Hintergrund

Das Ösophaguskarzinom wird in Deutschland meist in spezialisierten Zentren entsprechend den Leitlinien multimodal und interdisziplinär therapiert [1]. In Studien kommen zunehmend innovative Konzepte zur Neoadjuvanz, Adjuvanz oder zu perioperativen Therapien zum Einsatz, zusätzlich werden Konzepte ohne Chirurgie („active surveillance“) untersucht [2, 3]. Daneben werden die etablierten Therapiekonzepte mit einer neoadjuvanten Radiochemotherapie (CROSS[Carboplatin/Paclitaxel]-Protokoll) und einer perioperativen Chemotherapie (FLOT[5-Fluorouracil, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel]-Protokoll) verglichen und es wurde die adjuvante Immuntherapie mit Nivolumab bei Patienten nach neoadjuvanten Radiochemotherapie etabliert.

Im kurativen und meist multimodalen Setting ist die thorakoabdominale Ösophagektomie mit Schlauchmagenhochzug das operative Standardverfahren [1, 4]. Aufgrund der technischen Besonderheiten wird dieser zunehmend minimal-invasiv durchgeführte Eingriff als chirurgisch anspruchsvoll angesehen, und wegen der bald umzusetzenden Mindestmengenregelung von 26 Eingriffen pro Jahr wird die Zentralisierung in den nächsten Jahren nochmals zunehmen [5]. Dieser Eingriff geht auch heute noch mit einer hohen postoperativen Morbidität mit bis zu 60 % einher [6]. Durch eine Zentralisierung konnte die postoperative Komplikationsrate in spezialisierten High-volume-Zentren bereits gesenkt werden [7].

Bei der roboterassistierten Chirurgie („robotic-assisted surgery“, RAS) bedient ein Chirurg an einer Konsole ferngesteuerte Roboterarme, die die Durchführung laparoskopischer Verfahren erleichtern [8]. Der Boom der RAS hat in Nordamerika nach Zulassung des Da Vinci-Systems Anfang der 2000er-Jahre begonnen, kurze Zeit später führte Horgan im Jahre 2003 in Chicago dann die erste roboterassistierte Ösophagusresektion durch [9]. Analog zur Entwicklung in den USA setzt sich das System in Europa meist zuerst in urologischen und aktuell zunehmend in viszeralchirurgischen Abteilungen durch [10]. In jüngerer Zeit wurden oder werden andere konkurrierende Geräte auf den Markt gebracht wie z. B. das Versius-System von CMR oder das Hugo-System von Medtronic [7].

RAS stellt neue Anforderungen an das chirurgische Training

Die RAS hat neue Herausforderungen und zusätzliche Verantwortlichkeiten für das Training chirurgischer Teams in einem bereits anspruchsvollen und facettenreichen Arbeitsumfeld geschaffen. Dies bezieht sich auf die komplexe, hochtechnische Ausrüstung, die Patientenpositionierung, die lange Dauer des Eingriffs, die Trennung des Konsolenchirurgen vom Patienten. Mit diesen Herausforderungen hat sich unsere Arbeitsgruppe zusammen mit einem weltweiten Panel von Roboterchirurgen beschäftigt und im Rahmen eines Delphi-Prozesses konkrete Verfahrensanweisungen publiziert [11]. Neben den hochkomplexen und teuren RAS-Master-and-Slave-Systemen haben sich jüngst mehrere Anbieter von Laparoskopiesystemen mit roboterähnlichen Eigenschaften vornehmlich im Hinblick auf Triangulationsmöglichkeiten platziert [12,13,14].

Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung ausgewählter neuer Technologien und Konzepte für die Behandlung des Ösophaguskarzinoms aus der Sicht eines Exzellenzzentrums für die Chirurgie des oberen Gastrointestinaltraktes.

Neue onkologische Behandlungskonzepte

Das Ösophaguskarzinom ist durch die anatomische Lage definiert und fasst mit dem Plattenepithelkarzinom und dem Adenokarzinom des Ösophagus bereits zwei komplett unterschiedliche Erkrankungen zusammen. Plattenepithelkarzinome sind Plattenepithelkarzinomen in anderen Organen ähnlicher als den Adenokarzinomen des Ösophagus [15].

In Europa werden Patienten mit lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinomen mit multimodalen Therapiekonzepten behandelt. Hierbei werden insbesondere das neoadjuvante CROSS-Konzept mit einer Radiochemotherapie für sowohl Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome als auch das perioperative FLOT-Therapiekonzept mit einer neoadjuvanten und adjuvanten Chemotherapie bei Adenokarzinomen eingesetzt [16, 17]. Beide Therapiekonzepte werden aktuell in Deutschland in der randomisierten ESOPEC-Studie miteinander verglichen [18]. In Neo-AEGIS (Neoadjuvant Trial in Adenocarcinoma of the Esophagus and Esophgo-Gastric Junction International Study) wurde ein ähnlicher Ansatz gewählt und das frühere MAGIC-Chemotherapie-Protokoll mit dem CROSS-Protokoll verglichen. Ursprünglich sollte eine Überlegenheit des CROSS-Protokolls bewiesen werden. Allerdings wurde die Studie nach den Ergebnissen der FLOT4-Studie modifiziert und auch eine perioperative FLOT-Behandlung ab 2019 zugelassen. Die aktuellen Daten der Interimsanalysen zeigen keinen Unterschied im 3‑Jahres-Überleben zwischen den beiden Gruppen, sodass das Data Safety Monitoring Board im Dezember 2020 eine Beendigung der Rekrutierung empfohlen hat [19].

Nivolumab bindet an den PD-1-Rezeptor auf T‑Zellen und stimuliert das Immunsystem

Dieses Jahr wurde nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie eine adjuvante Immuntherapie mit dem Checkpoint-Inhibitor Nivolumab bei Patienten ohne komplette pathologische Response durch die US Food and Drug Administration (FDA) und die European Medicines Agency (EMA) in Europa zugelassen. Nivolumab ist ein monoklonaler Antikörper und bindet an den PD-1(„programmed cell death protein 1“)-Rezeptor auf T‑Zellen und stimuliert so das Immunsystem. In der CHECKMATE-577-Studie wurde Nivolumab in einer 2:1-Randomisierung für ein Jahr mit einer Placebogabe bei Patienten mit kurativ operierten Ösophaguskarzinomen nach stattgehabter neoadjuvanter Radiochemotherapie verglichen. Bei den 532 mit Nivolumab behandelten Patienten betrug das mediane krankheitsfreie Überleben 22,4 Monate, während die 262 mit Placebo behandelten Patienten ein krankheitsfreies Überleben von 11,0 Monaten hatten. Der Überlebensvorteil war unabhängig von der Tumorentität und der PD-L1-Expression [20]. Durch diese Studie wurden die Therapieoptionen für CROSS-vorbehandelte Patienten deutlich erweitert. Aktuell läuft noch eine Vielzahl weiterer Studien, bei denen eine Immuntherapie in der perioperativen Behandlung untersucht wird.

Ein weiteres Behandlungskonzept, das aktuell diskutiert wird, ist die aktive Beobachtung („active surveillance“) von Patienten mit Ösophaguskarzinom, die ein komplettes klinisches Ansprechen auf eine neoadjuvante Radiochemotherapie zeigen. Hierzu wird in den Niederlanden die SANO(Surgery as Needed of Oesophageal Cancer)-Studie durchgeführt. In dieser Phase-III-Studie wird eine aktive Beobachtung mit einer Standardösophagektomie bei Patienten mit einem klinischen kompletten Ansprechen („clinical complete response“, cCR) mithilfe einer Clusterrandomisierung prospektiv verglichen. Es werden Patienten randomisiert, die in zwei aufeinanderfolgenden klinischen Beurteilungen des Ansprechens eine cCR zeigen. In der Gruppe der Patienten, die aktiv beobachtet werden, wird im ersten Jahre alle 3 Monate, im zweiten Jahr alle 4 Monate und im dritten Jahr alle 6 Monate eine klinische Kontrolle des Ansprechens vorgenommen. Im Falle eines lokoregionalen Rezidivs wird eine Salvageösophagektomie durchgeführt [21, 22].

Die aktuelle SANO-Studie basiert auf den Daten der vorhergehenden preSANO-Studie. In diese Studie wurden an 6 Zentren 219 Patienten mit Ösophaguskarzinom eingeschlossen, die eine neoadjuvante Radiochemotherapie erhielten. Die Patienten wurden 4 bis 6 Wochen nach Abschluss der neoadjuvanten Therapie klinisch mit Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit Biopsien und Endosonographie untersucht. Bei Patienten ohne residuelle Erkrankung wurde eine zweite Responseuntersuchung mit Positronenemissionstomographie(PET)-Computertomographie(CT), erneuter ÖGD mit Biopsien, Endosonographie und Feinnadelaspiraten verdächtiger Lymphknoten durchgeführt. Bei diesen Patienten wurde 12 bis14 Wochen nach Abschluss der neoadjuvanten Therapie eine Operation mit Ösophagektomie durchgeführt. 31 % der Patienten mit mehr als 10 % residualem Tumor wurden mit der Endoskopie mit Feinnadelaspiration nicht entdeckt. Mit Bite-on-bite-Biopsien wurden bei 10 % der Patienten mit mehr als 10 % residualem Tumor der Tumor nicht gefunden. In der Endosonographie wurden 28 % und in der PET-CT Untersuchung 15 % nicht gesehen [23]. Mit der preSINO-Studie wird eine analoge Studie aktuell an 4 asiatischen Zentren durchgeführt, um dieses Konzept zu überprüfen [24].

Neue chirurgische Behandlungskonzepte und Technologien

Chirurgische Konzepte

Eine entscheidende noch unbeantwortete Frage ist die optimale chirurgische Behandlungsstrategie beim Adenokarzinom des gastroösophagealen Überganges (AEG) II der Kardia. Hierbei wird weiterhin diskutiert, ob Patienten besser mit einer transhiatal erweiterten Gastrektomie oder einer abdominothorakalen Ösophagektomie behandelt werden [25, 26]. Zur Beantwortung dieser Frage wurde von unserer Klinik der CARDIA Trial aufgelegt und die ersten Patienten dieser multizentrischen internationalen Studie wurden rekrutiert. Ziel dieser Studie ist der Vergleich des Gesamtüberlebens nach transthorakaler Ivor-Lewis-Ösophagektomie und transhiatal erweiterter Gastrektomie [27]. In den letzten Jahren wird zur Behandlung des AEG II im Frühstadium in manchen Zentren zudem die sog. „Double-track-reconstruction“-Methode propagiert, welche möglicherweise funktionelle Vorteile bieten könnte [28]. Es liegen aktuell noch keine Ergebnisse aus prospektiv randomisierten Studien, welche dieses Verfahren mit den oben genannten Verfahren für das AEG II bewerten, vor.

Neue chirurgische Technologie

Hinsichtlich neuer chirurgischer Technologie verweisen wir auf unsere Vorarbeit zu diesem Thema und werden an dieser Stelle nicht im Detail auf die neuen Master-and-Slave-Systeme wie z. B. Medtronic Hugo und roboterähnliche Devices wie z. B. SymphonX eingehen [29]. Insbesondere der immer wieder kritisierte Kostenaspekt wurde in dieser Arbeit auch bereits für unser Zentrum analysiert. Letzteres Device wurde von uns mitentwickelt und die Ergebnisse der Piloteingriffe sind bereits publiziert [11, 30].

Die Situation der Roboterchirurgie in Deutschland ist aufgrund mangelnder Refinanzierung der teuren Eingriffe schwierig, diese Situation wird in einer aktuellen Umfrage von Krüger et al. gut zusammengefasst. Insbesondere der obere Gastrointestinaltrakt ist einer der am stärksten wachsende Sektor der roboterassistierten Chirurgie in Deutschland [31].

Fluoreszenzlaparoskopie ermöglicht die intraoperative Quantifizierung des Blutflusses

In Jahre 2021 haben drei Anbieter aus unserer Sicht wesentliche Neuerungen mit möglichen Vorteilen für die chirurgische Therapie des Ösophaguskarzinoms auf den deutschen Markt gebracht. Zum einen das sog. Visionsense-Fluoreszenzlaparoskop der Firma Medtronic als auch das sog. ArtiSential-Instrumentarium der Firma Livsmed und das PinPoint-System der Firma Stryker mit neuem Tool zur Fluoreszenzquantifizierung [12, 32, 33]. Alle genannten Tools sind CE-zertifiziert und kommerziell erwerblich. Das Visionsense-System wird in Köln standardmäßig seit Dezember 2020 im Rahmen der Ivor-Lewis-Ösophagektomie verwendet. Eine Besonderheit ist hier die erstmalig mögliche intraoperative Quantifizierung des Blutflusses mittels Indocyaningrün (ICG). Dies erscheint insbesondere zur Objektivierung oder Vorhersage möglicher Interponatischämien nützlich. Den gleichen Ansatz verfolgt das System von Stryker, hier erfolgt intraoperativ auch eine Kalibrierung des Systems, was möglicherweise einen Zusatznutzen bringt. Zum aktuellen Zeitpunkt kann noch keine kritische Bewertung dieser Systeme erfolgen.

Chirurgisch sehr aussichtsreich insbesondere für Kliniken ohne Zugang zur Robotik erscheint aus unserer Sicht das Instrumentarium von Livsmed, welches roboterähnliche Triangulation ohne eigentliche Robotiktechnologie ermöglicht. Die Instrumente werden seit Mai 2021 an unserer Klinik verwendet, die Vorteile der Triangulation erscheinen insbesondere bei der Lymphadenektomie in anatomisch schwer zugänglichen Arealen und bei der Rekonstruktion (z. B. Ösophagogastrostomie, Ösophagojejunostomie) evident zu sein. Inwiefern sich hier Kostenersparnisse für bestimmte Eingriffe im Vergleich zu „echten“ Robotern (Master-Slave-Systemen) ergeben können und wie sich die Ergebnisse der Ösophaguschirurgie durch diese Instrumente beeinflussen lassen, muss noch in Studien erarbeitet werden. Sicherlich spielt auch Training bei diesen hochkomplexen laparoskopischen Instrumenten eine Rolle, denn diese lassen sich anders und weniger intuitiv bedienen als beispielsweise aktuell verfügbare Robotersysteme (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

ArtiSential-Instrumente im Rahmen einer minimal-invasiven Ivor-Lewis-Ösophagektomie in Köln. a Zusammenspiel Fluoreszenzlaparoskopie und Artisential Instrumentarium. b Auswahl an aktuell verfügbarem Instrumentarium. c Beidhändiges Arbeiten mit Artisential erfordert Training

Humanoide Roboter

Humanoide Roboter werden aktuell in der Literatur noch ambivalent diskutiert, dennoch steigt deren Einsatz in verschiedenen Gesundheitssystemen [34].

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie evaluierten wir an unserem Standort auch den Einsatz humanoider Roboter zur Reduktion von Patientenkontakten im Rahmen der Aufklärung vor Ösophagektomie. Dieses Tool wurde von Patienten und unserem Team gut angenommen, die Ergebnisse einer klinischen Beobachtungsstudie werden in Kürze publiziert (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Humanoider Roboter „Pepper“ als Unterstützer bei der Patientenaufklärung im Rahmen der COVID-19-Pandemie. (Foto mit freundlicher Genehmigung C.J. Bruns, Köln)

Training

Wie zuvor dargestellt, strömt eine große Menge neuer, meist minimal-invasiver Technologien kombiniert mit neuer Bildgebungstechnik auf den Markt. Diese Technologie soll dem Chirurgen zwar die Arbeit erleichtern und/oder Ergebnisse für den Patienten verbessern, gleichzeitig ist sie aber hochkomplex und erfordert somit Übung. Entscheidend für den Einsatz jedweder neuen chirurgischen Technologie ist optimales Training unter Ausschöpfung virtueller Technologien, aber auch Nutzung von Wetlabs und der Einsatz von Proctoring und Telemedizin. Für die roboterassistierte Ösophagektomie („robot assisted minially invasive esophagectomy“, RAMIE) wurde federführend durch unsere Klinik ein internationaler Delphi-Prozess durchgeführt, welcher nun konkrete Handlungsanweisungen für ein optimales Training der RAMIE vorgibt [10]. Ziel dieses Trainingskurrikulums ist, Lernkurven möglichst schnell zu überwinden, um eine kurze Zeit bis zur Kompetenz („time-to-proficiency“) zu erreichen. In Deutschland wird dieses Trainingskurrikulum über den Berufsverband der Deutschen Chirurgen angeboten [35].

Fazit für die Praxis

  • Die Therapie des Ösophaguskarzinoms wird weiter zentralisiert und es kommen sowohl innovative neue onkologische als auch primär chirurgische Behandlungskonzepte zum Einsatz.

  • Die immer komplexeren Instrumente und Devices erfordern profundes Training, welches in der roboterassistierten Ösophaguschirurgie weiter strukturiert wurde.

  • Inwiefern für den Patienten durch die neuen Therapiekonzepte ein Vorteil hinsichtlich der Krankenhausmorbidität oder des Langzeitüberlebens entsteht, muss weiter evaluiert werden.