Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir freuen uns, Ihnen die S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der ANCA-assoziierten Vaskulitiden“ vorlegen zu können, deren Entwurf und kontinuierliche Überarbeitung und Ergänzung nun nach 2 Jahren erfolgreich abgeschlossen ist. Mit der vorliegenden Ausgabe steht erstmalig eine evidenzbasierte Leitlinie zur Behandlung der mit antineutrophilen Zytoplasmaantikörpern (ANCA)-assoziierten Vaskulitiden (AAV) in deutscher Sprache zur Verfügung.

Unser besonderer Dank gilt allen Mitgliedern der Leitlinienkommission „Diagnostik und Therapie der ANCA-assoziierten Vaskulitiden“ für ihre gleichermaßen kritische und konstruktive Bewertung und stetige Verbesserung der Leitlinie über den gesamten Entstehungsprozess. Wir danken weiterhin der Geschäftsstelle der DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) und der Kommission Leitlinien der DGRh, deren Mitbeurteilung und Ratschläge aus langjähriger Erfahrung in der Erstellung von Leitlinien weiter zur inhaltlichen Optimierung und sachgerechten Darstellung der vorliegenden Empfehlungen beigetragen haben.

Weiterentwicklung der Therapiestandards durch ständigen Erkenntnisgewinn

Trotz der Seltenheit dieser unbehandelt rasch letal verlaufenden Erkrankungen ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, die Diagnostik und Therapie und damit die Prognose und Lebensqualität von Patienten mit AAV entschieden zu verbessern. Dennoch stellen sowohl die bei einem Teil der Patienten insuffiziente Kontrolle der Erkrankung als auch die akute und chronische Therapietoxizität weiterhin ungelöste Probleme dar. Diese stehen im Fokus diverser internationaler Projekte und Fachgesellschaften, und der Erkenntnisgewinn entwickelt sich rasch. So wurden nach Abschluss der Arbeiten an der Leitlinie erst kürzlich Studien zur Wirksamkeit von Mepolizumab als glukokortikoideinsparende Substanz bei eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis [12] und zur Dauer der remissionserhaltenden Therapie [9] veröffentlicht, die das Potenzial haben, unsere Therapiestrategien bei AAV weiter zu verbessern. Ebenfalls kürzlich veröffentlich wurden revidierte internationale Konsensusempfehlungen zur ANCA-Diagnostik [1]. Weitere Studien, die andauern oder noch unveröffentlicht sind, werden unsere Kenntnisse zum Stellenwert von Glukokortikoiddosierung, Mycophenolat-Mofetil, Plasmaseparation, Rituximab sowie bisher nicht in der Standardtherapie etablierter Substanzen erweitern (Tab. 1).

Tab. 1 Aktuelle Phase-III-Studien zur Therapie der ANCA-assoziierten Vaskulitiden (Auswahl)

Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Vergleich mit anderen aktuellen AAV-Leitlinien

Erwartungsgemäß besteht eine große Übereinstimmung im Vergleich mit den aktuell gültigen Leitlinien der British Society for Rheumatology (BSR) und British Health Professionals in Rheumatology (BHPR) [10] sowie der European League Against Rheumatism (EULAR) und European Renal Association – European Dialysis and Transplant Association (ERA-EDTA) [13]. Dies ist u. a. auch ein Zeichen für die mittlerweile auf diesem Gebiet zunehmende internationale Vernetzung. Vereinzelt finden sich Unterschiede in der Interpretation oder Gewichtung von Daten zur Definition von Krankheitsaktivität, Glukokortikoiddosierung, dem Stellenwert von Mycophenolat-Mofetil, dem Stellenwert der Plasmaseparation und in der supportiven Therapie. Auch Unterschiede der Gesundheitssysteme spiegeln sich indirekt wider: So ist z. B. der Einsatz von Rituximab zur remissionserhaltenden Therapie durch das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) klar definiert. In Deutschland muss häufig noch der Weg über die Einzelfallbeantragung bei den Krankenversicherungen eingeschlagen werden. Insofern lohnt sicher unverändert auch ein Blick über den Tellerrand und in die oben genannten internationalen Empfehlungen.

Ziel der DGRh-Leitlinie

Diese Leitlinie soll allen Kolleginnen und Kollegen, die Patienten mit AAV behandeln, eine praktische Orientierung im klinischen Alltag geben. Sie kann weiterhin zur Information interessierter Ärzte, Studierender sowie Betroffener und deren Angehörigen herangezogen werden. Eine Fassung für Patienten ist in Abstimmung mit den Selbsthilfegruppen in Vorbereitung.

Wir hoffen auf eine breite Anerkennung der Empfehlungen und darauf, mit diesen einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit AAV geleistet zu haben. Die Behandlung der an AAV erkrankten Patienten bleibt trotz großer Fortschritte in der Diagnostik und Therapie eine anspruchsvolle Aufgabe, die nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit einem optimalen Ergebnis bewältigt werden kann.

Mit herzlichen Grüßen

Jan Schirmer und Frank Moosig