Die Therapie der Polyneuropathie umfasst kausale Ansätze zur Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung und symptomatische Ansätze zur Therapie von im Rahmen der Polyneuropathie auftretenden Beschwerden. Zu Beginn der Behandlung sollten stets alle kausalen Therapieoptionen ausgeschöpft werden, um einen weiteren Progress zu verhindern. Im klinischen Alltag kommen vor allem symptomatische Ansätze zur Behandlung der verschiedenen sensiblen, motorischen und autonomen Symptome zum Einsatz. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die derzeit verfügbaren Medikamente zur Schmerztherapie geben, zudem werden neue Therapieansätze sowie Grundzüge der Therapie autonomer Funktionsstörungen beschrieben.

Etwa 50 % aller Polyneuropathien gehen mit Schmerzen einher [26]. Diese neuropathischen Schmerzen entstehen als direkte Folge einer Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Systems. Nach Nervenschädigung kommt es zu Veränderungen der primär betroffenen und umgebenden Nervenzellen mit daraus resultierender gesteigerter Erregbarkeit primärer Afferenzen (periphere Sensibilisierung) und verstärkter Erregbarkeit multirezeptiver Neurone im Rückenmark (zentrale Sensibilisierung; Abb. 1; [4]). Zur Linderung neuropathischer Schmerzen stehen verschiedene medikamentöse Ansätze zur Verfügung, die auf die zugrunde liegenden Pathomechanismen abzielen.

Abb. 1
figure 1

Pathophysiologische Mechanismen neuropathischer Schmerzen und therapeutische Zielstrukturen in schematischer Übersicht. a Schematischer Querschnitt des Rückenmarks mit Hautafferenzen: nozizeptive C‑Faser (rot) und nichtnozizeptive, myelinisierte A‑Faser (blau). WDR-Neurone (gelb) erhalten direkte monosynaptische Informationen von C‑Fasern und zusätzliche Informationen aus myelinisierten A‑Fasern über Interneurone. Die WDR-Neurone erhalten zudem modulatorische Einflüsse von Interneuronen (grüne Zelle) und deszendierenden Bahnen (grünes Axon mit Synapse). b Veränderungen peripherer, afferenter, nozizeptiver Neurone führen zu einer peripheren Sensibilisierung. Axon 1 und 3 sind geschädigt, Axon 2 und 4 sind intakt. Nach Läsion kann man im Rahmen der Waller-Degeneration eine NGF-bedingte Hochregulation von Natriumkanälen, TRPV1-Kanälen und Adrenozeptoren auf intakten Neuronen finden. Hierdurch können neuropathische Schmerzen entstehen. c Spontanaktivität der C‑Nozizeptoren (rotes Neuron) führt zur spinalen Sensibilisierung (Stern im gelben Neuron). Unterschiedliche prä- (Opioidrezeptoren, Kalziumkanäle) und postsynaptische Strukturen (Glutamat‑, AMPA/Kainat‑, Serotonin‑, Noradrenalin‑, GABA-Rezeptoren, Natriumkanäle) sind an der Entstehung der zentralen Sensibilisierung beteiligt. Inhibitorische Interneurone (grüne Neurone) sind dysfunktional und verstärken durch Disinhibition die zentrale Sensibilisierung. Nichtschmerzhafte von A‑Fasern (blau) vermittelte Berührungsreize werden aufgrund der zentralen Sensibilisierung als schmerzhaft empfunden. d Aktivierung einer spinalen Gliazelle (graue Zelle) durch eine periphere Nervenläsion (rotes Neuron). Die aktivierte Gliazelle verstärkt die Exzitabilität der WDR-Neurone durch Zytokin- und Wachstumsfaktorenfreisetzung. 5‑HT 5‑Hydroxytryptamin (Serotonin); AMPA α‑Amino-3-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazolpropionsäure; GABA γ‑Aminobuttersäure; KA Kainat; NA Noradrenalin; NGF „nerve growth factor“; TRPV1 „transient receptor potential vanilloid 1“; WDR „wide dynamic range“. (Modifiziert nach [4]; mit freundlicher Genehmigung © Elsevier)

Eine komplette Schmerzfreiheit kann mit den derzeit verfügbaren Medikamenten in der Regel nicht erzielt werden. Vorrangige Therapieziele sind

  • eine Schmerzreduktion um ≥30 %,

  • die Verbesserung von Schlaf- und Lebensqualität,

  • der Erhalt von sozialer Aktivität und Arbeitsfähigkeit sowie

  • die Verbesserung der Funktionalität.

Die oralen Medikamente sollten langsam aufdosiert und individuell titriert werden

Die oralen Medikamente sollten langsam aufdosiert und je nach Nebenwirkungen individuell titriert werden. Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass die analgetische Wirkung zeitverzögert eintritt. Die wichtigsten Substanzen mit Hinweisen zur Dosierung sind in Tab. 1 aufgeführt. Die aktuelle S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt die Antikonvulsiva Gabapentin und Pregabalin sowie trizyklische Antidepressiva (TCA) und Duloxetin als Mittel der ersten Wahl zur Therapie neuropathischer Schmerzen.

Tab. 1 Medikamentöse Therapie neuropathischer Schmerzen bei Polyneuropathie entsprechend der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). (Nach [25])

Kalziumkanalmodulatoren

Gabapentin und Pregabalin binden an die α2-δ-Untereinheit der Kalziumkanäle auf peripheren Nervenzellen und reduzieren den aktivierenden Kalziumeinstrom in die Zelle [8].

Laut aktueller S2-Leitlinie der DGN sollen Gabapentin und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl zur Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden, unabhängig von der Ätiologie [25]. Auch in einer Metaanalyse der Neuropathic Pain Special Interest Group (NeuPSIG; [10]) wird eine starke Empfehlung für den Einsatz von Gabapentin und Pregabalin ausgesprochen – bei einer „number needed to treat“ (NNT) von 6,3–8,3 für Gabapentin und 7,7 für Pregabalin. In einer Cochrane-Metaanalyse zur Wirkung von Gabapentin konnte eine signifikante Schmerzreduktion bei schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie (DPN) gezeigt werden [29].

Nebenwirkungen unter der Therapie sind häufig und umfassen vor allem zentralnervöse Effekte wie Schwindel, Schläfrigkeit, Konzentrations- und Gleichgewichtsstörungen, die nicht selten zum Therapieabbruch führen. Zudem können periphere Ödeme und eine Gewichtszunahme auftreten.

Natriumkanalblocker

Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin und Topiramat blockieren Natriumkanäle peripherer Nozizeptorafferenzen [8]. Aufgrund der geringen Evidenz und häufiger Nebenwirkungen werden Carbamazepin und Oxcarbazepin laut Leitlinie nicht zur Behandlung von schmerzhaften Polyneuropathien empfohlen [25]. Bei Versagen von Gabapentin und Pregabalin kann im Einzelfall ein Off-label-Versuch erfolgen, vor allem bei einschießenden Schmerzattacken. Das Nebenwirkungsprofil von Carbamazepin und Oxcarbazepin ist ungünstig und umfasst kognitive Störungen, Benommenheit, Müdigkeit, Schwindel, Ataxie und gastrointestinale Störungen, aber auch Hyponatriämie, Blutbildveränderungen, Leberschädigung oder allergische Hautreaktionen. Zudem muss das hohe Interaktionspotenzial von Carbamazepin berücksichtigt werden.

Topiramat und Lamotrigin sollten nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden

Topiramat und Lamotrigin sollten im Allgemeinen nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden. Lamotrigin kann im Einzelfall (bei Human-immunodeficiency-virus[HIV]-Neuropathie) erwogen werden, sollte jedoch wegen Nebenwirkungen (allergische Hautreaktionen) vorsichtig aufdosiert werden. In Metaanalysen gelang weder für Topiramat noch für Lamotrigin ein Wirknachweis bei DPN.

Lacosamid wirkt ebenfalls über Blockade von Natriumkanälen. In der aktuellen Leitlinie wird der generelle Einsatz bei unzureichender Datenlage nicht empfohlen [25]. Patienten mit einer Small-fiber-Neuropathie, die durch eine Mutation im Gen SCN9A (codiert für Nav1.7) bedingt war, zeigten jedoch unter der Therapie mit Lacosamid eine signifikante Schmerzlinderung sowie eine Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens und der Schlafqualität, sodass die Therapie möglicherweise in dieser Subgruppe erwogen werden kann [11].

Antidepressiva

Die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin und Venlafaxin führen über eine Inhibition der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin zu einer Verstärkung der endogenen deszendierenden Schmerzhemmung. TCA blockieren zudem unter anderem spannungsabhängige Natriumkanäle und Acetylcholinrezeptoren.

Trizyklische Antidepressiva

Laut Leitlinie sollten TCA als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden [25]. Insbesondere bei begleitenden Schlafstörungen kann sich Amitriptylin aufgrund seines sedierenden Effekts günstig auswirken. Bei der DPN ist Amitriptylin einem Placebo deutlich überlegen (NNT 5,1; [5, 18]). Aufgrund der nichtselektiven Bindung sind Nebenwirkungen häufig. Es treten vor allem anticholinerge Nebenwirkungen wie

  • Müdigkeit,

  • gesteigerter Appetit und Gewichtszunahme,

  • Mundtrockenheit,

  • Obstipation,

  • orthostatische Dysregulation und

  • Schwindel

auf. Bei möglichen kardialen Komplikationen wird vor Therapiebeginn die Ableitung eines Elektrokardiogramms ab dem 65. Lebensjahr empfohlen. Eine Kontraindikation besteht bei Reizleitungsstörungen, Herzinsuffizienz, Glaukom, Prostatahyperplasie und Thrombosen [5].

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Duloxetin ist in Deutschland als Mittel der ersten Wahl für die Behandlung der schmerzhaften DPN zugelassen [25]. Die NNT für eine mindestens 50 %ige Schmerzreduktion liegt bei 5,8 für 60 mg/Tag bzw. 5,7 für 120 mg [27]. Für eine Dosis unter 60 mg/Tag konnte kein wirksamer Effekt gezeigt werden [15]. Zudem wurde ein positiver Effekt von Duloxetin auf die Kälte- und mechanische Allodynie bei oxaliplatininduzierter Neuropathie beobachtet [13].

Zentrale Nebenwirkungen unter der systemischen Medikation sind häufig therapielimitierend.

Venlafaxin hat in Deutschland keine Zulassung für die Behandlung neuropathischer Schmerzen, es kann jedoch in Einzelfällen „off label“ eingesetzt werden [25]. In einem Review mit 13 Studien, darunter 8 zur Polyneuropathie, konnte eine signifikante Schmerzreduktion ab einer Dosis von 150 mg gezeigt werden [2]. Zu Therapiebeginn treten häufig Übelkeit und Erbrechen auf, diese sind jedoch im Verlauf oft reversibel. Aufgrund potenzieller Blutdrucksteigerung werden regelmäßige Kontrollen empfohlen [5]. Kontraindikationen sind schwere Lebererkrankungen, arterielle Hypertonie und Glaukome.

Topische Therapeutika

Ein Vorteil der Topika ist die geringe systemische Nebenwirkungsrate und somit gute Verträglichkeit, sodass der Einsatz vor allem für ältere Patienten empfohlen wird. Nach Nervenschädigung kommt es unter anderem zu einer Transient-receptor-potential-vanilloid-1(TRPV1)-Überexpression auf intakten Nervenfasern. Vom Capsaicinpflaster wird Capsaicin in die Haut freigesetzt und bindet selektiv TRPV1-Rezeptoren auf nozizeptiven Endigungen. Dies resultiert initial in einer Übererregbarkeit der Nervenfasern mit Brennen, Hyperalgesie, Allodynie und Rötung durch Freisetzung vasoaktiver Substanzen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Defunktionalisierung der Endigungen mit fast vollständiger Regeneration nach etwa 90 Tagen [12].

Allgemein werden Capsaicinpflaster hinsichtlich ihres schmerzlindernden Effekts in verschiedenen Übersichtsarbeiten als vergleichbar zu anderen Therapieansätzen bewertet [20]. Die S2-Leitlinie empfiehlt das Hochdosispflaster als zweite Wahl zur Therapie neuropathischer Schmerzen, bei lokalisierten Schmerzen auch als Primärtherapie [25]. Generell sollte die Therapie so früh wie möglich im Krankheitsverlauf begonnen werden [17]. Unter der Therapie können lokale Hautreaktionen wie Rötung, Brennen und Juckreiz, auftreten [16]. Eine Kühlung und kurzfristige Analgetikaeinnahme können die Tolerabilität erhöhen.

Lidocainpflaster wirken als Lokalanästhetika über Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle auf Nozizeptorafferenzen. Zudem bildet das Pflaster eine mechanische Barriere gegenüber äußeren Reizen mit Schutz vor Allodynie und Hyperalgesie [22]. Laut Leitlinie können Lidocainpflaster in der Therapie lokalisierter neuropathischer Schmerzen als zweite Wahl eingesetzt werden (bei postherpetischer Neuralgie gegebenenfalls als erste Wahl), bei allen anderen Neuropathien „off label“ [25]. In mehreren offenen klinischen Studien konnte eine positive Wirkung von Lidocainpflastern bei DPN gezeigt werden, sodass der Einsatz grundsätzlich empfohlen wird. Da nur etwa 3 % des Lidocains systemisch absorbiert werden, sind systemische Nebenwirkungen selten. Lokale Hautreaktionen wie Juckreiz, Rötung, Brennen oder ein Ödem im Applikationsbereich sind wenige Minuten bis Stunden nach Entfernung des Pflasters spontan regredient.

Der schmerzlindernde Effekt intrakutaner Botulinumtoxin(BTX)-Injektionen entsteht durch verminderte Freisetzung proinflammatorischer Substanzen, Deaktivierung von Natriumkanälen und verminderten axonalen Transport mit Verhinderung einer peripheren und zentralen Sensibilisierung [21]. In einer Metaanalyse zweier Studien zur Behandlung der DPN wurde eine signifikante Schmerzreduktion gezeigt [14]. In einer placebokontrollierten Studie wurden 66 Patienten mit peripherem neuropathischem Schmerz untersucht (14 mit schmerzhafter Polyneuropathie). Es fand sich eine signifikante Schmerzlinderung über 24 Wochen (NNT 2,5; [3]). Insgesamt wurde aufgrund der unzureichenden Datenlage eine Level-B-Empfehlung für BTX bei DPN ausgesprochen [24]. Laut Leitlinie kann BTX als Mittel der dritten Wahl bei fokalen Beschwerden erwogen werden [25].

Opioide

Opioide wirken als Agonisten an µ‑Opioidrezeptoren im zentralen Nervensystem. Einige Opioide wirken zusätzlich auf die endogene Schmerzmodulation. Je nach Wirksamkeit werden niederpotente und hochpotente Opioide unterschieden, wobei jeweils die Morphinäquivalenzdosis angegeben wird. Neben zentralnervösen Nebenwirkungen (Schwindel, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen) und Obstipation, kann es im Verlauf auch zu einer Toleranzentwicklung kommen. Bei Langzeittherapie besteht die Gefahr einer opioidinduzierten Hyperalgesie [23] und einer Abhängigkeitsentwicklung.

Der Einsatz von Opioiden mit dualem Wirkmechanismus liefert einen zusätzlichen analgetischen Nutzen. Das niederpotente Tramadol hemmt neben seiner Wirkung am µ‑Rezeptor die Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme. Tapentadol wirkt zusätzlich über eine Noradrenalinwiederaufnahmehemmung. In einer Analyse zweier placebokontrollierter Studien zur Behandlung der DPN konnte durch den Einsatz von Tapentadol eine signifikante Schmerzlinderung erzielt werden. Insgesamt ist die Evidenz für Tramadol und Tapentadol gering [25].

Opioide gelten in der DGN-Leitlinie als dritte Wahl in der Behandlung neuropathischer Schmerzen

In der NeuPSIG-Leitlinie werden niederpotente Opioide als zweite Wahl und hochpotente Opioide als dritte Wahl empfohlen [10]. Aufgrund der Nebenwirkungen und des Abhängigkeitspotenzials werden Opioide in der S2-Leitlinie generell erst als Mittel der dritten Wahl zur Therapie neuropathischer Schmerzen empfohlen mit Limitierung in der Langzeitbehandlung [25].

Patientenstratifizierung

Es wurden drei Subgruppen (Cluster) von Patienten mit neuropathischem Schmerz identifiziert, die durch ein ähnliches Sensibilitätsprofil und somit ähnliche Pathomechanismen charakterisiert sind [6]:

  • Sensorischer Verlust (Cluster 1)

  • Thermische Hyperalgesie (Cluster 2)

  • Mechanische Hyperalgesie (Cluster 3)

Patienten mit DPN sind meist Cluster 1 zugeordnet [28]. Zurzeit wird untersucht, ob das therapeutische Ansprechen auf bestimmte Medikamente je nach Clusterzugehörigkeit unterschiedlich ist. Die Notwendigkeit der Patientenstratifizierung wird durch eine Studie von Demant et al. [9] untermauert, in der der Effekt von Oxcarbazepin auf die Schmerzintensität bei peripherem neuropathischem Schmerz untersucht wurde. Die Subgruppe von Patienten mit einer thermischen Hyperalgesie („irritable nociceptor phenotype“) profitierte hier deutlicher von der Therapie als die Gesamtkohorte (NNT 3,9 vs. 6,9).

Neue Medikamente

Aufgrund der unzureichenden Schmerzlinderung und häufiger Nebenwirkungen unter den derzeit verfügbaren Medikamenten werden in aktuellen Studien neue Therapeutika zur Behandlung neuropathischer Schmerzen untersucht. Cannabinoide wirken als Agonisten am Cannabinoidrezeptor Typ 1 (CB1). Die Hauptkomponenten sind Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol. In einem aktuellen Cochrane-Review zeigte sich eine deutlichere Schmerzreduktion unter Cannabinoiden im Vergleich zu Placebo, allerdings auch häufiger zentrale Nebenwirkungen [19]. Insgesamt waren die einzelnen Studien klein, von kurzer Dauer und aufgrund der unterschiedlichen Formulierungen und des unterschiedlichen Studiendesigns nicht vergleichbar. In der aktuellen DGN-Leitlinie können Cannabinoide bei geringem Effekt, kontroversen Ergebnissen und hoher Nebenwirkungsrate daher generell nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen empfohlen werden [25].

Ein neuer vielversprechender Ansatz zur Therapie ist das „gene silencing“ mutierter Gene. Kürzlich wurden mit Inotersen und Patisiran zwei Medikamente zur Behandlung der hereditären Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie zugelassen, die über ein genetisches Knock-down des betroffenen Proteins Transthyretin wirken [1, 7]. Diese Medikamente können die Krankheitsprogression stoppen und so auch eine Regredienz autonomer, sensibler und motorischer Symptome bedingen.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Da Polyneuropathien häufig mit einer sensiblen Ataxie und motorischen Ausfällen einhergehen, sollte die medikamentöse Therapie um physiotherapeutische Maßnahmen ergänzt werden. Es kommen verschiedene Konzepte zur Anwendung, so etwa [5]

  • die Methoden nach Bobath und Voijta,

  • manuelle Therapie,

  • propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation oder

  • Krankengymnastik im Bewegungsbad.

Ziele sind unter anderem die Verbesserung von Stand, Gang und Gleichgewicht sowie ein gezieltes Training der Muskelkraft [26]. Zur Verbesserung der Feinmotorik können ergotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden. Die Evidenzlage der Physiotherapie ist bisher gering, es gibt jedoch zahlreiche Studien zur Wirksamkeit der einzelnen Techniken.

Autonome Symptome

Neben sensiblen und motorischen Symptomen können auch autonome Funktionsstörungen, wie eine orthostatische Hypotonie oder gastrointestinale Störungen, auftreten, die eine gezielte Therapie erfordern [26]. Die Behandlung der orthostatischen Hypotonie umfasst

  • nichtmedikamentöse Gegenmanöver wie

    • eine ausreichende Trinkmenge und

    • Salzzufuhr;

  • die Reevaluation einer antihypertensiven Therapie;

  • das prophylaktische Tragen von Stützstrümpfen und

  • das Vermeiden auslösender Situationen.

Gegebenenfalls kann ergänzend auch eine medikamentöse Therapie erwogen werden.

Fazit für die Praxis

  • Bei der Polyneuropathie steht eine multimodale Therapie im Vordergrund.

  • Mittel der ersten Wahl zur Schmerzbehandlung sind Gabapentin/Pregabalin, trizyklische Antidepressiva und Duloxetin.

  • Topika sind eine Alternative mit guter Verträglichkeit.

  • Die Patientenstratifizierung zur Auswahl einer geeigneten Therapie könnte in Zukunft das Management verbessern.

  • Neue Medikamente mit spezifischem Wirkmechanismus sind dringend notwendig.