Der medizinische Fortschritt hat zu einer erheblich gestiegenen und weiter wachsenden Lebenserwartung beigetragen. Verlängert wurde nicht nur die gesunde Lebensphase, sondern auch die Dauer des Lebens mit chronischen Erkrankungen. Alte und hochbetagte Patienten bedürfen einer Versorgung, in der nicht nur die Kontrolle der einzelnen chronischen Erkrankung, sondern der Erhalt von Lebensqualität und Selbstständigkeit im Alltag im Vordergrund steht. Tiefgreifende Veränderungen in unseren medizinischen Versorgungsstrukturen sind erforderlich, um einem wachsenden Bevölkerungsanteil an hochbetagten, multimorbiden Patienten eine angemessene Versorgung zu sichern.

In der Rheumatologie haben frühere, intensivere Behandlungsstrategien und bessere Therapieoptionen dazu geführt, dass sich die Lebenserwartung beispielsweise von Patienten mit rheumatoider Arthritis heute kaum mehr von der Normalbevölkerung unterscheidet. Es wurde gezeigt, dass der entscheidende Faktor für das bessere Überleben die kontinuierliche Kontrolle der Krankheitsaktivität ist. Dies kann nur erreicht werden, wenn konsequent therapiert und engmaschig überwacht wird. „Tight disease control“ ist jedoch beim älteren Patienten oftmals erschwert. Im Durchschnitt leidet jeder Patient mit einer rheumatoiden Arthritis an zwei weiteren chronischen, behandlungsbedürftigen Erkrankungen, wobei die rheumatische Krankheit nicht im Zentrum der Krankheitslast des Patienten stehen muss.

Dementsprechend ist die Polymedikation mit mehr als fünf Substanzen beim älteren Patienten nicht mehr die Ausnahme. Die im Alter veränderte Pharmakokinetik und die möglichen Auswirkungen auf bestehende Komorbiditäten verlangen einen vorsichtigeren Einsatz und zusätzliche Kontrollmaßnahmen. Die geringere Versorgung älterer Patienten mit Biologika muss daher keine schlechtere Versorgung dieser Patienten bedeuten, sondern ist auch Ausdruck der Beachtung altersbedingter Veränderungen, beispielsweise des erhöhten Infektionsrisikos und der Begleitmedikationen. Allerdings müssen auch und gerade beim älteren Patienten Nutzen und Risiken der Therapiealternativen sorgfältig abgewogen werden. So kann die (bei Älteren häufigere) Gabe von Glukokortikoiden das Infektionsrisiko nachhaltiger erhöhen als der Einsatz von Biologika.

Die Versorgung des alten, multimorbiden Patienten verlangt in besonderer Weise nach einer multimodalen, interdisziplinären und patientenorientierten Versorgung. Christoph Fiehn stellt in seinem Übersichtsbeitrag dar, dass die in der Geriatrie etablierte systematische Erfassung psychosozialer Aspekte, der Polypharmazie oder der Compliance durchaus beispielgebend auch für die rheumatologische Regelversorgung sein kann. Der zunehmende Mangel an Hausärzten und die steigende Komplexität fachspezifischer Therapieschemata verlangen nach echten interdisziplinären Strukturen, in denen Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen miteinander interagieren. Dies ist v. a. dort möglich, wo die Interdisziplinarität Strukturmerkmal ist, wie in fächerübergreifenden Praxisgemeinschaften, medizinischen Versorgungszentren, §116b-Ambulanzen oder im Rahmen der stationären multimodalen Komplexbehandlung. Auch die Einbindung nichtärztlicher Berufsgruppen ist dort leichter zu realisieren als in der Einzelpraxis oder dem nicht spezialisierten Krankenhaus.

Infektionen stellen für ältere Patienten ein besonderes Risiko dar. Aufgrund der im Alter verringerten Aktivität des Immunsystems, der gesteigerten Organvulnerabilität und bereits bestehender Vorschäden der Organe verlaufen Infektionskrankheiten häufig schwerer. In ihrem Beitrag stellen Christian Kneitz, Anja Strangfeld und Klaus Krüger die Möglichkeiten dar, bereits im Vorfeld einer immunsuppressiven Therapie älterer Patienten geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko infektiöser Komplikationen zu verringern. Im Fall einer manifesten Infektion sind zudem beim älteren Patienten bei der Therapie einige Besonderheiten zu beachten, die ebenfalls erläutert werden.

Eine besondere Herausforderung ist die Schmerztherapie des älteren Menschen. Naturgemäß nehmen Arthrose und Osteoporose mit ihren Folgen mit zunehmendem Lebensalter zu. Auch bestehen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nicht selten strukturelle Schäden, die zu sekundären Schmerzen führen. Gleichzeitig führen Änderungen der Pharmakokinetik, Einschränkungen der hepatischen bzw. renalen Elimination und bestehende Begleiterkrankungen zu einer Verringerung der Einsatzmöglichkeiten schmerzsenkender Pharmaka. Die Diskussion der kardiovaskulären Nebenwirkungsprofile nichtsteroidaler Antirheumatika oder die Sturzrisiken bei Einsatz zentralwirksamer Analgetika sind weitere Beispiele für die Problematik, gerade älteren Patienten mit muskuloskelettalen Schmerzen angemessen helfen zu können. Franziska Luttosch und Christoph Baerwald erläutern die Dimension dieses Problembereichs und therapeutische Lösungsmöglichkeiten.

Eine angemessene Sicherheit der Behandlung spielt demnach bei älteren und hochbetagten Patienten mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen eine zentrale Rolle. Gleichzeitig kann heute als gesichert gelten, dass eine ausreichende entzündungshemmende Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen nicht nur möglich, sondern vorteilhaft ist. Klaus Krüger, Anja Strangfeld und Christian Kneitz stellen dar, dass die verbesserte Kontrolle chronischer Entzündungsvorgänge durch Einsatz von Immunsuppressiva bei älteren Patienten krankheitsimmanente Risiken senkt, ohne dass therapeutische Risiken unangemessen zunehmen. Ihr Beitrag zur Sicherheit der Rheumatherapie im Alter und der damit verbundenen Grundsätze zu Einsatzmöglichkeiten und Überwachung der Therapie schließt diesen Themenschwerpunkt ab.

Ihre

Jürgen Wollenhaupt

Angela Zink