1 Einleitung und Hintergrund

Die vorliegende Empfehlung zur Prävention der beatmungsassoziierten Pneumonie der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut löst die Empfehlung aus dem Jahr 2000 [1] ab. Die Diagnose einer beatmungsassoziierten Pneumonie (Ventilator-associated Pneumonia = VAP) bleibt schwierig [2]. Die bisherige CDC-Definition wird zunehmend infrage gestellt [3]. Deshalb sind Studienergebnisse nicht immer untereinander vergleichbar bzw. gelten nicht für alle Patienten. Narkoseassoziierte und nosokomiale nicht mit einer Beatmung in Zusammenhang stehende Pneumonien werden ausdrücklich nicht in dieser, sondern in einer späteren Empfehlung bearbeitet.

Die hier aufgeführten Empfehlungen sind mit Kategorien entsprechend der Mitteilung „Die Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention – Aktualisierung der Definitionen“ von 2010 versehen (Tab. 1, [4]).

Tab. 1 Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2010)

Eine Pneumonie ist als beatmungsassoziiert zu bezeichnen, wenn der Patient mindestens 48 Stunden beatmet war [5]. Gemäß den Referenzdaten für Intensivstationen aus dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) für die Jahre 2008 bis 2012 treten beatmungsassoziierte Pneumonien im Mittelwert bei 4,25 Fällen bezogen auf 1000 invasive Beatmungstage und bei 1,24 Fällen bezogen auf 1000 nicht-invasive Beatmungstage auf [6]. Dies trägt zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes um etwa 6 bis 9 Tage bei [7, 8]. Gleichzeitig ist die beatmungsassoziierte Pneumonie die häufigste tödlich verlaufende Krankenhausinfektion [5, 9, 10]. Die Inzidenz ist von der Beatmungsdauer abhängig und in den ersten 5 Beatmungstagen mit 3 % pro Tag am höchsten, bis Tag 10 liegt sie bei 2 % pro Tag und im weiteren Verlauf bei 1 % pro Tag [11]. Die Sterblichkeit liegt in aktuellen Studien bei 13 %; der Anteil der mit der VAP unmittelbar oder mittelbar verbundenen Letalität (attributable mortality) ist aufgrund der schwierigen Diagnosestellung nicht abschließend geklärt [2, 12].

1.1 Zielgruppe der Empfehlung

Die Empfehlung richtet sich in erster Linie an das medizinische Personal von Stationen für Intensivtherapie sowie an das betreuende Hygienefachpersonal. Mechanische Beatmungen werden jedoch auch zunehmend außerhalb von Krankenhäusern durchgeführt. Die zum Erreichen der jeweiligen Schutzziele notwendigen Präventionsmaßnahmen gelten unabhängig vom Ort der Durchführung.

1.2 Bezug zu anderen Empfehlungen

Der Umgang mit Patienten, die mit kontagiösen oder multiresistenten Erregern infiziert oder damit besiedelt sind, ist in anderen Empfehlungen der KRINKO behandelt. Deshalb sind hier besonders zu benennen die Empfehlungen zur Händehygiene [13], zum Umgang mit MRSA-Patienten [14] und zum Hygienemanagement bei multiresistenten gramnegativen Erregern [15] sowie die Empfehlungen zur Aufbereitung von Medizinprodukten [16] und zur Flächendesinfektion [17].

1.3 Risikofaktoren für die Entstehung beatmungsassoziierter Pneumonien

Das Risiko einer beatmungsassoziierten Pneumonie ist bei Patienten mit folgendem Risikoprofil erhöht:

Patientenbezogene Risikofaktoren (endogen) [18, 19, 20, 21, 22]

  • Alter unter einem oder über 65 Jahre

  • Vorerkrankungen mit Beeinträchtigung des unspezifischen und spezifischen Immunsystems (immunsupprimierte Patienten)

  • Schwerwiegende neurologische Beeinträchtigungen mit fehlenden Schutzreflexen

  • Schwere chronisch-obstruktive pulmonale Lungenerkrankungen (COPD)

  • Aspiration

Interventionsbezogene Risikofaktoren (exogen) [5, 11, 23, 24, 25, 26]

  • Langzeitintubation und Beatmung

  • Reintubation

  • Mikroaspiration

  • Verabreichung von Sedativa

  • Operative Eingriffe

Zusätzliche Risikofaktoren in der Pädiatrie [27, 28, 29, 30]

  • Immundefizienz, Immunsuppression

  • Neuromuskuläre Blockade

  • Vorliegen eines genetisch bedingten Syndroms

  • Reintubation und Transport außerhalb der PICU (pädiatrischen Intensivstation)

  • Vorbehandlung mit Antibiotika

  • Enterale Ernährung (im Unterschied zu Erwachsenen)

  • Bronchoskopie

Das empfindliche Gleichgewicht, das zwischen der mikrobiellen Standortflora und dem Organismus durch ein komplexes Abwehrsystem aufrechterhalten wird, ist bei diesen Patienten durch unterschiedliche Faktoren gestört.

Die pathogenetisch entscheidende Risikodeterminante ist die Aspiration von potenziell pathogenen Mikroorganismen aus dem Nasopharyngealbereich und eine verminderte mikrobielle Clearance der Lunge [25, 31].

Die nachfolgenden Empfehlungen gliedern und bündeln die Einzelmaßnahmen zur Prävention beatmungsassoziierter Infektionen in folgende 4 Kapitel:

  • Basismaßnahmen,

  • apparativ-technische Maßnahmen,

  • patientenbezogene Maßnahmen,

  • pharmakologische Maßnahmen.

2 Basismaßnahmen

2.1 Händehygiene

Die hygienische Händedesinfektion ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Prävention nosokomialer Infektionen [5, 32]. Die entsprechenden Maßnahmen sind in den Empfehlungen der KRINKO zur Händehygiene aufgeführt [13].

2.2 Arbeitskleidung auf Intensivstationen (Bereichskleidung) und persönliche Schutzausrüstung

Es hat sich etabliert, dass auf Intensivstationen Bereichskleidung getragen wird. Dies mag als sinnvoll erachtet werden, da gerade auf Intensivstationen häufige enge Patientenkontakte bestehen und somit das Risiko einer Kontamination der Bekleidung gegeben ist. Es gibt jedoch keine Studien, die einen Vorteil der Bereichskleidung belegen.

Persönliche Schutzausrüstung (Schutzkittel, Handschuhe, Mund-Nasen-Schutz, ggf. Schutzbrille) erfüllt folgende Funktionen:

  1. 1.

    Schutz des Personals vor bakteriellen oder viralen Erregern [33, 34],

  2. 2.

    Verhinderung der Übertragung von Mikroorganismen von Patient zu Patient bzw. vom Personal auf Patienten.

2.3 Schulung der Mitarbeiter

Gemäß § 23 Abs. 8 Nr. 5 IfSG sowie den darauf fußenden Hygieneverordnungen der Länder sind Fortbildungen der Beschäftigten durchzuführen, in denen die Kerninhalte der Infektionsprävention regelmäßig vermittelt werden. Schulungen, in denen auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Pneumonieprävention geachtet wird, sind geeignet, die Pneumoniehäufigkeit signifikant zu senken [35, 36, 37]. Dies gilt insbesondere für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. Zudem sind Konsiliarärzte in Risikobereichen in die vor Ort vereinbarte Strategie zur Prävention der VAP zu unterweisen. Mehrere definierte, ausgewählte Einzelmaßnahmen zur Infektionsprävention werden zu einem Präventionsbündel zusammengefasst und individuell für die jeweilige Einrichtung festgelegt. Wichtig ist die komplette, zuverlässige und kontinuierliche Umsetzung des gesamten Präventionsbündels [38].

2.4 Personelle Besetzung

In Untersuchungen zum Personalschlüssel und dem Auftreten nosokomialer Infektionen auf der Intensivstation ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Verhältnis von Pflegeperson pro beatmetem Patienten und der Inzidenzdichte der Infektionen [37, 39].

Die Empfehlungen der Fachgesellschaften, beispielsweise der DGAI/BDA, GNPI oder DIVI [40] sind diesbezüglich wegweisend [41].

2.5 Surveillance

2.5.1 Mikrobiologisches Monitoring zur Therapiesteuerung

Eine routinemäßige, risikoadjustierte Infektionssurveillance kann auf mögliche Probleme aufmerksam machen und Interventionen begründen. Ergänzend zu den Surveillance-Maßnahmen nach IfSG § 23 Abs. 4 ist eine systematische Erfassung von Pneumonieerregern im Falle von Ausbruchssituationen und zur Entdeckung von Kreuzinfektionen geboten.

Daten, die einen generellen Nutzen eines mikrobiologischen Monitorings bei Patienten und ihrer Umgebung zur Erkennung von potenziellen Erregern einer nosokomialen Pneumonie für die Steuerung der antibiotischen Therapie belegen, liegen bisher nicht vor [42, 43, 44, 45].

2.5.2 Epidemiologische Surveillance

Eine kontinuierliche Infektionssurveillance gemäß der KRINKO-Empfehlung zur Surveillance nosokomialer Infektionen trägt zur Schärfung des Problembewusstseins und nachhaltigen Senkung der Pneumoniehäufigkeit bei [36, 46].

Es wird empfohlen, dass sich die lokale Hygienekommission mit dem Thema befasst und entscheidet, ob und in welcher Form eine kontinuierliche Surveillance etabliert wird.

3 Apparativ-technische Maßnahmen

3.1 Beatmungsschläuche

Ein Schutz vor Pneumonien durch einen häufigeren als 7-tägigen Wechsel des Schlauchsystems konnte weder im adulten noch im pädiatrischen Intensivbereich nachgewiesen werden [47, 48, 49, 50, 51, 52]. Die Schläuche müssen jedoch bei Beschädigung oder Verschmutzung sofort gewechselt werden. Abweichend vom Vorgehen bei Narkosebeatmungen, ist auf der Intensivstation unabhängig von Filtern in jedem Fall der patientenbezogene Einsatz der Beatmungsschläuche erforderlich.

3.2 Aktive und passive Atemgasbefeuchtung

Eine Atemgasklimatisierung kann aktiv mit beheizten Verdampfersystemen oder passiv mit Filtern zum Wärme- und Feuchtigkeitsaustausch (HME-Filter = Heat-Moisture-Exchange-Filter) erfolgen.

Eine suboptimale Befeuchtungsleistung kann zu zähem Sekret und in der Folge zu Atemwegsobstruktionen mit konsekutiver Atelektasenbildung führen, die als Risikofaktor für eine Pneumonie zu betrachten sind [53, 54]. Aktive Befeuchtersysteme generieren bei voller Befeuchtungsleistung vermehrt Kondenswasser, das sich in den Beatmungsschläuchen ansammelt, regelmäßig durch Atemwegssekret mikrobiell kontaminiert ist und im Falle der Aspiration in die Atemwege eine Pneumonie auslösen kann. Beim Einsatz aktiver Befeuchtersysteme sind daher entweder beheizte Beatmungsschläuche zu verwenden oder aber Wasserfallen am tiefsten Punkt in das System einzubauen, die regelmäßig geleert werden müssen. Hierfür sind keimarme Einmalhandschuhe anzulegen. Die Datenlage zum Pneumonierisiko bei Verwendung aktiver oder passiver Befeuchtersysteme ist uneinheitlich. Eine Metaanalyse [55] und ein systematischer Review [56] kamen zu dem Ergebnis, dass durch den Einsatz von HME-Filtern die Pneumonierate signifikant gesenkt wird. Später erschienene Ergebnisse randomisierter Studien ließen keinen Unterschied hinsichtlich der Pneumonierate erkennen [57, 58, 59, 60]. In der von Siempos et al. [61] durchgeführten Metaanalyse konnten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Inzidenz der VAP, Beatmungsdauer und Intensivbehandlungsdauer nachgewiesen werden. Auch die Cochrane Analyse von 2010 unter Einschluss von 33 Studien [62] sah keinen signifikanten Unterschied zwischen Art des gewählten Befeuchtungssystems und der Pneumonierate.

Eine passive Befeuchtung mit HME-Filtern generiert weniger Kondenswasser in den Beatmungsschläuchen und ist einfach zu handhaben. Aktive Befeuchtersysteme bieten eine höhere Befeuchtungsleistung und sind daher bei Patienten mit zähem oder blutigem Trachealsekret zu bevorzugen.

Davis et al. [63] verglichen eine Wechselfrequenz von 24 h vs. 72 h bei bestimmten HME-Filtern; mehrere Studien untersuchten eine auf 7 Tage verlängerte Standzeit dieser Filter [64, 65, 66]. Alle Autoren sahen keinen Unterschied in der Häufigkeit nosokomialer Pneumonien.

3.3 Endotrachealtuben

Die mikrobielle Kolonisation und Biofilmbildung auf der inneren Oberfläche des Beatmungstubus kann das Entstehen von Pneumonien begünstigen [31].

3.3.1 Material von Endotrachealtuben (Silberbeschichtung)

Aus diesem Grund wurden Endotrachealtuben mit beschichteten (antimikrobielle Substanzen, Silber) inneren Oberflächen entwickelt [67, 68]. Bisher liegt nur eine verblindete (randomisierte) klinische Studie vor, die zeigte, dass die Verwendung silberbeschichteter Beatmungstuben zu einem verzögerten und insgesamt verringerten Auftreten von beatmungsassoziierten Pneumonien beitragen kann [69]. Eine weitere Studie, die den Einfluss auf Intubationsdauer und Intensivbehandlungsdauer untersuchte, erbrachte kein eindeutiges Ergebnis [70].

Daher sind weitergehende klinische Untersuchungen notwendig.

3.3.2 Cuffdruck und subglottische Absaugung

In der Pathogenese der beatmungsassoziierten Pneumonie spielt die Mikroaspiration von kontaminiertem subglottischem Sekret entlang der Tubusmanschette eine wesentliche Rolle [31, 71, 72]. Die Blockung der Tubusmanschette auf Werte zwischen 20 cm und 30 cm Wassersäule reduziert zwar die aspirierte Sekretmenge, verhindert aber die Aspiration nicht vollständig [73]. Höhere Druckwerte schädigen die Trachealschleimhaut. Liu et al. zeigten in einer Studie an 509 Patienten, dass eine korrekte Cuff-Druckkontrolle mithilfe eines Manometers zur Reduktion respiratorischer Komplikationen nach Intubation beiträgt [74]. Zwei neuere Arbeiten untersuchten den Vorteil einer kontinuierlichen Cuff-Druckkontrolle. Valencia et al. (2007) sahen keinen Einfluss auf die Rate der VAP [75]; demgegenüber konnten Nseir et al. (2011) eine signifikante Reduktion der Mikroaspiration von Magensaft wie auch eine signifikante Reduktion der VAP-Rate nachweisen [76].

Um eine Aspiration des sich oberhalb des Cuffs ansammelnden Sekretes zu vermeiden, wurden Endotrachealtuben und Trachealkanülen mit einem Lumen oberhalb des Cuffs entwickelt, die ein Absaugen dieses Sekretes gestatten [77]. Die Sekretabsaugung kann kontinuierlich oder intermittierend erfolgen. In mehreren Studien und in Metaanalysen wurde gezeigt, dass von dieser Maßnahme vor allem Patienten mit einer Beatmungsdauer von mehr als 72 Stunden profitieren und die Inzidenz von Pneumonien bei diesen Patienten um bis zu 50 % gesenkt wurde [78, 79, 80, 81].

Offene Fragen betreffen die kontinuierliche vs. intermittierende subglottische Absaugung, die mögliche Schädigung der Trachealschleimhaut durch den Sog und eine mögliche Okklusion des Absaugkanals durch zähes Sekret. Weitere Studien zur Validierung der Ergebnisse und des möglichen Benefits für Patienten sind daher wünschenswert.

Neue technische Entwicklungen wie ultradünne Tubusmanschetten aus Polyurethan erlauben eine Blockung ohne Faltenbildung und sollen so weitgehend die Sekretaspiration verhindern. Durch Kombination aus subglottischer Sekretabsaugung und ultradünnem Cuffdesign ließ sich im Vergleich zu konventionellen Endotrachealtuben in bislang einer randomisierten Studie die Inzidenz von Früh- und Spätpneumonien senken [82].

3.3.3 Besonderheiten in der Pädiatrie

Aufgrund des kleinen Trachealdurchmessers, fehlender geeigneter Medizinprodukte und Bedenken in Bezug auf eine Schädigung des Larynx und der Trachea [83, 84] wurden in der Vergangenheit bei Säuglingen und Kindern unter 8 Jahren nahezu ausschließlich ungeblockte Endotrachealtuben verwendet [85, 86]. Wahrscheinlich reduziert die Verwendung geblockter Endotrachealtuben die Notwendigkeit von Umintubationen [87, 88], die wiederum das Risiko einer VAP bei Patienten auf pädiatrischen Intensivstationen (PICU) erhöhen [27]. Eine experimentelle Studie bei 27 beatmeten Kindern einer PICU konnte zeigen, dass das Risiko von Mikroaspirationen (Surrogatparameter: Nachweis von Pepsin im Trachealsekret) durch die Verwendung geblockter Endotrachealtuben reduziert wurde [89].

Bei der sachgerechten Anwendung von geeigneten Endotrachealtuben (verfügbar ab einem Innendurchmesser von 3 mm) mit „high volume, low pressure cuff“ besteht kein erhöhtes Risiko für Langzeitschäden, und zwar weder in der pädiatrischen Anästhesie [87, 88, 90, 91, 92] noch in der pädiatrischen Intensivmedizin [93, 94, 95]. Die sachgerechte Anwendung von hierfür geeigneten Tuben ist in mehreren Studien im Detail beschrieben [88, 91, 92, 96].

Neben der Auswahl der korrekten Tubusgröße anhand von entsprechenden alters-/gewichtsadaptierten Tabellen oder Formeln und der korrekten Positionierung ist die manometrische Kontrolle des Cuffdrucks von entscheidender Bedeutung. In den anästhesiologischen Evaluationsstudien lag der Verschlussdruck im Median deutlich unter 20 cm Wassersäule. Geeignete Ventile können gewährleisten, dass der Cuffdruck 20 cm Wassersäule auch bei Änderung der Beatmungssituation (Umlagerung, Änderung der Kopfposition, kontrollierte oder assistierte Beatmung, Sedierungstiefe) nicht überschreitet [92]. Auch wenn von den Anwendern geblockter Tuben in der pädiatrischen Intensivmedizin das Argument eines besseren Schutzes vor Mikroaspirationen angesprochen wird [93, 94], gibt es bislang keine prospektiv randomisierte Studie zu deren Einfluss auf die Inzidenz einer VAP bei Kindern [97].

3.4 Endotracheale Absaugung

Für das endotracheale Absaugen gibt es das sog. geschlossene Verfahren mit einem wiederverwendbaren, in einer Hülle steril verpackten Absaugkatheter, der in das Beatmungssystem integriert ist, und das konventionelle offene Verfahren mit sterilen Einwegkathetern. Vorteilhaft beim geschlossenen Absaugsystem ist, dass keine Diskonnektion vom Beatmungsgerät erforderlich ist und somit die Auswirkungen eines Absaugvorganges auf Oxygenation und Hämodynamik geringer sind als beim offenen Verfahren [98]. Ein weiterer Vorteil ist die Vermeidung der Exposition des Personals gegenüber aerosolisierten respiratorischen Sekreten [99, 100].

Zwischen beiden Systemen bestehen hinsichtlich der Inzidenz beatmungsassoziierter Pneumonien nach den Ergebnissen der vorliegenden Metaanalysen keine Unterschiede, sodass die wiederholte Verwendung des Absaugkatheters beim geschlossenen System keinen risikoerhöhenden Faktor darstellt [100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108].

Ein Nachteil geschlossener Absaugsysteme sind die höheren Kosten, sofern ein Wechsel alle 24 Stunden erfolgt. Untersuchungen mit verlängertem Wechselintervall haben gezeigt, dass die VAP-Rate durch einen Wechsel alle 48 Stunden [109, 110], alle 7 Tage [111] bzw. ohne festes Wechselintervall [112, 113, 114] nicht erhöht war. Allerdings kam es in der zuletzt genannten Studie [114] (ohne regelmäßigen Wechsel) in 35–45 % zu einer mechanisch bedingten Leckage des geschlossenen Absaugsystems, was ggf. einen nicht geplanten, aber dringlichen Wechsel des Systems erforderlich machte.

3.5 Medikamentenvernebler im Beatmungssystem

Zur Inhalationsbehandlung werden bei beatmeten Patienten Medikamentenvernebler in den Inspirationsschenkel des Beatmungsgerätes eingesetzt. Dabei besteht das Risiko einer Kontamination und Keimvermehrung, die mit dem Aerosol direkt in die tiefen Atemwege gelangt [115]. Kontrollierte Studien zum Umgang mit Medikamentenverneblern liegen nicht vor.

4 Patientenbezogene Maßnahmen

4.1 Endotracheale Intubation: orotracheal versus nasotracheal

Üblicherweise erfolgt eine Intubation orotracheal. Der nasotracheale Zugangsweg führt zu einer höheren Inzidenz von Sinusitiden [116, 117]; ein kausaler Zusammenhang zwischen Sinusitis und VAP ist nicht eindeutig belegt [118]. Ein Problem des nasotrachealen Zugangsweges ist die Gefahr der Schleimhaut- und Nasenseptumnekrosen.

4.2 Frühe versus späte Tracheotomie

Da eine prolongierte translaryngeale Intubation zu Schäden des Kehlkopfs und subglottischen Stenosen führt [119, 120, 121] und die Entwöhnung vom Beatmungsgerät erschweren kann, wird bei Patienten mit zu erwartender Langzeitbeatmung in der Regel nach 7 bis 10 Tagen eine dilatative oder plastische Tracheotomie durchgeführt. In 2 Metaanalysen und einer randomisierten Studie bestand hinsichtlich der Pneumonieinzidenz zwischen frühzeitiger und späterer Tracheotomie kein signifikanter Unterschied [122]. Von früher Tracheotomie spricht man bei Durchführung des Eingriffs am 3. bis 4. Beatmungstag; von später Tracheotomie ab dem 7. Beatmungstag [123]. Die frühzeitige Tracheotomie kann allerdings zu einer kürzeren Beatmungs- und Intensivbehandlungsdauer führen [122, 124, 125].

4.3 Nicht-invasive Beatmung (NIV)

Bei der nicht-invasiven Ventilation (NIV) erfolgt eine Überdruckbeatmung ohne endotrachealen Zugang, die über verschiedene Arten von Gesichtsmasken appliziert wird. Insbesondere bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz bei exazerbierter COPD und bei kardiogenem Lungenödem ist die NIV eine effektive Alternative zur konventionellen Beatmung und mit einer niedrigeren Pneumonierate verbunden [6, 126, 127]. Auch bei pädiatrischen Patienten [128], vor allem bei Kindern mit schwerer Bronchiolitis [129], akuter respiratorischer Insuffizienz [130, 131] und immunsupprimierten Kindern [132] konnten diese Vorteile nachgewiesen werden.

4.4 Lagerungsmaßnahmen

Eine Flachlagerung (< 10°) von Intensivpatienten mit dem Risiko eines gastropharyngealen Refluxes wurde lange Zeit als unabhängiger Risikofaktor für eine Pneumonie gesehen und eine Oberkörperhochlagerung von 30° besser 45° empfohlen [133]. Die Umsetzung dieser Forderung ließ sich allerdings in der Praxis nur schwierig verwirklichen [134], was unter anderem auch daran liegen könnte, dass eine Oberkörperhochlagerung von 30° oder 45° bei Intensivpatienten anderen Behandlungszielen wie einer Stabilisierung der Kreislaufverhältnisse oder der Dekubitusprophylaxe entgegensteht [135]. Zudem konnten die Ergebnisse von Draculovic et al. in keiner Folgestudie reproduziert werden [133, 136].

So fanden van Nieuwenhofen et al. in ihrer Studie 28° vs. 10° Oberkörperhochlagerung keinen Unterschied in der Pneumonieinzidenz [134]. Trotz dieser Ergebnisse empfiehlt das IHI (Institute of Healthcare Improvement) in der aktuellsten Version des VAP-Präventionsbündels von 2012 [137] eine Anhebung des Kopfendes auf 30°–45°. In einer evidenzbasierten Empfehlung von Niel-Weise et al. wird eine Oberkörperhochlagerung > 30° nicht generell empfohlen [138].

Seit einigen Jahren ist die Therapie mit kinetischen Betten zur Prävention einer VAP Gegenstand von Studien. Ein systematischer Review und eine Metaanalyse konnten aber keine Konstanz in den eingeschlossenen Studien im Hinblick auf die Reduktion von Beatmungspneumonien finden [139].

4.5 Hygienische Mundpflege

Eine regelmäßige Mundpflege mit mechanischer Zahnreinigung (unter Beachtung der Blutgerinnung, der Thrombozyten- und Leukozytenzahl) und antiseptischer Mundspülung ist eine wichtige Maßnahme der Grundpflege. Eine Mundspülung mit Chlorhexidin führte bei kardiochirurgischen Intensivpatienten zu einer reduzierten Pneumonieinzidenz [140]. Der präventive Effekt war allerdings zunächst nicht konsistent nachweisbar, und eine ältere Metaanalyse kam zu dem Ergebnis, dass durch eine Chlorhexidin-Mundspülung die Inzidenz beatmungsassoziierter Pneumonien nicht signifikant gesenkt wird [141]. Fünf neuere Metaanalysen zeigen dagegen einen protektiven Effekt beim Einsatz von Chlorhexidin hinsichtlich des Auftretens von Pneumonien [142, 143].

Eine Mundpflege mit Polyvidon-Jod-Lösung erwies sich in einer Studie ebenfalls als effektiv [144].

Eine Reduktion der Letalität oder der Sepsisrate durch die Anwendung einer oralen antiseptischen Dekontamination konnte bisher nicht dargestellt werden. Auch wurde für die Anwendung von Chlorhexidin eine Erregerverschiebung befürchtet, da Chlorhexidin im gramnegativen Bereich schlechter wirksam ist als im grampositiven Spektrum [142, 145, 146, 147].

Der Stellenwert der mechanischen Zahnreinigung ist noch unklar. In 2 Metaanalysen von 4 bzw. 6 Studien konnte kein Vorteil der mechanischen Zahnreinigung gefunden werden, allerdings ist die Evidenz aufgrund der kleinen Patientenzahl und einer hohen Heterogenität der Studien noch gering [148, 149].

4.6 Enterale Ernährung

Die enterale Ernährung ist beim Erwachsenen im Vergleich zur parenteralen Ernährung mit einer niedrigeren Sepsis- und Pneumonierate assoziiert und daher zu bevorzugen [150, 151, 152, 153]. Die Platzierung der Ernährungssonde – gastral oder postpylorisch – wird in der Literatur hinsichtlich der Pneumonierate noch kontrovers diskutiert. So ergab eine randomisierte Studie einen signifikanten Vorteil für die duodenale Ernährung [154]. Eine Metaanalyse und 2 weitere Arbeiten konnten keinen Unterschied in der Pneumonierate nachweisen [155, 156, 157]. Demgegenüber konnte in einer aktuellen Metaanalyse von Alhazzani et al. eine Reduktion der Pneumonierate bei duodenaler Ernährung gezeigt werden [158].

4.7 Probiotika

In den letzten Jahren wurden einige Studien zur Anwendung von Probiotika mit widersprüchlichen Ergebnissen durchgeführt. Siempos et al. verglichen in einer Metaanalyse 5 randomisierte, klinische Studien und beobachteten eine geringere VAP-Inzidenz unter Probiotikagabe [159]. Schultz und Haas publizierten 2011 eine weitere Metaanalyse unter Einbeziehung von 8 in der Konzeption heterogenen, kontrollierten klinischen Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von VAP und einer probiotischen Therapie untersuchten [160]. Drei dieser Studien zeigten eine signifikante Reduktion der VAP unter Probiotika [161, 162, 163] ohne signifikanten Einfluss auf die Sterblichkeit, wobei die Ergebnisse von 2 dieser Studien auch in die Analyse von Siempos et al. [159] eingeflossen waren. Eine erneute Metaanalyse von Petrof et al. [164], diesmal unter Einschluss von 23 randomisierten Studien (hiervon 7 zur VAP) zeigt neben einer Reduktion aller Infektionen einschließlich VAP einen Trend zu einer reduzierten Sterblichkeit bei Intensivpatienten, weist jedoch ebenfalls auf die große methodische und statistische Heterogenität der eingeschlossenen Studien hin. In den untersuchten Studien wurden keine Bakteriämien aufgrund von Probiotika beschrieben. Verwendet wurden zumeist Präparationen mit Laktobazillen, während Fungämien unter Verwendung von Saccharomyces-basierten Probiotika publiziert sind [165, 166, 167]. Weitere Studien sind notwendig, um den Nutzen und die Nebenwirkungen von Probiotika bewerten zu können.

5 Pharmakologische Maßnahmen

Die folgenden Empfehlungen beschäftigen sich mit pharmakologischen Maßnahmen aus infektionspräventiver Sicht. Die individuelle therapeutische Entscheidung des behandelnden Arztes bleibt von den jeweiligen Empfehlungen unberührt.

5.1 Selektive Darmdekontamination (SDD)/selektive orale Dekontamination (SOD)

Die selektive Dekontamination des Gastrointestinaltraktes als SDD mit gleichzeitiger systemischer und topischer Antibiotikagabe oder mit alleiniger topischer Antibiotikagabe (als SOD) ist eine der am häufigsten untersuchten Interventionen zur Prävention der Pneumonie.

In verschiedenen Metaanalysen mit nahezu 30 randomisierten klinischen Studien zeigt sich einheitlich ein protektiver Effekt der SDD hinsichtlich der Reduktion von Infektionen des Respirationstraktes und der Mortalität [168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177].

Die SDD zeigt nach der aktuellsten Metaanalyse der Cochrane Collaboration von 2009 einen protektiven Effekt hinsichtlich der Infektionen des Respirationstraktes, nicht jedoch hinsichtlich der Mortalität [178]. Eine neuere Cluster-randomisierte Studie aus den Niederlanden, die in keiner der Metaanalysen berücksichtigt ist, zeigt eine 3,5 % Reduktion der adjustierten Mortalität bei Anwendung von SDD. Die Risikoreduktion durch SDD liegt zwischen 3 und 6 % mit einer number needed to treat von ca. 17 Patienten, um ein Leben zu retten [179].

Kritische Punkte bei der Auswertung der Metaanalysen ergaben sich durch die Heterogenität der Ergebnisse, fehlende Verblindung oder mangelnde Daten zur Compliance. In einer kürzlich publizierten Analyse wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Inzidenzraten und die Letalität der VAP in den Kontrollgruppen der SDD-Studien höher lag als in unabhängigen Benchmark-Gruppen [180]. Dieser Unterschied ist bisher ungeklärt und sollte in weiteren Studien analysiert werden.

In der Regel wurden die Studien in Regionen mit niedriger Prävalenz multiresistenter Erreger durchgeführt, sodass in diesen Bereichen keine Zunahme multiresistenter Erreger beobachtet wurde [179, 181]. Im Rahmen einer aktuellen Metaanalyse zur Resistenzentwicklung unter SDD oder SOD konnte kein Zusammenhang zwischen der Durchführung der SDD oder SOD und dem Auftreten von Antibiotikaresistenz nachgewiesen werden [182].

Es fehlen jedoch belastbare Daten für Langzeiteffekte oder Regionen mit einer hohen Rate an multiresistenten Erregern.

Eine Reduktion der VAP-Rate durch eine ausschließlich systemische Antibiotikaprophylaxe konnte bei komatösen Patienten gezeigt werden [183]. Der positive Effekt ist jedoch im Vergleich zur SDD geringer, und ein klinisch relevanter Nutzen ließ sich bislang nicht überzeugend demonstrieren [178]. Zudem muss bei ausschließlich systemischer Antibiotikagabe mit einer Selektion resistenter Erreger gerechnet werden [2, 179, 180, 181].

5.2 Stressblutungsprophylaxe

Die Kolonisation des Oropharynx mit gramnegativen Erregern aus dem Verdauungstrakt gilt als unabhängiger Risikofaktor für eine beatmungsassoziierte Pneumonie [184, 185]. Eine Stressblutungsprophylaxe mit alkalisierenden Substanzen wie Antazida, H2-Blockern und Protonenpumpenhemmern begünstigt die bakterielle Vermehrung im Magen [72, 186, 187], während eine Stressblutungsprophylaxe mit Sucralfat den intragastralen pH-Wert unbeeinflusst lässt. Zahlreiche randomisierte Studien mit unterschiedlichen Prophylaxeregimen kamen in Bezug auf Blutungsereignisse und Pneumonien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während sich in einer Metaanalyse beim Vergleich Protonenpumpenblocker vs. H2-Blocker kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Risikos für nosokomiale Pneumonien zeigte [188], wurde in einer Metaanalyse von 10 randomisierten, kontrollierten Studien eine signifikant höhere Inzidenz von VAP in der mit H2-Blockern therapierten Gruppe im Vergleich zur Sucralfat-Gruppe gefunden [189]. Eine sich daraus ergebende, gar als zwingend anzusehende medikamentöse Prophylaxe mit H2-Blockern oder Sucralfat zur Verhinderung klinisch wirksamer gastrointestinaler Blutungen konnte in dieser Metaanalyse [189] und auch in der Studie von Kahn et al. [190] nicht nachgewiesen werden.

5.3 Sedierung

Bei beatmeten Patienten trägt die Überwachung und leitliniengerechte Steuerung der Sedierungstiefe [191] zu einer Senkung der Beatmungsdauer bei und kann damit die Pneumonieinzidenz senken [192, 193, 194, 195, 196].

6 Maßnahmenbündel zur Prävention beatmungsassoziierter Pneumonien

Die Vielfalt der vorhandenen Einzelempfehlungen zur Infektionsprophylaxe erschwert die Compliance der Mitarbeiter. Daher wurden Maßnahmenbündel formuliert, deren konsequente und durch Checklisten unterstützte Einhaltung zur Infektionsprävention geeignet ist [32]. Für die beatmungsassoziierte Pneumonie wurden verschiedene Bündel untersucht, mit deren Hilfe die Pneumonierate um über 50 % gesenkt werden konnte [56, 82, 197, 198, 199, 200].

Bewährt haben sich außerdem periodische Ergebnisüberprüfungen, Rückmeldungen an die Stationen sowie eine kontinuierliche Schulung der Mitarbeiter [201, 202].

In der Regel sind neben konsequenter Händehygiene, der Mundpflege, einer subglottischen Absaugung oder der regelmäßigen Überprüfung des Cuff-Druckes auch Protokolle zur Intensivbehandlung, Sedierung und Entwöhnung vom Beatmungsgerät Bestandteile solcher Bündel, die zur Reduzierung der Pneumonierate, der Beatmungsdauer und der Dauer des Intensivaufenthaltes beitragen. Hierbei ist zu berücksichtigen, welche Maßnahmen in der jeweiligen Intensivstation bereits konsequent umgesetzt werden, und für welche Maßnahmen die Umsetzung verbessert werden soll.

7 Beispiele für gängige Bündel zur Prävention der Beatmungspneumonie

Exemplarisch aufgeführt sind die Ergebnisse der prä- und postinterventionellen Observationsstudie von Bouadma et al. [198], der Multicenter Studie von Rello et al. [32] sowie der Metaanalyse von Dodek et al. [56] (Tab. 2).

Tab. 2