Auszug
Die Postmoderne kennzeichnen laut (1988, S. 73 ff.) zwei Utopien: die umfassende Heilungsfähigkeit des freien Marktes und die technologische Reparierbarkeit der Welt. Die Marktutopie ist bekanntlich das Kerndogma des neoliberalen Theorienkomplexes und räumt einem an ökonomischen Mikroprozessen orientiertem Denken absolute Priorität ein (vgl. u.a. Mises 1922/1932, S. 89 f.). In dem Glauben an die Reparaturfähigkeit verbirgt sich ein geköpfter Rest des Ideals wissenschaftlich-technischer Machbarkeit, das im Grunde der Fortschrittsmotor der Moderne war (vgl. u.a. Dewey 1931/2003, S. 310 f.). Dass der Wissenschaft keine utopische Qualität mehr zugesprochen wird, zeigt an, inwieweit sich in der neoliberal inspirierten Postmoderne die Gewichte zwischen Wissenschaft und Ökonomie verschoben haben. Denn das politische Programm lautet, die Marktwirtschaft auf möglichst viele Lebensbereiche auszudehnen, was im Wissenschaftsbereich intendiert, dass an die Stelle des alten Ideals der umfassenden Aufklärung vermarktbare Informationen treten (vgl. Liessmann 2007, S. 8 f.; Stehr 2007, S. 175 ff.). Diagnosen der fortschreitenden Kommerzialisierung der Wissenschaft oder der „Kapitalisierung des Geistes“ (Liessmann 2007, S. 10; vgl. auch: Weingart 2001, S. 171 ff.) verweisen auf die wirtschaftlichen, organisatorischen und funktionellen Veränderungen im System Wissenschaft. Im Hinblick auf die Wissenschaft und ihr Selbstverständnis ist allerdings auch von Interesse, ob und wie sich die wissenschaftlichen Denkmethoden verändert haben.
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Nordmann, J. (2008). Das Prinzip des Nichtwissens im Jahrhundert der Wissenschaft. In: Butterwegge, C., Lösch, B., Ptak, R. (eds) Neoliberalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90899-1_7
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