Einleitung und historische Entwicklung

Die Anfänge der Immuntherapie in der Onkologie reichen zurück bis in das 19. Jahrhundert, als der amerikanische Chirurg William Coley Streptokokken in fortgeschrittene Tumoren injizierte. Er konnte dadurch (unwissentlich) eine Immunreaktion auslösen und ein Tumoransprechen erzielen. Diese anfänglichen Erfolge gerieten jedoch aufgrund des fehlenden molekularbiologischen Wissens bald in Vergessenheit und die onkologische Therapie stütze sich fortan auf die drei klassischen Bereiche der Chirurgie, zytotoxischen Chemotherapie und Strahlentherapie.

Ein Revival erlebte die Immunonkologie in den 1970er- bis 1980er-Jahren basierend auf präklinischen und klinischen Beobachtungen, dass das Immunsystem eine wichtige Rolle sowohl in der Prävention von Tumoren als auch in der Therapie spielen kann: So findet sich etwa bei Mäusen mit Immundefekten im angeborenen oder erworbenen Immunsystem eine höhere Inzidenz von Tumoren. Klinische Fallberichte über die spontane Regression von Lungenmetastasen bei Nierenzellkarzinom, spontane Regressionen von Melanomen oder die höhere Inzidenz von Tumoren bei Patienten, die eine immunsuppressive Therapie nach Organtransplantation erhielten, unterstrichen die Relevanz des Immunsystems bei der Interaktion zwischen Malignom und Wirtsorganismus und lösten eine Phase des Enthusiasmus [1,2,3,4,5] in der Immunonkologie aus (Abb. 1).

Initial wurden vor allem zytokinbasierte Immuntherapien wie die Applikation von Interferon-α oder Interleukin-2 in klinischen Studien sowohl bei hämatologischen Erkrankungen wie der Haarzellleukämie als auch bei soliden Tumoren wie dem Nierenzellkarzinom oder dem Melanom untersucht und auch zugelassen. Aufgrund der teilweise beträchtlichen Nebenwirkungen und der niedrigen Ansprechraten trat bis zum Ende der 1990er-Jahre ein Skeptizismus über die breite Anwendbarkeit der Immuntherapie in der Onkologie ein. Die onkologische Forschung verlagerte sich auf die Entwicklung von „targeted therapies“ , wobei als Zielstruktur vor allem die maligne Zelle per se und nicht das Immunsystem favorisiert wurde. Seit Beginn des neuen Jahrtausends erlebt die Immuntherapie in der Hämatoonkologie eine Renaissance. Durch die Zulassung von Checkpointinhibitoren oder von T‑Zell-Therapien mit chimären Antigenrezeptoren (CAR) hat sich die Immuntherapie als vierte Säule der Tumortherapie nun in der Klinik etabliert.

Dieser Beitrag soll einerseits die zugrunde liegenden Mechanismen der Immuntherapien beschreiben, die für Verständnis und Anwendung in der klinischen Praxis essenziell sind, und andererseits die derzeit zugelassenen Indikationen charakterisieren. Weiters werden potenzielle prädiktive Biomarker dargestellt sowie ein Ausblick auf die immunonkologischen Entwicklungen der nächsten Jahre gegeben.

Abb. 1
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Historische Entwicklung der Immuntherapie. CTLA-4 „cytotoxic T-lymphocyte antigen 4“; HZL Haarzellleukämie; MAK monoklonale Antikörper; PEG-IFN pegyliertes Interferon; RCC Nierenzellkarzinom. (Aus [6]. Reprinted by permission from John Wiley and Sons. © 2012 American Cancer Society, Inc. https://doi.org/10.3322/caac.20132. Available online at cacancerjournal.com)

Immunsystem

Das Immunsystem ist ein System aus Zellen, Proteinen, Organsystemen (Milz, Tonsillen, Knochenmark) und physikalischen Barrieren (Haut, Darm), dessen Hauptaufgabe die Abwehr von Fremdantigenen ist und das letztendlich zwischen „Selbst“ und „Nichtselbst“ unterscheiden können muss. Neben dem zentralen Nervensystem ist das Immunsystem das komplexeste Organsystem des menschlichen Körpers. Unterteilen lässt es sich in das evolutionsbiologisch ältere angeborene oder unspezifische Immunsystem und in das jüngere spezifische oder adaptive Immunsystem (Abb. 2; Tab. 1). Diese beiden Teile arbeiten nicht unabhängig voneinander, sondern weisen Interaktionsstellen auf. In Analogie zur neurologischen Synapse werden Kontaktstellen zwischen zwei Immunzellen immunologische Synapse genannt, so etwa die Interaktion zwischen T-Zelle und antigenpräsentierender Zelle (APC). Für eine detaillierte Beschreibung der Komponenten und der Funktionsweise des Immunsystems sei an dieser Stelle auf die einschlägigen Lehrbücher und Review-Beiträge verwiesen, die dieser Übersichtbeitrag naturgemäß nicht ersetzen kann.

Abb. 2
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Komponenten des angeborenen und erworbenen Immunsystems. (Aus [7]. Reprinted by permission from Macmillan Publishers Ltd: Nature Reviews Cancer [2004; 4:11–22], copyright 2004)

Tab. 1 Gegenüberstellung des angeborenen und erworbenen Immunsystems

Angeborenes Immunsystem

Das angeborene Immunsystem besteht aus einer zellulären, humoralen und anatomischen Komponente. Es stellt die erste Barriere der Immunabwehr dar. Das angeborene Immunsystem soll eine schnelle, jedoch unspezifische Immunantwort ermöglichen.

Neben anatomischen Barrieren zählen dendritische Zellen (DC), Makrophagen, Granulozyten und natürliche Killer(NK)-Zellen zu den wichtigsten Vertretern der zellulären Komponente des angeborenen Immunsystems. Diese Zellen erkennen mittels sogenannter (unspezifischer) Mustererkennungsrezeptoren („pattern recognition receptors“ [PRR]) Pathogene, aber auch Tumorzellen‚ und lösen schlussendlich eine inflammatorische Reaktion aus [7]. Zusätzlich erkennen NK-Zellen maligne Zellen an deren Herunterregulation oder sogar Verlust des Histokompatibilitätsantigens I (HLA-I). Die HLA-I-Herunterregulation stellt jedoch für die Tumorzelle im Rahmen der Karzinogenese auch eine Möglichkeit dar, der Erkennung durch zytotoxische CD8+-T-Zellen des spezifischen Immunsystems zu entgehen [8].

Aus immunonkologischer Sicht ist eine Hauptaufgabe des angeborenen Immunsystems die Interaktion und nachfolgende Aktivierung des adaptiven Immunsystems durch APC wie Makrophagen oder DC. Abschließend ist zu erwähnen, dass neben löslichen PRR, zu denen etwa „toll-like receptors“ gehören, das Komplementsystem als Teil des angeborenen Immunsystems zu sehen ist.

Erworbenes Immunsystem

Das adaptive, erworbene oder spezifische Immunsystem besteht ebenfalls aus zellulären (Lymphozyten) und humoralen Komponenten. T-Lymphozyten vermitteln die zelluläre Immunantwort, während B‑Lymphozyten Träger der humoralen Immunantwort sind. Es existiert eine Vielzahl an T‑Zell-Subpopulationen, wobei zum Verständnis der klinisch eingesetzten Immuntherapeutika vor allem CD8+-zytotoxische T‑Zellen und immunsuppressive regulatorische T‑Zellen (CD4+, CD25+, FOXP3+) wichtig sind. Wie oben bereits erwähnt ist eine immunonkologische T‑Zell-Antwort nur nach Aktivierung der T‑Zelle möglich. Eine APC präsentiert dem T‑Zell-Rezeptor (TCR) der T‑Zelle in einem Prozess, der „cross-priming“ genannt wird, ein Tumorantigen via Haupthistokompatibilitätskomplex I (MHC-I; [9]). Für eine suffiziente T‑Zell-Antwort ist jedoch ein weiterer Aktivierungsschritt durch ein kostimulatorisches Signal wie CD28 notwendig. Umgekehrt kann durch Aktivierung sogenannter Immuncheckpoints wie „cytotoxic T‑lymphocyte antigen 4“ (CTLA-4) oder „programmed cell death 1“ (PD-1) die CD8+-T-Zelle deaktiviert und eine Immunantwort unterdrückt werden. Für eine Beschreibung der B‑Zell-Antwort sei neuerlich auf ein Lehrbuch der Immunologie verwiesen.

Immunüberwachung

Das Immunsystem kann unter optimalen Bedingungen jahrelang maligne Tumoren kontrollieren oder am Wachstum hindern. Dieser Vorgang wird Immunüberwachung („immunosurveillance“) genannt.

Eng verwandt bzw. eine Weiterentwicklung des Konzepts der „immunosurveillance“ ist das „immunoediting“ (Abb. 3; [8]). Dahinter steckt die Vorstellung, dass es trotz initial erfolgreicher Tumorelimination im Laufe der Tumorentstehung durch zunehmende genetische Instabilität der malignen Zelle zu einer Equilibrium Phase kommen kann, in der der Tumor zwar immunologisch kontrolliert, jedoch nicht vollständig eliminiert wird. An die Equilibrium Phase schließt sich die Tumor-escape-Phase an, in der das Immunsystem nicht mehr in der Lage ist, den Tumor zu supprimieren. Der „immune escape“ gelingt Tumorzellen durch unterschiedliche Mechanismen, indem sie entweder ihre eigene Immunogenität verringern (HLA-I-Herunterregulation) oder aktiv das Immunsystem unterdrücken, beispielsweise durch die Aktivierung von Immuncheckpoints [8].

Abb. 3
figure 3

Elimination einer Tumorzelle durch das Zusammenspiel von adaptivem und angeborenem Immunsystem und Stadien des „immunoediting“. Treg Regulatorische T‑Zellen. (Aus [10]. © the authors; licensee ecancermedicalscience. Open-access article distributed under the terms of CC BY 3.0. Published: 21 May 2013, https://doi.org/10.3332/ecancer.2013.320)

Immunity cycle

Ein weiteres wichtiges Konzept zum Verständnis der onkologischen Immuntherapie ist der sogenannte „Immunity cycle“. Dieses Konzept unterteilt die Immunreaktion gegen einen Tumor in mehrere Schritte, die durchlaufen werden müssen, um eine immunologische Tumorelimination zu ermöglichen (Abb. 4; [11]). In Schritt 1 wird ein Tumorantigen aus einer sterbenden Tumorzelle freigesetzt. Dieses wird in Schritt 2 durch eine APC aufgenommen, die zu einem Lymphknoten wandert und dort in Schritt 3 das Antigen einer T‑Zelle präsentiert. Dieser Schritt ist essenziell, da hier der weitere Verlauf der Immunreaktion durch das Verhältnis von Effektor-CD8+-T-Zelle zu regulatorischer T‑Zelle bestimmt wird. Wenn eine APC mittels „co-priming“ eine naive T‑Zelle aktiviert, wird das T‑Zell-Priming genannt. Primär an dieser Stelle wirken CTLA-4-Antikörper wie Ipilimumab oder Tremelimumab. In weiterer Folge wandert die aktivierte T‑Zelle zum Tumor (Schritt 4) und infiltriert diesen (Schritt 5). In Schritt 6 wird die Tumorzelle von der T‑Zelle mittels TCR erkannt (Angriffspunkt von CAR-T-Zellen). Im letzten Schritt, der Effektorphase, wird die Tumorzelle zerstört, wenn die T‑Zelle nicht durch Aktivierung von Immuncheckpoints deaktiviert wird. In der Effektorphase haben PD-(L)1-Antikörper wie Pembrolizumab, Nivolumab oder Atezolizumab ihre Hauptwirkung. Im Anschluss an diesen Schritt beginnt der Immunity cycle mit Schritt 1 von Neuem. Grundsätzlich bietet jeder dieser Schritte die Möglichkeit zur therapeutischen Intervention und eröffnet das Feld für rationale Kombinationsstrategien.

Abb. 4
figure 4

Der Tumorimmunzyklus. APC Antigenpräsentierende Zelle; CTL zytotoxischer T‑Lymphozyt. (Aus [11]. Reprinted from Immunity 39, 1–10 [2013], Chen DS, Mellman I. Oncology meets immunology: the cancer-immunity cycle. Copyright 2013, with permission from Elsevier)

Formen der Immuntherapie

Der Begriff Immuntherapie wird nicht einheitlich verwendet und umfasst unterschiedliche Therapiestrategien (Abb. 5). Das US-amerikanische National Cancer Institute definiert Immuntherapie als systemische Therapie, die das Immunsystem entweder stimuliert oder unterdrückt, um Krankheiten wie Krebs oder Infektionen zu bekämpfen.

Allgemein kann man Immuntherapien in passive und aktive Formen unterteilen [12]. Ansätze, die bereits eine intrinsische antineoplastische Aktivität besitzen, gehören zur passiven Immuntherapie. Das gilt beispielsweise für den adoptiven T‑Zell-Transfer mit CAR-T-Zellen oder für monoklonale Antikörper wie den „bi-specific T‑cell engager“ (BiTE) Blinatumomab. Auf der anderen Seite zählen Ansätze, die durch Aktivierung des Wirtsimmunsystems ihre (volle) Wirkung entfalten, zur aktiven Immuntherapie. Beispiele für aktive Immuntherapeutika sind Checkpointinhibitoren oder Tumorvakzinen. Die Übergänge zwischen aktiver und passiver Immuntherapie sind jedoch fließend, so werden onkolytische Viren mittlerweile zur aktiven Immuntherapie gezählt, obwohl sie selbst auch intrinsische Antitumoraktivität besitzen [13].

Weiters sei darauf hingewiesen, dass sowohl die Strahlentherapie als auch die zytotoxische Chemotherapie immunmodulatorische Wirkungen hat: Taxane oder Cyclophosphamid hemmen zum Beispiel regulatorische immunsuppressive T‑Zellen und können daher die Immunantwort verstärken, wie in einem aktuellen Review-Beitrag umfassend beschrieben wurde [14]. Im Folgenden werden jene Immuntherapien beleuchtet, die in jüngerer Zeit zugelassen wurden oder mit denen der Kliniker zeitnah in Berührung kommen wird: Checkpointinhibitoren, CAR-T-Zellen und onkolytische Viren.

Abb. 5
figure 5

Formen der Immuntherapie. APC Antigenpräsentierende Zelle; DC dendritische Zelle; IDO Indolamin-2,3-Dioxygenase; IFN Interferon; IL Interleukin; IMiD immunmodulatorische Wirkstoffe; M1 M1-Makrophage; M2 M2-Makrophage; MAK monoklonale Antikörper; NLR „NOD-like receptor“; PRR „pattern recognition receptors“ (Mustererkennungsrezeptoren); TLR „toll-like receptor“. (Aus [12]. Open-access article distributed under the terms of CC BY 3.0. Published: December 18, 2014, https://doi.org/10.18632/oncotarget.2998)

Checkpointinhibitoren

Die T‑Zell-Immunantwort wird unter anderem durch ein komplexes Zusammenspiel von aktivierenden und inhibierenden Korezeptoren auf der T‑Zelle reguliert (Abb. 6; [15]). Klinisch von besonderer Bedeutung sind die beiden Immuncheckpoints CTLA-4 und PD-1.

Abb. 6
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Inhibierende Rezeptoren (Immuncheckpoints) und aktivierende Rezeptoren auf der T‑Zelle. (Aus [15]. Reprinted by permission from Macmillan Publishers Ltd: Nature [2011; 480:480–489], copyright 2011)

In der Phase der frühen T‑Zell-Aktivierung kann die Immunantwort durch die Interaktion von CTLA-4 mit CD80 oder CD86, das auf APC exprimiert wird, unterdrückt werden. Diese Interaktion wird durch die Antikörper Ipilimumab und Tremelimumab gehemmt.

In der Effektorphase der T‑Zell-Antwort können Tumorzellen der Immunantwort durch die Expression von „programmed cell death ligand 1“ (PD-L1) entgehen. Mithilfe des PD-1-Rezeptors erkennen T‑Zellen PD-L1 und werden dadurch deaktiviert. Eine therapeutische Intervention mit Radiatio oder auch Chemotherapie kann ebenfalls zu einer PD-L1-Expression auf Tumorzellen im Sinne eines „immune escape“ führen. Durch Blockade der genannten Moleküle (entweder PD-1 oder PD-L1) kann eine Deaktivierung der T‑Zelle verhindert werden und eine Immunantwort erfolgen, wodurch die Tumorzellen zerstört werden.

In Österreich sind derzeit fünf monoklonale Antikörper zur Checkpointblockade zugelassen:

  • Ipilimumab (CTLA-4-Inhibitor)

  • Nivolumab und Pembrolizumab (PD-1-Inhibitoren)

  • Atezolizumab und Avelumab (PD-L1-Inhibitoren)

Zahlreiche weitere PD-L1-Inhibitoren stehen ebenfalls vor der Zulassung, unter anderem Durvalumab. Wie aus Abb. 6 ersichtlich existieren neben einer Vielzahl von Immuncheckpoints auch aktivierende Rezeptoren auf der T‑Zelle. Fast für jede dieser Zielstrukturen sind derzeit antagonistische (z. B. für LAG-3) oder agonistische Antikörper (für OX40) in Entwicklung und werden in klinischen Studien getestet.

CAR-T-Zellen

Mit der Entwicklung der Technologie zur Herstellung von CAR wurde im Bereich der adoptiven T‑Zell-Therapie ein Meilenstein erreicht. Ein CAR besteht aus einem künstlich hergestellten tumorspezifischen, extrazellulären Antikörperfragment („single chain variable fragment“ [scFv]), beispielsweise CD19, das mit einem intrazellulären TCR-Fragment (CD3 zeta) verbunden ist [14]. Autologe T‑Zellen müssen dem Patienten entnommen werden und genetisch mithilfe eines retroviralen Vektors so verändert werden, dass sie den gewünschten CAR exprimieren. Anschließend werden die Zellen ex vivo expandiert und schließlich dem Patienten reinfundiert. Vorteile bzw. Nachteile dieser T‑Zell-Therapie sind

  • die MHC-unabhängige Aktivierung,

  • eine hohe Tumorspezifität,

  • die Beschränkung auf ein extrazelluläres Antigen sowie

  • hohe Kosten und ein hoher logistischer Aufwand.

Während mit dieser Form der adoptiven Zelltherapie bei hämatologischen Erkrankungen spektakuläre Erfolge erzielt werden konnten, sind die Ergebnisse bei soliden Tumoren eher bescheiden.

Onkolytische Viren

Das immunologische Wirkprinzip von (genetisch modifizierten) onkolytischen Viren beinhaltet zwei Hauptmechanismen. Erstens replizieren sich diese Viren selektiv in malignen Zellen und führen direkt zur Tumorlyse. Die Antwort einer Tumorzelle auf zellulären Stress und die differente Expression von Signaltransduktionswegen, die die virale Elimination ermöglichen, beispielsweise das Fehlen der Proteinkinase R, unterscheiden sich grundlegend von normalen Geweben. Zweitens wird infolge einer viral induzierten Zelllyse durch Freisetzung von

  • tumorassoziierten Antigenen (TAA),

  • immunologischen Alarmsignalen wie DNA oder bestimmten Proteinen (Damage-assoziierte molekulare Muster [DAMP]) oder

  • neuen Viruspartikeln (pathogenassoziierte molekulare Muster [PAMP])

eine systemische Immunantwort induziert [16]. Welcher dieser beiden Mechanismen überwiegt, ist noch nicht im Detail verstanden und hängt einerseits von der Art des viralen Vektors und andererseits von der malignen Grunderkrankung sowie der Interaktion zwischen Virus, Tumorstroma und Immunsystem des Wirts ab. Die Aktivierung des Wirtsimmunsystems dürfte jedoch eine entscheidende Rolle spielen [16]. Anatomische Barrieren wie Tumornekrosezonen, dichtes Tumorstroma oder auch die Blut-Hirn-Schranke können eine Infektion des Tumors mit onkolytischen Viren verhindern, weshalb in der Entwicklung dieser Substanzen oft eine direkte intratumorale Applikation gewählt wurde.

In Europa zugelassen ist bisher das rekombinante humane Herpes-simplex-Virus 1 Talimogen laherparepvec (T-VEC). T‑VEC wurde an mehreren Stellen genetisch so modifiziert, dass eine neuronale Infektion nicht möglich ist und die virale Antigenpräsentation nicht unterdrückt wird. Zusätzlich wurde T‑VEC so konstruiert, dass der Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierende Faktor (GM-CSF) von der infizierten Tumorzelle produziert wird. Dadurch wird die Immunantwort verstärkt und DC werden rekrutiert [16,17,18]. Zahlreiche andere onkolytische Viren, unter anderem Adenoviren, Coxsackie-Viren und Masernviren, können als Vektor genutzt werden und befinden sich derzeit in der Entwicklung zur Therapie unterschiedlicher Tumorentitäten.

Klinische Daten

Checkpointinhibitoren

Im Folgenden werden die wichtigsten zugelassenen Indikationen von Checkpointinhibitoren dargestellt. Der Abschnitt erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einleitend sei nochmals hervorgehoben, dass die klinische Onkologie sich durch die Einführung dieser Substanzen grundlegend verändert hat: Bei stark vorbehandelten Patienten mit sehr fortgeschrittenen Tumorerkrankungen wurden lang dauernde Remissionen erzielt. Diese Remissionen können auch nach dem Absetzen des Checkpointinhibitors (auf Wunsch des Patienten oder wegen schwerer Nebenwirkungen) über Monate bis Jahre anhalten.

Nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom

Sowohl Pembrolizumab als auch Nivolumab ist zur Therapie des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms („non-small-cell lung cancer“ [NSCLC]) im Stadium IIIB/IV nach vorangegangener Chemotherapie zugelassen. In der Zweitlinientherapie des metastasierten NSCLC ist die PD-1-Blockade der Chemotherapie überlegen und Standard. Die klinische Aktivität konnte sowohl für squamöse als auch für nichtsquamöse NSCLC demonstriert werden. So zeigte sich in der Phase-III-Studie CheckMate 57 bei NSCLC in Stadium IIIB/IV nach vorangegangener Chemotherapie ein medianes Gesamtüberleben (mOS) von 12,2 Monaten mit Nivolumab im Vergleich zu 9,4 Monaten unter Chemotherapie mit Docetaxel [19]. Das 1‑Jahres-Überleben betrug 51 % in der Nivolumabgruppe und 39 % im Chemotherapiearm [19]. Für squamöse NSCLC fand sich ein ähnliches Bild in der CheckMate-17-Studie [20]. Patienten mit einer hohen PD-L1-Expression im Tumor profitierten besonders bei nichtsquamösem NSCLC [19], während sich beim squamösen NSCLC diese Korrelation nicht herstellen ließ [20]. Für Pembrolizumab ist eine Zulassung mit einer PD-L1-Expression >1 % verknüpft. Auch hier war die Immuntherapie mit Pembrolizumab der Chemotherapie mit Docetaxel hinsichtlich des Gesamtüberlebens überlegen (12,7 vs. 8,5 Monate; [21]).

In der Erstlinientherapie des metastasierten NSCLC mit PD-L1-Expression ≥50 % ist die PD-1-Blockade der Chemotherapie überlegen und Standard. Chemotherapienaive Patienten mit NSCLC in Stadium IV wurden im Rahmen der KEYNOTE-024-Studie mit Pembrolizumab vs. platinbasierte Chemotherapie behandelt. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Einschlusskriterium war eine PD-L1-Expression ≥50 %. Das PFS betrug 10,3 Monate in der Immuntherapiegruppe vs. 6 Monate im Chemotherapiearm [22]. Das Nebenwirkungsprofil der PD-1-Inhibitoren ist sehr günstig und wird im Verlauf des Beitrags gesondert behandelt.

Nierenzellkarzinom

Auch beim fortgeschrittenen oder metastasierten Nierenzellkarzinom liegt eine Zulassung vor, jedoch nur für Nivolumab. Die Phase-III-Zulassungsstudie CheckMate 25 verglich bei mit Angiogeneseinhibitoren vorbehandelten Patienten Nivolumab und Everolimus. Sie wurde vorzeitig abgebrochen. Primärer Endpunkt war das mOS. In der Nivolumabgruppe betrug es 25 Monate, in der Everolimusgruppe 19 Monate [23]. Die PD-1-Blockade ist beim metastasierten Nierenzellkarzinom eine Standardtherapieoption nach Versagen eines Angiogeneseinhibitors.

Sehr aktuell wurden die Ergebnisse der CheckMate-214-Studie präsentiert. Bei unbehandelten Patienten mit Metastasierung („intermediate“ und „high risk“) ist die Kombination von Ipilimumab/Nivolumab (OS nicht erreicht) der Gabe des Tyrosinkinaseinhibitors Sunitinib (OS: 26 Monate) überlegen. Diese Daten werden die Leitlinien verändern.

Melanom

Die ersten großen Erfolge feierte die Immuntherapie mit Checkpointinhibitoren beim metastasierten Melanom. In dieser Indikation hat sie die klassische Chemotherapie abgelöst und ist Standard in der Erstlinienbehandlung. Dementsprechend sind zahlreiche Studiendaten zu Ipilimumab, Pembrolizumab und Nivolumab in Monotherapien und auch in Kombinationen vorhanden. Alle drei Substanzen sind in Europa zugelassen. Hervorgehoben werden soll die Phase-III-Studie CheckMate 67, in der die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab mit den Monotherapien verglichen wurde [24]. Das PFS der Kombination war mit 11,5 Monaten der Monotherapie mit Nivolumab bzw. Ipilimumab (6,9 und 2,9 Monate) überlegen. Es zeigten sich jedoch deutlich mehr Grad-3/4-Nebenwirkungen (55 %) als in den Monotherapiearmen (16 und 27 %; [24]).

Urothelkarzinom

Die EMA-Zulassung von Nivolumab nach vorangegangener Platintherapie beim metastasierten Urothelkarzinom basiert auf den Daten der Phase-II-Studie CheckMate 275 [25]. In dieser 1‑armigen Phase-II-Studie wurden 270 Patienten therapiert. Das OS betrug 7 Monate und die „overall response rate“ (ORR) 19,6 % [25].

Bei Patienten, die nicht für Cisplatin geeignet sind, und bei Patienten nach vorangegangener Platintherapie sind Atezolizumab und Pembrolizumab zugelassen. Basis der Atezolizumabzulassung ist eine positive Phase-II-Studie bei jedoch negativer Phase-III-Studie IMvigor211, was durchaus kritisch zu sehen ist. Die KEYNOTE-045-Studie mit Pembrolizumab ist die einzige positive Phase-III-Studie in diesem Setting (OS 10,3 für Pembrolizumab vs. 7,4 Monate für Chemotherapie; [26]).

Kopf-Hals-Tumoren

Bei rezidivierten bzw. metastasierten (R/M) Kopf-Hals-Tumoren, die während oder nach Platintherapie progredient waren, liegt eine EMA-Zulassung für Nivolumab auf Basis der randomisierten Phase-III-Studie CheckMate 141 vor. Nivolumab ist einer Chemotherapie unter diesen Bedingungen überlegen. Patienten, die Nivolumab erhielten, hatten ein OS von 7,5 Monaten und eine 1‑Jahres-Überlebensrate von 36 % im Vergleich zu 5,1 Monaten und 16,6 % in der Kontrollgruppe [27]. Obwohl durch diese Studie ein neuer Therapiestandard definiert wurde, ist kritisch anzumerken, dass der Zulassungstext in Europa im Gegensatz zu den USA sehr bzw. zu weit gefasst ist: Ob Patienten, die mehr als 6 Monate nach einer Platintherapie progredient sind, profitieren, ist in der Studie nicht evaluiert worden, da dies ein Ausschlusskriterium war.

Morbus Hodgkin

Sowohl für Pembrolizumab als auch für Nivolumab liegt eine europäische Zulassung basierend auf Phase-II-Studien vor. Ein therapierefraktärer bzw. rezidivierter Morbus-Hodgkin nach autologer Stammzelltransplantation (ASCT) oder bei Patienten, die nicht für eine ASCT geeignet sind, ist eine zugelassene Indikation. Patienten mit Morbus Hodgkin, bei denen es nach ASCT und Brentuximabtherapie zu einem Rezidiv kam, wurden mit einer Nivolumabmonotherapie behandelt. Der primäre Endpunkt war die ORR. Von 80 Patienten sprachen 66 % an, wobei bei 9 % eine „complete response“ (CR) beobachtet wurde. Die PFS-Rate nach 6 Monaten betrug 76,9 % [28].

Ebenso wurde Pembrolizumab in der KEYNOTE-087-Studie evaluiert. Diese Phase-II-Studie mit dem primären Endpunkt ORR umfasste 3 Kohorten mit insgesamt 210 Patienten, die

  • nach ASCT Brentuximab erhalten hatten,

  • brentuximabnaiv waren oder

  • eine Chemotherapie und Brentuximab erhalten hatten, aber keine ASCT.

Die ORR aller Kohorten betrug 69 %. In 22 % der Fälle wurde eine CR beobachtet [29].

CAR-T-Zellen

Die CAR-T-Zell-Therapie wurde aktuell von der Food and Drug Administration (FDA) in der Indikation der rezidivierten/therapierefraktären (R/R) akuten lymphatischen B‑Zell-Leukämie (B-ALL) bei Kindern und jungen Erwachsenen zugelassen. In Europa ist dies noch nicht der Fall Basis dieser Zulassung sind Daten, die in der (noch laufenden) Phase-II-Studie ELIANA generiert wurden. In diese Studie wurden 88 Patienten mit R/R-B-ALL und ≥5 % Lymphoblasten im Knochenmark eingeschlossen und mit CAR-T-Zellen (Tisagenlecleucel) behandelt, die gegen CD19 gerichtet sind. Auf dem Kongress der European Hematology Association (EHA) wurde 2017 ein Studienupdate präsentiert: Von den 63 evaluierbaren Patienten zeigten 82 % eine CR nach 3 Monaten mit einem Minimal-residual-disease-negativen Knochenmarksbefund. Die Überlebenswahrscheinlichkeit betrug 89 % bei 6 Monaten und 79 % bei 12 Monaten Nachbeobachtungszeit [30]. Ein Zytokinfreisetzungssyndrom von Grad 3/4 trat bei 48 % der Patienten auf [30]. Insgesamt stimmen diese Daten sehr optimistisch, wobei Langzeitdaten noch fehlen.

Onkolytische Viren

Die derzeit einzige in Europa zugelassene Therapie mit einem onkolytischen Virus ist beim nichtresektablen Melanom indiziert. Die Zulassung basiert auf der randomisierten Phase-III-Studie OPTiM, in der bei 436 Patienten mit nichtresektablem Melanom im Stadium III/IV eine intraläsionale T‑VEC-Injektion mit einer GM-CSF-Injektion verglichen wurde [31]. Der primäre Endpunkt war die „durable response rate“ (DRR) definiert als Ansprechen ≥6 Monate. Die DRR war in der T‑VEC-Gruppe verglichen mit GM-CSF signifikant verlängert (16,3 % vs. 2,1 %). Auch Läsionen, in die T‑VEC nicht appliziert wurde, zeigten ein Ansprechen, inklusive viszeraler Metastasen. Obwohl in der Gesamtpopulation kein OS-Unterschied gezeigt werden konnte (23,3 vs. 18,9 Monate), profitierten Patienten in Stadium III oder IVa mit einer 4‑Jahres-OS-Rate von 32 % vs. 21 % in der Kontrollgruppe [31]. Das Nebenwirkungsprofil umfasste vor allem Müdigkeit, Pyrexie und „Grippegefühl“. Daher wurde T‑VEC bei Patienten mit Melanom im Stadium IIIB, IIIC und IVM1a ohne Gehirn‑, Lungen- oder viszerale Metastasen zugelassen und findet sich auch in den aktuellen Leitlinien. Fernmetastasen sind ein Ausschlussgrund für die T‑VEC-Therapie.

Pseudoprogression

Das Ansprechen auf eine Immuntherapie kann zeitverzögert erfolgen. Entsprechend muss der behandelnde Arzt den Patienten darüber aufklären, dass eine vermeintliche Zunahme zum Beispiel kutaner Metastasen nicht zwangsläufig eine Tumorprogression bedeutet. Dieses vermeintliche Tumor-flare-Phänomen wird Pseudoprogression genannt. Der Tumor erscheint im Rahmen des ersten Restagings nach Immuntherapie klinisch und radiologisch deutlich größer. Dem Phänomen liegt eine Infiltration des Tumors mit Lymphozyten zugrunde, was eine Größenzunahme vortäuscht und mit einer Biopsie verifiziert werden kann. Um den Besonderheiten des (radiologischen) Ansprechens auf eine Immuntherapie Rechnung zu tragen, wurden neue Response-Kriterien entwickelt, die Immune-related Response Evaluation Criteria in Solid Tumors (iRECIST; Tab. 2).

Tab. 2 Überblick über die Hauptunterschiede zwischen RECIST 1.1 und iRECIST 1.1. (Für Details s. Seymour et al. [33])

Patienten mit Pseudoprogression profitieren von der Immuntherapie, weshalb die Therapie nicht vorzeitig umgestellt werden sollte. Bei einer Pseudoprogression berichtet der Patient meist nicht über eine Verschlechterung seiner Symptome. Eine radiologische Bestätigung der Progression mittels einer nochmaligen Bildgebung ist daher auf jeden Fall erforderlich. Man muss jedoch bedenken, dass eine Pseudoprogression selten ist und nur in etwa 10 % der Fälle vorkommt sowie von der Tumorentität abhängt [32]. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine echte Progression, wobei die Pseudoprogression nicht übersehen werden sollte.

Hyperprogression

Nicht zu verwechseln mit der Pseudoprogression ist die Hyperprogression („hyperprogressive disease“ [HPD]). Dieses Phänomen beschreibt ein rasantes Tumorwachstum nach Therapie mit Checkpointinhibitoren definiert als eine Tumorwachstumsrate ≥2 innerhalb von 8 Wochen nach Therapiestart. Eine HPD wurde bei 9 % der mit Checkpointinhibitor behandelten Patienten beschrieben, ist unabhängig von der Tumorentität und dürfte vor allem bei älteren Patienten (>65 Jahre) auftreten [34]. Es ist zu betonen, dass es sich hierbei um eine echte Progression handelt und das OS der Patienten deutlich verkürzt ist im Gegensatz zu Patienten, die eine Pseudoprogression haben [34].

Der molekulare Mechanismus hinter einer HPD ist noch unverstanden, wobei EGFR- oder MDM2-Mutationen in Zusammenhang mit der HPD gebracht wurden [35]. In der täglichen klinischen Praxis sollte an die HPD jedoch gedacht werden, wenn der Patient an einer rapiden Symptomverschlechterung leidet, die nicht mit immunologischen Nebenwirkungen der Therapie (s. unten) in Zusammenhang gebracht werden kann. Sollte ein bildgebendes Verfahren eine rapide Tumorprogression anzeigen, würde der Autor eine Therapieumstellung empfehlen, obwohl zum Management der HPD noch keine Leitlinien existieren.

Nebenwirkungen

Der Kliniker wird durch die Einführung von neuen Immuntherapien mit einem neuen Nebenwirkungsprofil konfrontiert. Eine adäquate Diagnostik und prompte Therapie sind essenziell, da andernfalls sehr rasch progrediente Verläufe mit letalem Ausgang die Folge sind. Zugrunde liegt eine „Überaktivierung“ des Immunsystems im Sinne einer Autoimmunreaktion, die rasch unterbrochen werden muss.

Gefürchtet ist abgesehen davon vor allem beim Einsatz von CAR-T-Zellen der „cytokine storm“ . Hier kommt es durch die unphysiologische T‑Zell-Aktivierung zu einer massiven Ausschüttung von Zytokinen und einer systemischen inflammatorischen Immunantwort, die sich klinisch in Hypotonie, Pyrexie und Lungenödem mit respiratorischer Insuffizienz äußert und den Patienten vital bedroht. Milde Verläufe einer Zytokinfreisetzung bei CAR-T-Zell-Therapie, die sich klinisch in grippeähnlichen Beschwerden äußern, sind jedoch gewünscht, korrelieren mit dem Ansprechen und sollten auch nicht immunsuppressiv behandelt werden.

Bezüglich des Einsatzes von Checkpointinhibitoren sind Nebenwirkungsrate und -schweregrad bei PD-(L)1-Inhibitoren deutlich geringer als bei CTLA-4-Inhibitoren. Das klinische Management unterscheidet sich aber nicht. Bei PD-(L)1-Inhibitoren beträgt die Grad-3/4-Nebenwirkungsrate etwa 15 %, bei CTLA-4-Inhibitoren etwa 30 %. Kombinationstherapien mit anderen Substanzen wie TKI (Vemurafenib plus Ipilimumab) können die Nebenwirkungsrate deutlich erhöhen. Nebenwirkungen können auch nach Monaten der komplikationslosen Therapie und sogar nach dem Absetzen auftreten. Sie müssen immer bedacht werden. Andererseits korreliert das Auftreten von Nebenwirkungen mit dem Ansprechen auf die Therapie.

Folgende immunassoziierten Nebenwirkungen können sich entwickeln:

  • Pneumonitis

  • Kolitis

  • Hepatitis

  • Hautreaktionen (topisch behandeln!)

  • Hyper- und Hypothyreose

  • Nephritis

  • Adrenalitis (Addison-Krise!)

  • Hypophysitis (Kopfschmerzen, Müdigkeit, Sehstörungen)

  • Andere seltene Nebenwirkungen (z. B. Blutbildveränderungen, Pankreatitis)

  • „Cytokine storm“

  • Hämophagozytosesyndrom und Makrophagenaktivierungssyndrom (v. a. unter CAR-T-Zell-Therapie)

Management

Das Management der Nebenwirkungen erfolgt organspezifisch. Allgemein sollten immer andere Ursachen wie eine infektiologische Genese bei Pneumonitis, Kolitis oder Hepatitis ausgeschlossen werden.

Der Checkpointinhibitor wird bei Grad-1/2-Nebenwirkungen pausiert, bei Grad 4 jedenfalls permanent abgesetzt. Eine Glukokortikoidgabe (1–2 mg/kgKG) sollte bei Grad 2 oral erfolgen und ab Grad 3 intravenös. Wenn keine Besserung eintritt, muss die Therapie erweitert werden (Infliximab bei Kolitis oder Pneumonitis; Mycophenolatmofetil bei Hepatitis, da Infliximab hier kontraindiziert ist). Auf keinen Fall sollte bei Zweifeln, ob eine autoimmunologische Nebenwirkung vorliegt, die Verabreichung von Glukokortikoiden zugunsten einer protrahierten Diagnostik verzögert werden. Die früheren Bedenken, dass der OS-Vorteil dann nicht mehr gegeben ist, erscheinen unbegründet und dürfen ebenfalls nicht von der prompten Glukokortikoidgabe abhalten.

Schwere Zytokinfreisetzungssyndrome nach CAR-T-Zell-Therapie sind neben supportiven Allgemeinmaßnahmen mit Tocilizumab (8 mg/kgKG) zu behandeln, erst im Anschluss mit Kortikosteroiden.

Ein interdisziplinäres Management, die Konsultation der Leitlinien und gegebenenfalls Rücksprache mit einem Zentrum sind auf jeden Fall dringend angeraten.

Biomarker

Ein großes Problem in der täglichen klinischen Praxis ist das Fehlen eines (negativen) prädiktiven Biomarkers. Vor allem bei Checkpointinhibitoren ist dieser Umstand von großer klinischer und auch gesundheitsökonomischer Relevanz, da nur eine Minorität der Patienten anspricht, wobei diese Responder sehr lange von der Checkpointblockade profitieren. Die wichtigsten Biomarkerkandidaten, mit denen der Kliniker konfrontiert wird, sollen im Folgenden dargestellt werden.

PD-L1-Expression

Die PD-L1-Expression ist der derzeit einzig verfügbare Biomarker, der in der klinischen Routine Anwendung findet. Dieser Biomarker ist jedoch aus mehreren Gründen suboptimal und erfüllt keineswegs die Anforderungen, die man an prädiktive Biomarker stellen muss. Das hat folgende Gründe:

  • Derzeit werden unterschiedliche, teilweise nicht validierte Antikörper für die immunhistochemische Detektion von PD-L1 angeboten. Ein Cut-off-Wert für Positivität ist nicht definiert. Zusätzlich wird je nach Substanz in den Studien PD-L1 auf Tumorzellen bzw. Lymphozyten und/oder auf Stroma bestimmt, was keine Vergleichbarkeit zulässt.

  • Von PD-(L)1-Inhibitoren profitieren auch Patienten, die keine PD-L1-Expression im Tumorgewebe aufweisen [20].

  • Die PD-L1-Expressionslevel sind nicht statisch und können durch Therapien moduliert werden.

  • Heterogene Studienergebnisse bezüglich der Prädiktivität je nach Substanz und Tumorentität

Mithilfe der immunhistochemischen Bestimmung der PD-L1-Expression lässt sich daher keine negative Patientenselektion erzielen. Vielmehr stellt die PD-L1-Überexpression einen „Anreicherungsmarker“ dar, der eine kleine Patientenpopulation definiert und anreichert, die wahrscheinlicher von einer PD-(L)1-Blockade profitieren könnte.

Tumorinfiltrierende Lymphozyten

Entscheidend für eine adäquate Immunantwort ist die Infiltration des Tumors mit Lymphozyten (s. Abschnitt „Immunity cycle“). Die Abwesenheit von tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) deutet auf ein inadäquates T‑Zell-Priming oder auf immunsuppressive Eigenschaften des Tumor-Microenvironment hin. Für diverse Tumorentitäten konnte gezeigt werden, dass eine hohe Anzahl von TIL mit der Prognose korreliert und das Ansprechen auf die Immuntherapie vorhersagen kann [36].

Mutationslast

Die Mutationsrate bzw. Mutationslast des Tumors sowie molekulare Mutationssignaturen zeigen einen Zusammenhang mit dem Ansprechen auf Checkpointinhibitoren. Die molekulargenetische Vorstellung besteht darin, dass eine hohe genomische Heterogenität dazu führt, dass die Tumorzellen sehr viele Neoantigene exprimieren. Neoantigene sind Proteine, die auf der Zellmembran exprimiert werden und vom Immunsystem als „fremd“ erkannt werden können, was zu einer Immunantwort gegen die Tumorzellen führen kann. Auf dieser Basis könnten prädiktive Biomarker(signaturen) entwickelt werden.

In der täglichen klinischen Praxis sieht man, dass unter NSCLC-Patienten die Raucher besonders gut ansprechen, was man mit höheren Mutationsraten und Inflammation erklären kann. Nachteil dieser Methode ist der hohe technische und zeitliche Aufwand für die Bestimmung der Mutationslast, was einer Implementierung in die tägliche klinische Praxis (noch) entgegensteht.

Mismatch-Reparatur-Defizienz

Eng verknüpft mit der Mutationslast ist eine Defizienz bzw. Mutation des DNA-Mismatch-Reparatursystems (MMR). Als Folge tritt eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) und dadurch eine höhere Mutationsrate auf. In einer wegweisenden Studie bei Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) konnte gezeigt werden, dass die ORR mit MSI und MMR-Defizienz korreliert. Patienten, die diese Veränderung zeigten, hatten eine ORR auf Checkpointinhibitortherapie von 40 %, während bei keinem Patienten, der ein normales MMR-System hatte, ein Ansprechen zu beobachten war [37]. Ähnliche Ergebnisse konnten bei Nicht-CRC-Patienten generiert werden. Deshalb wurde Pembrolizumab von der FDA als erste Substanz unabhängig von der Tumorentität für Tumoren mit MMR-Defizienz zugelassen.

Zusammenfassend ist es aufgrund der Komplexität der Immunantwort unwahrscheinlich, dass ein singulärer Biomarker prädiktiv sein kann. Zahlreiche weitere Kandidaten, wie die Evaluation des gastrointestinalen Mikrobioms, werden derzeit in klinischen Studien untersucht. Am ehesten wird eine Kombination von unterschiedlichen Markern Vorhersagen über das Ansprechen ermöglichen.

Ausblick

Der Einsatz von Immuntherapien in der Onkologie hat sich als Behandlungsstrategie etabliert. Großteils werden diese Agenzien noch in Monotherapie eingesetzt. Um die Effektivität von Checkpointinhibitoren, onkolytischen Viren und CAR-T-Zellen zu steigern, werden momentan Kombinationstherapien evaluiert. Rationale Kombinationspartner sind neben anderen Immuntherapeutika auch klassische zytotoxische Chemotherapien und die Strahlentherapie. Die Entwicklung von adäquaten Biomarkern abseits von PD-L1 wird sowohl zur Patientenselektion als auch im Hinblick auf zunehmende ökonomische Herausforderungen eine dringende Notwendigkeit sein.