Zusammenfassung
Zur täglichen Aufgabe von Pflegepersonal gehört es, einen gangbaren Weg zwischen Identifikation und Abgrenzung zu finden, zwischen Aufopferung und professioneller Distanz, zwischen den eigenen Emotionen und dem normierten Anspruch an Freundlichkeit, Entgegenkommen und Mitgefühl. Der Beitrag behandelt die Frage, ob sich diese Attribute ausschließen müssen und in welchem Verhältnis Emotionalität und Professionalität stehen oder stehen sollten. Denn obgleich Emotionen nur selten direkt zum Thema gemacht werden, ist Dienstleistungsarbeit kaum vollständig abzubilden, ohne auch sie einzubeziehen. Besonders im Bereich Pflege stellt die Emotionsarbeit nicht nur einen additiven, sondern einen integralen Bestandteil der Dienstleistung dar, dessen Gelingen Auswirkungen auf Personal, Unternehmen und Patienten gleichermaßen hat. Immer deutlicher wird daher die Notwendigkeit, auch Gefühlsregulation und psychisches Selbstmanagement als Teil eines erfolgreichen Arbeitsprozesses umfassend zu berücksichtigen.
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Notes
- 1.
Die begriffliche Trennung von Emotionsarbeit und Gefühlsarbeit ist wegen bestehender wechselseitiger Beeinflussungen und Abhängigkeiten nicht unproblematisch und nur begrenzt sinnvoll (vgl. auch Hacker 2009; Nerdinger 2008), und oft genug nur schwer aufrecht zu erhalten. Sie wird dessen ungeachtet vorliegend zunächst weitergeführt, wenngleich auf eine scharfe Grenzziehung aus diesen Gründen an einigen Stellen verzichtet wird (vgl. hierzu auch Abschn. 14.5).
- 2.
Hier bietet sich ein kurzer Hinweis an, dass in der wissenschaftlichen Literatur häufig eine Unterscheidung zwischen der Emotion als mehrdimensionalem Konstrukt und dem Gefühl als deren subjektivem Empfinden vorgenommen wird (Otto et al. 2000). Die Grenze zwischen den beiden Begriffen verläuft im Kontext von Emotions- und Gefühlsarbeit jedoch an anderer Stelle, weswegen beide hier außerhalb dieses Zusammenhangs synonym verwendet werden.
- 3.
Vgl. Rastetter (2008) die Versicherungsvertreter gerade wegen der nicht auf den ersten Blick hervortretenden emotionalen Bemühungen zum Gegenstand ihrer Untersuchung machte.
- 4.
Im Zusammenhang mit Emotionsarbeit in der Pflege selten beachtet, aber durchaus von Relevanz ist auch die Zusammenarbeit mit den Ärzten einer Station, die die bestehenden Machtverhältnisse noch komplexer werden lässt. Denn Krankenschwestern leisten emotionale Arbeit nicht nur in Interaktion mit den Patienten, sondern auch gegenüber den Ärzten. Eine Untersuchung in Großbritannien, die sich mit dem Umgang von OP-Schwestern mit den behandelnden Ärzten befasste, ergab eine zusätzliche Herausforderung für das überwiegend weibliche Pflegepersonal (Timmons und Tanner 2005). Denn dieses war neben der Emotionsarbeit mit den Patienten anhaltend bemüht, auch die Chirurgen „froh zu machen“ und „nicht zu enttäuschen“. Es scheint sinnvoll, das sich aus dieser Beziehung zwischen Pflegepersonal und Ärzteschaft ergebende Machtgefälle in diese Überlegungen ebenfalls einzubeziehen.
- 5.
Diese Möglichkeit der Gefühlsregulation soll die von Hochschild benannten und ressourcenaufwendigen Formen durch einen natürlichen Prozess ergänzen, der dann in Gang gebracht wird, wenn sich die gewünschten Gefühle spontan ergeben (Ashforth und Humphrey 1993).
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Unger, A. (2014). Professionelle Pflegedienstleistungen im Spannungsfeld von Emotion, Emotionsarbeit und Effizienz. In: Bornewasser, M., Kriegesmann, B., Zülch, J. (eds) Dienstleistungen im Gesundheitssektor. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02958-6_14
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