an, ob diese gehoben oder gesenkt wurde)

Wie Abb. 3 veranschaulicht weisen die Aspekte sehr differenzierte Zusammenhänge auf. Es zeigten sich Aspekte, die allgemein Gütekriterien von guter Lehre sind (bzw. deren Gegenteil: z. B. schlecht durchdachte Arbeitsaufträge), die differenzierten, ob Studierende LVen positiv & motivierend erlebt haben oder negativ & demotivierend und mit der LLM in Zusammenhang standen. Gleichzeitig zeigte sich, dass diese Aspekte nicht mit der LLM in Zusammenhang stehen müssen (z. B. transparente LV-Ziele). Dies ist konsistent mit Befunden, dass wenn Studierende LVen positiv bewerten, sie dennoch nicht mehr leisten (Uttl et al. 2017). Daraus abgeleitet sind mit dieser Studie drei Themenbereiche für Empfehlungen zur Online-Lehre möglich:

  1. 1.

    Allgemeine Empfehlungen,

  2. 2.

    Empfehlungen für das positive Erleben von LVen durch Studierende und

  3. 3.

    Empfehlungen, für die LLM der Studierenden.

4.1 Allgemeine Empfehlungen

Viele der in Studie 1 identifizierten Aspekte decken Bereiche ab, die nicht nur spezifisch für Online-Lehre wichtig sind, sondern generell für Hochschullehre (Schneider und Mustafić 2015). Verglichen mit der Meta-Analyse zu Hochschullehre von Schneider und Preckel (2017) zeigte sich, dass einige dieser Aspekte in starkem Zusammenhang mit Studienleistungen stehen. Beispielsweise befindet sich die Strukturierung der Lehre (schlecht durchdachte Arbeitsaufträge, strukturierte Materialen/Aufgaben) in der 105-Variablen-langen Auflistung von Schneider und Preckel auf Platz 3, die Klarheit der Arbeitsaufträge (klar formulierte Arbeitsaufträge) auf Platz 4, und die Erreichbarkeit der Lehrperson (Lehrperson erreichbar) auf Platz 11. Diese Befunde stehen im Einklang mit bisherigen Meta-Analysen zu Online-Lehre, deren Empfehlungen kaum über bisherige Erkenntnisse zu guter Lehre hinausgehen (vgl. Bernard et al. 2004; Machtmes und Asher 2000; Means et al. 2013; Zhao et al. 2005). Online-Lehre sollte sich demnach an allgemeinen Gütekriterien der Hochschullehre orientieren.

Darüber hinaus geben die qualitativ gewonnenen Erkenntnisse aus Studie 1 konkrete Empfehlungen dafür, wie allgemeine Gütekriterien der Hochschullehre praktisch in der Online-Lehre umgesetzt werden können, sodass Studierende diese als lernförderlich wahrnehmen. An dieser Stelle aus Platzgründen nur beispielhafte Nennungen: Beim Einsatz von Lernplattformen sollte darauf geachtet werden, dass Inhalte in einer logischen Struktur abgebildet werden sowie Arbeitsaufträge und damit verbundene Fristen übersichtlich dargestellt sind. Bei den Fristen ist darauf zu achten, dass Studierende eine individuelle Zeiteinteilung nützen können. Zudem sollte vorab festgelegt und kommuniziert werden, welches Medium (z. B. Lernplattform, E‑Mail, Online-Meeting) für welche Art von Informationen verwendet wird (E-Mail z. B. nur für den Versand von Erinnerungen). Diskussionsforen sollten eingerichtet werden, um eine reibungslose und schnelle Kommunikation zu gewährleisten sowie den Austausch unter den Studierenden zu ermöglichen. Zur Verfügung gestellte Audiodateien und/oder Videos ermöglichen Studierenden ein mehrmaliges Abspielen und wurden als besonders lernförderlich beschrieben. Bei der Umstellung von Präsenz-Lehre auf Online-Lehre sollten Lehrende besonders darauf achten, dass sie den Arbeitsaufwand von Online-Arbeitsaufträgen korrekt einschätzen, und dass die (Nicht‑)Einhaltung der LV-Zeiten vorab geklärt wird.

4.2 Empfehlungen: positives & motivierendes Erleben durch Studierende

Abb. 3 gibt Empfehlungen, welche Aspekte wahrscheinlich dazu führen, dass Studierende LVen der Online-Lehre eher als positiv & motivierend erleben. Neben allgemeinen Gütekriterien der Hochschullehre zeigten sich die größten Effekte dafür, dass mündlicher Input von Lehrpersonen fehlte und Unklarheiten kompliziert zu klären waren. Es gilt daher zu bedenken, dass Unklarheiten und Missverständnisse in der Online-Lehre im Gegensatz zur Präsenz-Lehre nicht rasch in persönlicher Kommunikation ausgeräumt werden können. Diese Befunde erweitern bestehenden Empfehlungen zu Online-Lehre, nämlich, wie wichtig es ist Informationen in Online-Lehre präzise vorzugeben (Seel und Ifenthaler 2009). Deshalb sollten Lehrpersonen sensibler dafür sein, dass Materialen und Arbeitsaufträge in Online-Lehre stärker selbsterklärend sein müssen als in Präsenz-Lehre.

Darüber hinaus waren mangelnde IT-Kenntnisse der Lehrpersonen ein zu berücksichtigender Aspekt. Hier sind Hochschulen gefordert ihren Lehrenden die Ressourcen und Fort- und Weiterbildungen anzubieten, damit Online-Lehre erfolgreich umgesetzt werden kann (vgl. Schmidt et al. 2019).

Auf der anderen Seite zeigte sich auch, dass Aspekte in positiven & motivierenden bzw. negativen & demotivierenden LVen gleich erlebt wurden, beispielsweise das Verwenden von zu vielen verschiedenen Tools oder das Lehren nur via E‑Mail. Auch technische Probleme auf Seiten der Studierenden hatten keinen Effekt. Für diese drei Aspekte gilt es zu betonen, dass sie auf beide LVen nicht stark zutrafen (alle M < 2). Gleichermaßen wurden in beiden LVen Arbeitsaufträge in Einzelarbeit durchgeführt und Zeit gespart, da Studierende nicht zur Hochschule fahren mussten (alle M > 3). Im Gegensatz dazu waren die Anwesenheit bei mehrstündigen Videokonferenzen und der fehlende soziale Kontakt zu den Schulklassen mittelhoch ausgeprägt (2,05 ≤ M ≤ 2,36). Für letzteres gilt zu es zu bedenken, dass nur 8,8 % der gewählten LVen der Schulpraxis zuordenbar waren, und diese überwiegend auf die Bedingung der positiven & motivierenden LV ausfielen. Zusammengefasst liegen damit Hinweise vor, wie Lehrende Online-Lehre umgesetzt haben und wir können daher nur darauf hinweisen, dass die Anwesenheit in mehrstündigen Videokonferenzen nicht reduziert werden muss.

4.3 Empfehlungen: Lern- und Leistungsmotivation

Insgesamt waren die Zusammenhänge der Aspekte mit der LLM konsistent. Während es Unterschiede darin gab, welche Skalen der LLM vorhergesagt wurden, war es konsistent ob der Zusammenhang ein förderlicher war (Verbesserung der Lernziele und/oder Annäherungs-Leistungsziele; Verschlechterung der Vermeidungs-Leistungsziele und/oder Arbeitsvermeidung) oder ein hinderlicher (umgekehrt). So zeigte sich, dass das Fehlen der sozialen Interaktion mit anderen Studierenden die LLM verminderte. Dieser Befund deckt sich mit Meta-Analysen, die Vorteile von Präsenz-Lehre gegenüber Blended-Learning-Formaten u. a. auf die Interaktionen zwischen Lernenden zurückführen (Means et al. 2013). Zur Förderung der LLM in Online-Lehre sollte daher die soziale Interaktion unter Studierenden ermöglicht werden.

Für positive & motivierende LVen bzw. negative & demotivierende LVen zeigten sich differenzierte Zusammenhänge der Aspekte auf die LLM über Gütekriterien guter Hochschullehre hinaus. Um in positiven & motivierenden LVen die LLM zu steigern, sollten Studierende aktiv einbezogen werden und es spricht nichts gegen aufwändige Arbeitsaufträge, wobei die Lehrperson Rückmeldungen zu den Arbeitsaufträgen geben sollte. Um in negativen & demotivierenden LVen die LLM nicht zu vermindern, sollte die LV nicht auf das wiederholte Abspielen von Audio/Videos aufbauen. Vielmehr sollten strukturierte Materialen und Aufgaben eingesetzt werden, um die LLM zu steigern.

Ein Aspekt war eine Ausnahme: „eine Kombination aus Videokonferenz und Nutzung einer Lernplattform“ war förderlich für die LLM bei positiven & motivierenden LVen und hinderlich bei negativen & demotivierenden LVen. Wir vermuten, dass Lehrende, die positive & motivierende LVen abhielten, die Kombination von Videokonferenz und Lernplattform im Sinne von Methodenvielfalt gezielt einsetzten. Es liegt auch nahe, dass diese Kombination näher bei Blended-Learning-Formaten liegt als an reiner Online-Lehre. Im Gegensatz dazu vermuten wir, dass Lehrende negativer & demotivierender LVen die Kombination suboptimal eingesetzt haben könnten. Einerseits betont dieses Ergebnis, dass es auch innerhalb der Online-Lehre nicht das eine Rezept für gute Lehre gibt. Andererseits betont es, dass Lehrende didaktische Konzepte und Methoden mit den LV-Zielen und LV-Inhalten abstimmen müssen (Biggs 2014) und dabei die Gegebenheiten der Online Lehre berücksichtigen sollten (Pfäffli 2015).

4.4 Limitationen & Conclusio

Der Erkenntnisgewinn unserer Studie muss vor dem Hintergrund derer Limitationen bewertet werden. Erstens war es eine Querschnittstudie. Um Interventionen abzuleiten, sollten die Wirkungsmechanismen im Längsschnitt geprüft werden. Weiterführende Forschung könnte hier auch die LV-Inhalte und LV-Formate thematisieren. Zweitens haben wir nur ein motivationales Konstrukt betrachtet, die LLM. Es bleibt fraglich, wie unsere Aspekte mit anderen motivationalen Konstrukten zusammenhängen. Weitere Studien könnten Motivation breiter fassen und Zusammenhänge mit z. B. akademischer intrinsischer Motivation betrachten (Richardson et al. 2012). Drittens konnten wir nur geringe Zusammenhänge der Aspekte zur LLM finden. Es muss daher offenbleiben, ob nicht andere Maßnahmen für die LLM zielführender wären. Weitere Studien sollten demnach darauf abzielen die LLM vollständiger vorherzusagen. Eine Möglichkeit wäre die Berücksichtigung von interindividuellen Unterschieden von Studierenden (dispositionell, aber auch situativ auf die persönlichen Herausforderungen der Online-Lehre zu Zeiten von COVID-19/SARS-CoV-2). Diese könnten auch herangezogen werden, um auszudifferenzieren für welche Untergruppen von Studierenden welche Aspekte mehr oder weniger bedeutsam sind. Viertens wurden die Daten auf Individualebene erhoben. Es muss damit offenbleiben, wie sich das Erleben einzelner Studierender auf die LV-Ebene übertragen lässt. Künftige Studien könnten gezielt alle Studierende mehrerer LVen befragen, um die Individual- und LV-Ebene abzubilden. Fünftens ist unsere Studie auf die von uns identifizierten Aspekte beschränkt. Einerseits könnte man aus den qualitativen Ergebnissen von Studie 1 innerhalb von Aspekten noch genauer differenzieren. Andererseits könnten generell weitere Aspekte identifiziert werden, sowohl durch Studierende, aber auch durch Lehrende oder aus bestehender Literatur. Auch könnten qualitativ gezielt Aspekte gesucht werden, die spezifischer für motivationale Aspekte sind. Bei diesen Punkten könnte genauer darauf geachtet werden, dass die verwendeten Aspekte distinkt verschiedene Bereiche der Online-Lehre abdecken, um Unterschätzungen der βs ob Multikollinearität zu vermeiden. All dies könnte wiederum zu einer vollständigeren Vorhersage der LLM beitragen. Sechstens wurden die Aspekte für Studie 2 als Einzelitems erhoben. Während Einzelitems für studentische Einschätzungen von Hochschullehre durchaus reliabel sind (Wanous und Hudy 2001), könnten künftige Studien ausgewählte Aspekte dennoch mit mehreren Items erheben. Siebtens haben wir nur zwischen positiven & motivierenden und negativen & demotivierenden LVen unterschieden. Es wäre denkbar, dass eine genauere Differenzierung der LVen notwendig ist. Achtens haben wir nur die Haupteffekte der Aspekte analysiert, aber nicht, ob Kombinationen von Aspekten ausschlaggebend sind. Die Daten könnten dafür mit z. B. neuronalen Netzen oder Machine Learning ausgewertet werden. Die interessierte Leserin/der interessierte Leser sei für fünftens, siebtens und achtens darauf verwiesen, dass wir all unsere Daten offen gelegt haben (https://osf.io/sujry/). An dieser Stelle soll auch erwähnt werden, dass unsere Studie einer entscheidenden Limitation nicht unterlag: Selektionseffekte bezüglich der LV-Inhalte und Lehrenden fielen weg, da die gesamte Lehramtsausbildung online gelehrt wurde. Unseres Wissens nach gab es vor COVID-19/SARS-CoV‑2 keine Studie, die dieser Limitation nicht unterlag.

Trotz dieser Limitationen lassen sich aus unserer Studie konkrete Empfehlungen für Hochschullehre ableiten. Aspekte der Online-Lehre im Lehramt stehen mit dem positiven Erleben durch Studierende und deren LLM in Zusammenhang, jedoch können diese Zusammenhänge unabhängig voneinander und auch gemeinsam auftreten. Diese Ergebnisse tragen zum Verstehen von Online-Lehre im Lehramtsstudium bei. Sie legen nahe, dass Online-Lehre je nach Ziel – positives Erleben, LLM, beides – optimiert und gesteuert werden kann.