Zusammenfassung
Sorgen — dieses Tätigkeitswort, das eines der Leitmotive dieses Kongressen darstellt, ist in der ärztlichen Umgangssprache selten zu hören. Eher verwenden wir dieses Wort in einer unpersönlichen Form und sprechen von Vor- oder Nachsorge. Wir diskutieren über Ver-Sorgungskonzepte oder -systeme, in deren Rahmen Patienten be-treut, psychische Krankheiten be-handelt werden. Manchmal ver-helfen wir dem Patienten zu einer sozialen Bei-Hilfe oder verweisen ihn in einer medizinischen Krisensituation an eine Einrichtung, die den altmodischen Namen „ärztliche Nothilfe“ trägt. Vom Helfen, Handeln, Sorgen ist kaum die Rede. Es ist, als wollten wir diese anthropologischen Urworte vor Abnutzung und Wertverfall bewahren, die der häufige Gebrauch eines Sprachsymbols nach sich zieht, als müßten wir uns aber auch selbst schützen vor der Unmittelbarkeit und der pathetischen Herausforderung dieser Begriffe. Durch unscheinbare semantische Manipulationen, durch substantivischen Gebrauch und präpositionelle Beifügungen werden diese Grundworte ärztlicher Praxis verhüllt und in verfremdeter Form zu griffigem Gebrauch freigegeben. Aber mit dieser unscheinbaren Veränderung des sprachlichen Ausdrucks hat sich auch die Bedeutung des ursprünglich Gemeinten unversehens gewandelt. Der hilfsbedürftige Andere, eben noch Subjekt einer auf ihn gerichteten spezifischen Begegnungsbereitschaft, verliert sich als ganze Person und löst sich in objektivierbare Aspekte einzelner Seinsbereiche auf; der Arzt, eben noch vom Anspruch des Anderen in seinem Subjektsein mitbetroffen, entschwindet in die Ferne rationalisierender Distanz.
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Literatur
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Lauter, H. (1984). Sorgen — zur anthropologischen Struktur psychiatrischer Hilfe. In: Rudolf, G.A.E., Tölle, R. (eds) Prävention in der Psychiatrie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-69852-1_2
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