Zusammenfassung
Wie schon vor dem Kapitel unseres Co-Autors Florian Schumacher beschrieben, gibt es zum sogenannten Lifelogging oder Quantified Self fast nur Schwarz-Weiß-Diskussionen. Am Ende ist es jedoch jedem selbst überlassen, ob er sich für diesen Trend erwärmen kann, oder nicht. Und auf den Gestaltungswillen unserer Gesellschaft, die von den positiven Aspekten des Quantified Self profitieren möchte, aber die negativen Auswirkungen, wie etwa den möglichen Verlust der Solidargemeinschaft, verhindern muss. Das Buch lässt als Nächstes Prof. Dr. Stefan Selke zu Wort kommen. Er bildet sozusagen die Antithese zum vorangegangenen Kapitel, formuliert die möglichen negativen Auswirkungen. Diese nicht zu übersehen, stellt eine wesentliche gestalterische Aufgabe unseres Gemeinwesens dar.
Die Originalversion dieses Kapitels wurde revidiert. Für detaillierte Angaben ist ein Erratum verfügbar unter DOI 10.1007/978-3-658-12239-3_18
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Notes
- 1.
Als Goethe, hochbetagt, gefragt wurde, ob der ein glückliches Leben gehabt hatte, antwortete der Dichter: „Ja, ich hatte ein sehr glückliches Leben. Aber ich kann mich an keine einzige glückliche Woche erinnern.“ (zit. n. Baumann 2014: 66).
- 2.
Um Körper anschaulich funktionsfähig zu erhalten, eignen sich neben der digitalen Selbstvermessung selbstverständlich vielfältige Arten der Investition: Pflegende Kosmetika ebenso wie Anti-Aging-Produkte; Sport- und Fitnessprogramme ebenso wie Social-Egg-Freezing.
- 3.
https://www.axa-winterthur.ch/de/privatpersonen/angebote/drive-recorder (letzter Abruf am 18.8.2015)
- 4.
Vgl. „Wirklichkeit“ ist in Wirklichkeit Möglichkeit: eine sich ständig verändernde Konstellation von Gelegenheiten, die eintreten und ausbleiben, ergriffen und nicht ergriffen werden. Wer nur die eine Seite sieht, ist im wörtlichsten Sinn verrückt. Realität ist kein Faktum. Sie ist bestimmt und unbestimmt. Sie legt und fest und bleibt und offen (Seel 2009: 11).
- 5.
Ein Beispiel: Selbst die Messung der Außentemperatur macht nur Sinn, im Hinblick auf soziale Kontexte (z. B. angemessene Kleidung).
- 6.
Das beginnt schon in der Schule: Dort wird versucht, Bildungserfolg auf einer Notenskale von 1 bis 6 abzubilden. Erfolgreiche Schüler nennen Lehrer dann „Einserkandidaten“.
- 7.
Zu der Verwechslung von Thing- und Thinklogging und den Rückschlüssen, die sich daraus ziehen lassen, vgl. meinen Blog Stabile Seitenlage unter http://stefan-selke.tumblr.com/post/124651628034/think-logging
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Selke, S. (2016). Rationale Diskriminierung durch Lifelogging – Die Optimierung des Individuums auf Kosten des Solidargefüges. In: Andelfinger, V., Hänisch, T. (eds) eHealth . Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12239-3_8
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