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Schrift: „Die Universitäten Deutschlands in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht betrachtet“

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Die Wiener Medizinische Schule im Vormärz
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Zusammenfassung

Wohl weiß es das ganze gebildete Europa, daß, wenn sonst von den deutschen Universitäten die Rede war, und an ihren weit umfassenden Wirkungskreis gedacht wurde, man obenan den Namen Wien erblickte, und nicht ohne den gerechtesten Stolz sah die Nation, wie in der reichgesegneten Hauptstadt Österreichs alles kräftig an ihrer erhabenen Hochschule gedieh und zu einem edlen Ziele strebte. Doch diese glänzende Periode der Wiener Schule ist dahin und man darf es offen bekennen, ohne die Beschuldigung der Übertreibung auf sich zu laden, daß kaum viel mehr als eine trübe Erinnerung, als ein Schatten jener so wohltätig auf die allgemeine Aufklärung einwirkenden Anstalt geblieben ist. Daher ist es ein gerechter Wunsch desjenigen, der in steigender Bildung seiner Nation Ruhm und Befriedigung findet, wenn er der belebenden Hand eines neuen van Swieten entgegenblickt und eine Wahrheit laut bekennt, die vielleicht nicht in der Seele eines jeden den gewünschten Anklang findet. Wir können es uns keineswegs anmaßen, unser Urteil über das ganze wissenschaftliche Gebäude der Universität auszusprechen; wir beschränken uns nur auf die medizinische Fakultät, doch hat aber gerade diese ein so entschiedenes Übergewicht über alle übrigen, daß nur sie allein den Namen der Wiener Universität in das Ausland verbreitet. Sie zählt noch bis diesen Augenblick Männer, die sich durch hohe Wissenschaft und echtes Talent unvergängliches Verdienst erworben, doch sind sie nur einzelne Sterne am trüben Horizonte: sie allein vermögen nicht des Tages Helle auszuströmen, und an ein vereintes, mächtiges Zusammenwirken ist nicht zu denken, da das Interesse der einzelnen zu sehr geteilt und die Hand,

Heidelberg und Leipzig 1828.

1) Hermann Friedrich Kilian (1800 bis 1863), später Professor der Geburtshilfe in Bonn, trat nach Erlangung der Doktorwürde in Edinburg eine Studienreise an, die ihn (1821) nach Paris, Straßburg, München und Wien führte. Die Schrift über die Universitäten Deutschlands wurde 1826 ausgearbeitet, die auf Wien bezüglichen — sehr unliebsam aufgenommenen — Ausführungen des Verfassers stützen sich auf die während des Jahres 1821 empfangenen Eindrücke und wurden nur in manchen Einzelheiten, entsprechend der Publikationszeit, ergänzt.

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  1. Hermann Friedrich Kilian (1800 bis 1863), später Professor der Geburtshilfe in Bonn, trat nach Erlangung der Doktorwürde in Edinburg eine Studienreise an, die ihn (1821) nach Paris, Straßburg, München und Wien führte. Die Schrift über die Universitäten Deutschlands wurde 1826 ausgearbeitet, die auf Wien bezüglichen — sehr unliebsam aufgenommenen — Ausführungen des Verfassers stützen sich auf die während des Jahres 1821 empfangenen Eindrücke und wurden nur in manchen Einzelheiten, entsprechend der Publikationszeit, ergänzt.

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  2. Die Studieneinrichtungskommission, welche in Erkenntnis der bestehenden Mängel bald nach dem Tode des Kaisers Josef eingesetzt worden war, traf manche Veränderungen in der Organisation (Selbständigkeit der Lehrkörper, Entsendung eines Mitgliedes in den Studienkonseß, Aufhebung der Studiendirektorate), führte aber zu genauen amtlichen Instruktionen, an welche die Professoren gebunden waren; dazu gehörte auch, daß sie ihren Vorträgen vorgeschriebene Lehrbücher zugrunde zu legen hatten. 1802 wurden die Studiendirektorate wiederhergestellt. An Störcks Stelle trat 1803 Stifft, der schon kurz vorher als Vizedirektor fungiert hatte. Unter ihm brach, wie Hyrtl sagt, „das goldene Zeitalter der neuen Studienpläne, der amtlichen Verordnungen, Reorganisationen und Instruktionen“ an. 1804 wurde die Studienzeit für Medizin und höhere Chirurgie von vier auf fünf Jahre verlängert, der Besuch des dreijährigen philosophischen Kurses an der Universität zur Bedingung der 7ulassung aufgestellt, die Prüfungsvorschrift verschärft, den Examinatoren größere Strenge zur Pflicht gemacht, ferner wurden öffentliche Semestralprüfungen eingeführt und die Lehrer verwöchentlich mindestens einmal eine halbe Stunde dazu zu verwenden, um sich durch Fragen von den Fortschritten der Studierenden zu überzeugen. An auswärtigen Universitäten graduierte Doktoren mußten zwei Jahre hindurch die Kliniken besuchen und sich dann nochmals den Prüfungen unterwerfen, bevor sie die Praxis ausüben durften. 1810 wurde ein neuer Studienplan herausgegeben. Darnach hatten die Studierenden während des ersten Jahres die Einleitung in das medizinisch-chirurgische Studium und spezielle Naturgeschichte, systematische Anatomie und Botanik, während des zweiten Jahres höhere Anatomie und Physiologie, allgemeine Chemie, Pharmazie und Tierchemie, während des dritten Jahres allgemeine Pathologie und Therapie, Ätiologie, Semiotik, Materia medica et chirurgica, Diätetik und Rezeptierkunst, Geburtshilfe, allgemeine und spezielle Chirurgie, die Lehre von den chirurgischen Verbänden und Instrumenten und Augenheilkunde zu hören, während des vierten und fünften Jahres die Vorlesungen über spezielle Pathologie und Therapie der inneren Krankheiten und die Kliniken zu besuchen und den Vorträgen über Veterinärkunde, gerichtliche Medizin und Medizinalpolizei beizuwohnen. Der niedere Kurs zur Ausbildung von Zivil-und Landwundärzten umfaßte die Einleitung ins chirurgische Studium, theoretische Chirurgie, Anatomie, Physiologie, allgemeine Pathologie und Therapie, Materia medica et chirurgica, Diätetik, Rezeptierkunst und Bandagenlehre im ersten Jahre, die medizinische und chirurgische Klinik, chirurgische Operationslehre, gerichtliche Medizin, Geburtshilfe und Tierarzneikunde im zweiten Studienjahre, der Besuch der geburtshilflichen Klinik und der außerordentlichen Vorlesungen blieb dem Ermessen der Studierenden überlassen. — Wer sich um das medizinische Doktorat bewarb, mußte zunächst zwei Krankengeschichten, welche Fälle betrafen, die er selbst in der Klinik behandelt hatte, vorlegen, und der Präses der Fakultät, der Dekan und sämtliche Professoren gaben ihr Urteil darüber ab. Fiel dasselbe günstig aus, so mußte sich der Kandidat einer Prüfung über Anatomie, Kräuterkunde, Naturgeschichte, allgemeine und spezielle Pathologie der inneren und äußeren Krankheiten, Semiotik und allgemeine Therapie unterziehen, hierauf seine Kenntnisse in der Chemie, gerichtlichen Medizin und Medizinalpolizei, Augenheilkunde, Materia medica, Rezeptierkunst und praktischer Heilkunde darlegen und endlich eine Dissertation verfassen und Thesen verteidigen. Doktoranden der Chirurgie hatten zuerst Prüfungen aus Anatomie, Chemie, Heilmittellehre, Rezeptierkunst, Augenheilkunde, gerichtlicher Medizin, theoretischer und praktischer Chirurgie abzulegen, sodann zwei chirurgische und ophthalmiatische Operationen an der Leiche auszuführen. Wenn Doktoren der Medizin das Doktorat der Chirurgie zu erlangen wünschten oder umgekehrt, so waren Ergänzungsprüfungen abzulegen. Mäßigere Anforderungen wurden an diejenigen gestellt, welche die Würde eines Magisters der Chirurgie, noch geringere an die sogenannten Zivil-und Landwundärzte gestellt. Das Diplom eines Augenarztes wurde auf Grund eines Examens in der Augenheilkunde erteilt, zu welchem aber nur diejenigen zuzulassen waren, die bereits die medizinischen oder chirurgischen Studien absolviert hatten. Die Zahnärzte wurden angehalten, den zweijährigen Kurs für die Landwundärzte zu besuchen, die Klasse der bis dahin bestandenen Bruchärzte wurde abgeschafft. Die Bestimmungen der Studienordnung vom Jahre 1833 räumte der Augenheilkunde, die 1818 ein obligates Fach geworden war, sowohl im Lehrplane wie beiden Prüfungen einen größeren Spielraum ein, außerdem wurde der Kurs der Landwundärzte um ein Jahr verlängert.

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  3. Schon 1791 hatten sich Sallaba und noch zwei andere Bewerber um die Dozentur für „Staatsarzneikunde“ beworben, aber Störck verhinderte es, mit dem Bemerken, „daß dies eine für den Staat schädliche Wissenschaft sei, deren Vorlesungen nur von Enthusiasten besucht werden könnten“. Glücklicherweise wurde diese Ansicht nicht festgehalten. Seit 1801 hielt Ferd. Bernhard Vietz unentgeltliche Vorlesungen über Medizinische Polizei und gerichtliche Medizin, und 1805 wurde ihm die neu geschaffene Lehrkanzel für diese Fächer übertragen. Nach seiner Ernennung zum Direktor der Tierarzneischule wurde Joh. Jos. Bernt, der seit 1808 das Lehramt der Staatsarzneikunde in Prag versehen hatte, 1813 zum Nachfolger bestimmt. Bernt erwarb sich sowohl als Lehrer wie als Forscher und Fachschriftsteller eminente Verdienste. Ihm war der Vorrang zu danken, welche die Wiener Schule auf dem Gebiete der gerichtlichen Medizin behauptete. Er beschränkte sich nicht auf theoretische Vorlesungen, sondern verband den Unterricht mit praktischen Untersuchungen, gerichtsärztlichen Sektionen, verfaßte Lehrbücher der gerichtlichen Medizin und der Staatsarzneikunde, Beiträge zur gerichtlichen Arzneikunde usw. und förderte in ausgezeichneter Weise die öffentliche Gesundheitspflege, namentlich durch die rationelle Bekämpfung der Seuchen (unter Rücksichtnahme auf die persönliche Freiheit und die Interessen des Handelsverkehres).

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  4. Biermayer hatte 1812 die neukreierte Prosektorstelle erhalten, 1816 war ihm Gehaltserhöhung und Pensionsfähigkeit zuerkannt worden, 1821 erfolgte „in Anbetracht seines bisher bezeugten Diensteifers“ seine Ernennung zum außerordentlichen Professor, mit der Berechtigung, öffentliche Vorlesungen zu geben. „Biermayer“, so erzählt Hyrtl, „stand jedoch unter dem Verhängnis, mehr Neigung zum Trunkenbold als zum Professor in sich zu fühlen, weshalb denn 1829 als Vorakt seiner Beseitigung die bedrohliche Warnung erfolgte: daß der Professor der pathologischen Anatomie, wenn ihm Vernachlässigung seiner Obliegenheiten oder sonstige Fehler zuschulden kommen, ohne Anspruch auf Pension gänzlich zu entlassen sei.“ Diese Drohung war nicht imstande, die selbst den Spiritusflaschen des pathologischen Museums gefährlich gewordene Neigung des Professors zu bekämpfen. Er wurde 1831 seines Dienstes enthoben und trank und praktizierte von nun an in der Stadt. Das pathologisch anatomische Museum des Allgemeinen Krankenhauses verdankte Biermayer immerhin einige Bereicherung. Auch wurde auf seinen Vorschlag die pathologische Präparatensammlung des Stabsarztes Dr. Wintersohn um 800 Gulden vom Staate angekauft und dem Museum einerleibt (1822). Von der im Jahre 1828 durch Biermayer begonnenen Herausgabe des Wiener pathologischen Museums (mit Tafeln) sind nur zwei Lieferungen erschienen. Sie enthalten einige sehr merkwürdige Monstra, sonst wenig Pathologisches.

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  5. Seit 1821.

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  6. Die Bezeichnung „höhere Anatomie“ forderte auch späterhin den Spott Hyrtls heraus. — Michael v. Lenhossék wurde 1819 von Pest als Nachfolger Prochaskas nach Wien berufen, wo er bis 1825 tätig war; er verfaßte ein großes Handbuch und ein Lehrbuch der Physiologie, auch machte er sich durch seine Untersuchungen über Leidenschaften und Gemütsaffekte als Ursachen und Heilmittel der Krankheiten (1804) und durch seine Darstellung des menschlichen Gemüts (Wien, 2 Bände, 1824 und 1825) in weiteren Kreisen bekannt. Sein Assistent Jos. Jul. Czermak übernahm 1825 die Lehrkanzel der Physiologie, er gab Beiträge zur Lehre von den Spermatozoen und mehrere Abhandlungen über Fragen der vergleichenden und der pathologischen Anatomie heraus.

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  7. Franz Güntner, späterhin Direktor des Allgemeinen Krankenhauses, hielt seit 1823 diese Vorlesungen.

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  8. Phil. Carl Hartmann, seit 1811 Professor der allgemeinen Pathologie und Therapie, genoß auch auswärts großes Ansehen, er erhielt ehrenvolle Berufungen nach Rußland, nach Bonn und Berlin, wo man ihm die. Direktion der Charité übertragen wollte. Seine Theoria morbi s. Pathologia generalis war eines der berühmtesten Werke der damaligen medizinischen Literatur.

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  9. Leop. Franz Hermann nahm diesen Lehrstuhl seit 1815 ein, er verfaßte ein dreibändiges System der praktischen Arzneimittellehre (Wien 1824–1830); 1833 wurde er Professor der allgemeinen Pathologie und Therapie.

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  10. Joh. Philipp Horn war 1822 aus Graz als Professor der theoretischen Geburtshilfe nach Wien berufen worden; er verfaßte ein recht gut geschriebenes Lehrbuch der Geburtshilfe und eine Reihe von Publikationen über verschiedene geburtshilfliche Themen.

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  11. Joh. Klein war seit 1822 Leiter der geburtshilflichen Klinik. Sein Name hat durch sein Verhältnis zu Semmelweis eine Art von herostratischer Berühmtheit erlangt. Seine Stellung verdankte er wohl mehr angenehmen persönlichen Eigenschaften als den Hoffnungen, die seine wissenschaftliche Tätigkeit erwecken konnten. Neues hat er nichts geschaffen, und trotz 34jähriger Wirksamkeit an der größten deutschen Gebäranstalt blieb er fast gänzlich unbekannt; der Zuzug fremder Ärzte, der in den ersten Jahren nach Böers Rücktritt noch fortdauerte, nahm später von Tag zu Tag ab.

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  12. Michael Mayer war 1800 ohne das mindeste Anrecht — er hatte weder die medizinischen noch die chirurgischen Studien vollendet — Prochaskas Prosektor geworden; er dankte diese Stellung lediglich dem Umstände, daß sein Vater im Hause Störcks Bedienter war. 1810 wurde ihm, als die bisherige Prosektur in eine ordentliche Professur umgewandelt wurde, die Lehrkanzel für Anatomie übergeben, die [er bis zu seinem Tode (1830) inne hatte. Hyrtl (Vergangenheit und Gegenwart des Museums für menschliche Anatomie, Wien 1869) widmet ihm ein ganzes Kapitel. Dort heißt es unter anderem: „Nun folgt ein düsteres Blatt der Geschichte. Es führt den Namen eines Mannes, welcher 30 Jahre seines faulen Lebens auf dem entweihten anatomischen Lehrstuhl versessen hat. Solchem Lehrer, der nur geboren schien, mit der Wucht seines Bauches den Hörsaal zu beengen, hat keiner seiner Schüler, zu welchen auch ich zählen sollte, ein geistiges Vermächtnis zu verdanken. Unwissend und ungebildet, lernte man nichts von ihm, als mit Geringschätzung alle Wissenschaft zu betrachten.… Die Vorlesungen, welche Mayer, der großen Anzahl der eingeschriebenen Schüler wegen, zweimal täglich gegen Remuneration von 1000 Gulden zu geben hatte, dauerten selten über eine Viertelstunde und behandelten, wenn er bei Laune war, im Leberschen Sinne ganz andere Dinge als Anatomie. Sie waren deshalb stark von fremden Gästen besucht, welche sich dieses Mannes Wesen und Lehren einmal näher betrachten wollten. Beide galten in Wien und apud exteros als Kuriosität. Im Grunde ein gutherziger Mann, war er allen gewogen, die sich ihm zu nähern den Mut hatten Da er niemand durch Strenge bei den Prüfungen gefährlich wurde und gewöhnlich andere für den Examinanden reden ließ, war er bei seinen zahlreichen Zuhörern, die nicht viel Besseres zu bewundern hatten, gerade nicht unbeliebt, obwohl sie insgesamt gegen illegale, von Mayer eingeführte Taxen murrten.… Le style c’est l’homme. Mayers Schriften tragen das Gepräge seines geistigen Unwesens an sich. Die merkwürdigste unter ihnen ist eine Anatomie in Fragen und Antworten, Wien 1823, von welcher zum Glück nur der erste Teil erschien. Wissenschaftliche Forschung war ihm nie in den Sinn gekommen, darum blieben auch ihre Resultate aus. Sie sind sicher nicht enthalten in Mayers: „Anatomische Beschreibung des menschlichen Körpers“, welche fünf Auflagen erlebte, oder in seiner „Auseinandersetzung der Verletzungen aller Teile des menschlichen Körpers“, Wien 1821, oder in seiner „Praktischen Anleitungzum Zergliedern“,Wien 1822.… Der schlechte Groschen gilt aber dort, wo er geprägt wurde. 30 Jahre hat man solche Wirtschaft geduldet und belächelt. Als Caligula sein Leibroß zum Bürgermeister Roms machte, war dieses nur die Tat eines verrückten Wüstlings — solche Geschöpfe aber zu Universitätsprofessoren zu ernennen, war ein Verbrechen an der Wissenschaft, am Staate und an der Menschheit. Friede seiner Asche. Er war der dickste und, wenn er durfte, der gröbste Mann in Wien…“

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  13. Stiffts Schwiegersohn, Joh. Nepomuk Raimann, wurde 1818 Val. v. Hildenbrands Nachfolger, sowohl als Professor der speziellen Pathologie und Therapie der inneren Krankheiten wie auch als Direktor des Allgemeinen Krankenhauses, nachdem er vorher den Unterricht der Landwundärzte versehen hatte. Raimann war ein gewissenhafter Lehrer und ein entschiedener Anhänger der exspektativen Therapie, ohne sich wissenschaftlichen Fortschritten zu verschließen (Typhusbehandlung mit kaltem Wasser, Versuche mit einzelnen Arzneistoffen, zum Beispiel Viola odorata als Emeticum, Krotonöl). Auch als Direktor des Krankenhauses hat er eine pflicht getreue Tätigkeit entfaltet (Temperierung der Krankenzimmer, Erbauung eines neuen Bades, Ordnung und Besserung der Finanzverhältnisse). 1821 wurde ihm ein Vizedirektor des Allgemeinen Krankenhauses zur Seite gestellt (Primararzt A. Belleczky), 1829 entsagte er infolge seiner Ernennung zum kaiserlichen Leibarzt der bisherigen Stellungen, fungierte aber 1837 bis 1847 als erster Direktor und Präses der medizinischen Fakultät.

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  14. Anton Rosas war vorher in Padua (nicht in Pavia) Professor. Er reichte zwar als Forscher an die Größe Beers nicht hinan, dqph sind ihm mehrfache Verdienste als Lehrer nicht abzusprechen. In der zeitgenössischen Literatur wird er freilich nur selten erwähnt, wiewohl sein Handbuch formal das vollständigste Werk über Augenheilkunde war. Friedrich Jäger, der Beer während dessen Krankheit und auch nach dessen Tode eineinhalb Jahre lang vertreten hatte, konnte die Lehrkanzel an der Wiener Hochschule nicht erlangen, trotzdem er Rosas gewiß an Wissen und operativer Geschicklichkeit bedeutend überragte und einen Ruf erlangte, der weit über die Grenzen Österreichs hinausreichte.

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  15. Hier liegt eine Verwechslung vor. Josef Scherer war Professor der Anatomie, beziehungsweise Physiologie am Josephinum, hingegen trug Naturgeschichte an der medizinischen Fakultät Johann Andreas Scherer vor, der Bruder des Genannten.

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  16. Das Urteil Kilians über Kern ist eine schwere Verkennung und etwa mit dem Urteil Osianders über Boër auf eine Linie zu stellen. Kern verzichtete 1823 auf die Leitung der chirurgischen Klinik, übte aber noch bis 1825 die Lehrtätigkeit als Professor der theoretischen Chirurgie aus. Jos. Wattmann, vorher Professor in Laibach und Innsbruck, leitete die chirurgische Klinik 1824 bis 1848. Kern hatte schon 1809 in der Schrift „Avis aux chirurgiens pour les engager d’adopter une méthode dans le pansement des blessés“ (deutsch 1810) seine Grundsätze entwickelt, die ihn zum Reformator der Wundbehandlung machten und der damals allgemein herrschenden Vielgeschäftigkeit in der Salben-und Pflasterbehandlung widersprachen. Das größte Gewicht legte er bei Behandlung von Wunden auf die Anwendung von kaltem und warmem Wasser. Mit Entschiedenheit verwarf er das Vollstopfen der Wunde mit Charpie, den Druck zur Entfernung von Eiter usw. Bei Amputationswunden verwarf er den Verband und die Nähte, behandelte den Stumpf offen, machte einige Stunden lang Umschläge mit kaltem Wasser und legte erst später einige Heftpflasterstreifen auf; bei eintretender Eiterung wurde warmes Wasser appliziert. Kerns Hospitalberichte erörtern die Frage der Wundbehandlung ausführlich, andere seiner Schriften betreffen die Steinoperation, die Trepanation usw. Seit 1805 Professor der praktischen Chirurgie, hat sich Vinzenz Kern auch durch Gründung des Operateurinstitutes (1807) ein eminentes Verdienst worben.

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  17. Andreas Wawruch, Joh. Nepomuk Raimanns Nachfolger als Leiter der inneren Klinik für die niedere Kategorie der Wundärzte, wirkte in dieser Stellung 1819 bis 1842, er war eine Zeitlang Assistent Valentin v. Hildenbrands, seit 1812 Professor der allgemeinen Pathologie in Prag gewesen. Wie Reinlein machte er zum Hauptgegenstand seiner Forschungen den Bandwurm und die Behandlung des Bandwurmleidens.

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  18. Johann Wisgrill lehrte seit 1824 philosophische und physikalische Vorkenntnisse für Wundärzte und wurde 1834 ordentlicher Professor und gab einen Leitfaden der Physik für Studierende der Chirurgie heraus.

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  19. Martin Ehrmann, seit 1824 habilitiert, wurde 1827 Extraordinarius.

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  20. Joh. Gottfr. Bremser, ursprünglich Arzt, wurde 1811 Kustos des Naturhistorischen Kabinetts, widmete sich mit besonderem Eifer dem Studium der Eingeweidewürmer und erlangte darin autoritatives Ansehen.

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  21. Die Mängel des Josephinums hatten gebieterisch zu einer Umgestaltung gedrängt. Auf Grund eines Reorganisationsentwurfes, den der oberste Feldarzt Anton Joh. Beinl v. Bienenburg 1816 vorlegte, wurden 1824 neue Einrichtungen getroffen. 1822 war die Anstalt geschlossen und erst im November 1824 neu eröffnet worden. „Ich will, daß die medizinisch-chirurgische Josefs-Akademie noch fernerhin als ein abgesondertes, selbständiges Lehrinstitut fortbestehe und künftig der vollständige Unterricht allda in der Medizin und der Chirurgieso wie an den Universitäten in meinen Staaten erteilt werde“ — befahl Kaiser Franz. Als Studienzeit wurden für den höheren Lehrkurs fünf, für den niederen drei Jahre festgesetzt, dieselbe Vorbildung und Studiengang wie an der Universität vorgeschrieben. Das Josephinum hatte fortan das Recht, sämtliche akademischen Grade zu verleihen, welche die medizinische Fakultät zu vergeben hatte.

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  22. Tatsächlich ging man bei der Besetzung der Lehrkanzeln nicht immer mit der nötigen Sorgfalt vor, auch blieben wichtige Lehrkanzeln aus Sparsamkeit Jahre hindurch unbesetzt.

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  23. Wilh. Jos. Schmitt mußte 1824 wegen Kränklichkeit seine Lehrtätigkeit aufgeben und starb 1827.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Kilians, H.F. (1921). Schrift: „Die Universitäten Deutschlands in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht betrachtet“. In: Die Wiener Medizinische Schule im Vormärz. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-5705-3_5

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