Zusammenfassung
Die naturwissenschaftliche Ausrichtung und das explosionsartig wachsende Wissen haben unser Gesundheitssystem in den letzten 100 Jahren grundlegend verändert. Seine Mitarbeiter sind zu hochqualifizierten Spezialisten geworden, die arbeitsteilig in einem hochdifferenzierten Netz vielfältiger Spezialdisziplinen tätig sind. Inzwischen wird allerdings auch zunehmend deutlich, daß die moderne Medizin für eine Reihe von Problemen keine angemessenen Lösungsansätze bereit hält. So werden die psychosozialen Folgen körperlicher Krankheiten nur selten berücksichtigt. Dies gilt auch für den Bereich der Intimität und Sexualität, der durch eine Vielzahl von Krankheitsbildern und therapeutischen Maßnahmen beeinträchtigt werden kann. Ein 63jähriger Patient mit einem Prostatakarzinom berichtet:
Ich hatte Glück im Unglück, weil bei mir zum Zeitpunkt der Diagnosestellung keine Lymphknoten befallen waren und mir durch eine Radikaloperation geholfen werden konnte. Aber die durch den Eingriff bedingte Impotenz hat mir enorme Probleme bereitet. Ich wurde zwar vor der Operation über diese mögliche Nebenwirkung aufgeklärt, aber damals war ich nur damit beschäftigt, ob ich meine Krebserkrankung überhaupt überleben werde. Erst zu Hause wurde meine Sexualität für mich wiede bedeutsam - aber ich habe mich immer wieder davor gescheut, meinen behandelnden Arzt darauf anzusprechen, ob es Hilfen für mich gibt. Er fragte nie danach, und meine eigene Scham war einfach zu groß
Das Fallbeispiel illustriert die immer noch weit verbreiteten Schwierigkeiten im Umgang mit sexuellen Störungen. Sie werden selten zum Thema eines ärztlichen Gesprächs mit den Betroffenen. Sexualität und insbesondere „sexuelles Versagen“ sind in hohem Maß schäm- und angstbesetzt und hindern die Patienten daran, offen das Bedürfnis nach einer Beratung durch ihren behandelnden Arzt zu äußern. Neben Ängsten und Schamgefühlen seitens der Patienten finden sich aber auch bei Ärzten Schwierigkeiten im Umgang mit der Sexualität ihrer Patien ten. Durch eine zu späte, unzureichende oder ausbleibende Beratung wird jedoch individuelles und familiäres Leid verstärkt und verlängert, werden Störungen verschlimmert und eine Chronifizierung begünstigt.
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Zettl, S., Hartlapp, J. (1997). Sexualität als Thema in der Arzt-Patient-Beziehung. In: Sexualstörungen durch Krankheit und Therapie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-60809-4_3
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