FormalPara Originalpublikation

de Savornin Lohman EAJ, van der Geest LG, de Bitter TJJ et al (2020) Re-resection in incidental gallbladder cancer: survival and the incidence of residual disease. Ann Surg Oncol. https://doi.org/10.1245/s10434-019-08074-4.

FormalPara Hintergrund.

Mit ca. 175.000 Eingriffen im Jahr gehört die Cholezystektomie zu den am häufigsten durchgeführten Operationen in Deutschland. Nach 0,25–0,89 % der für vermeintlich gutartige Erkrankungen durchgeführten Cholezystektomien wird im Präparat ein inzidentelles Gallenblasenkarzinom (iGB-Ca) diagnostiziert. Bei insgesamt niedriger Evidenz wird beim iGB-Ca ab dem Stadium pT1b (Invasion der Muskularis) die Nachresektion innerhalb von 4 bis 8 Wochen nach der initialen Operation empfohlen. Als Ausmaß der Nachresektion wird die Leberresektion des Gallenblasenbetts (befundabhängig bis hin zur anatomischen Leberresektionen) in Kombination mit einer Lymphadenektomie im Ligamentum hepatoduodenale bis retropankreatisch sowie befundabhängig eine Nachresektion des Zystikusstumpfes bis hin zur Gallengangsresektion empfohlen. De Savornin Lohmann et al. führten nun eine populationsbasierte Studie zum Management des iGB-Ca in den Niederlanden durch.

FormalPara Methoden.

Patienten mit der Diagnose iGB-Ca in den Jahren 2000 bis 2016 wurden anhand des Niederländischen Krebsregisters identifiziert. Patienten mit T1a-Karzinomen oder Metastasen wurden ausgeschlossen, weil hier jeweils keine Indikation zur Nachresektion besteht. Operations- und Pathologieberichte wurden retrospektiv analysiert. Eine adjuvante Chemotherapie wurde mangels Evidenz nicht gegeben. Das Überleben wurde anhand der Einwohnermeldedaten erhoben.

FormalPara Ergebnisse.

Von 463 Patienten mit iGB-Ca wurde bei 110 (24 %) eine Nachresektion im Median 66 Tage nach der Primäroperation vorgenommen, bei 76 % erfolgte keine Nachresektion. Bei 95 % der Patienten erfolgte eine Lymphadenektomie, bei 72 % eine Nachresektion der Leber (75 % Gallenblasenbett, 25 % anatomische Leberresektion), bei 52 % eine Nachresektion des Zystikusstumpfes und bei 8 % eine Gallengangsresektion. Bei 35 % der Patienten fand sich residueller Tumor im Nachresektat (in 27 % der Fälle im Leberparenchym, in 9 % im Zystikus oder Gallengang, in 24 % in Lymphknoten). Das mediane Gesamtüberleben war 13,7 Monate ohne vs. 52,6 Monate mit Nachresektion (p < 0,001). In einer multivariaten Analyse bestätigte sich die Nachresektion als unabhängiger Prädiktor eines besseren Überlebens. Die Nachresektion war sowohl bei pT2- als auch bei pT3-Tumoren signifikant mit einem verlängerten Überleben assoziiert. Bei den wenigen pT1b-Tumoren war der Effekt nicht darstellbar. Bei den nachresezierten Patienten waren der Nachweis residuellen Tumorgewebes in Leber und Lymphknoten unabhängige Prognosefaktoren.

Kommentar

Die Studie erhärtet die Evidenz für eine Nachresektion bei iGB-Ca, zeigt dabei jedoch auch auf, dass die empfohlene Nachresektion in den Niederlanden bei weniger als einem Viertel der Patienten vorgenommen wird und dann nicht standardisiert erfolgt. Es ist anzunehmen, dass die Situation in Deutschland ähnlich ist. Bei weiterhin niedrigem Evidenzlevel lässt die verfügbare Datenlage klar die Empfehlung zu, dass bei allen Patienten mit iGB-Ca ab dem Stadium pT1b und akzeptablem Operationsrisiko eine Nachresektion vorgenommen werden sollte. Das Ausmaß der Nachresektion muss befundabhängig angepasst werden, sollte aber standardmäßig zumindest das Leberparenchym im Gallenblasenbett, den Zystikusstumpf und eine Lymphadenektomie umfassen. Falls dieser Eingriff in der primär behandelnden Klinik nicht möglich ist, sollte die Zuweisung an ein Zentrum für hepatobiliäre Chirurgie erfolgen. Über eine zusätzliche Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie nach Nachresektion beim iGB-Ca sollte fallspezifisch interdisziplinär entschieden werden.