Zeitschrift für Phytotherapie 2005; 26(4): 155-156
DOI: 10.1055/s-2005-915652
Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Die »LISTE« - »well established medicinal use«

Fritz Kemper
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Publication Date:
07 December 2006 (online)

Der Beginn des 21. Jahrhunderts hat in der Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger auch auf dem Gesundheitssektor vor allem in der Vorsorge, aber ebenso in der Selbstmedikation einen unverkennbaren Niederschlag gefunden. Daneben steht die klassische Verordnung durch den Arzt sowie bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Empfehlung des Apothekers. Untrennbar damit verbunden sind für Verbraucher und Heilberufe Erwartungen zur Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit solcher Produkte; denen gilt es zu entsprechen.

Die wahrscheinlich Anfang September 2005 in Kraft tretende 14. AMG-Novelle wird auch für den Einsatz von HMP (Herbal Medicinal Products/Phytopharmaka) eine Reihe bedeutsamer Bestimmungen enthalten. Zugrunde liegt die Notwendigkeit, die im April 2004 mit der Richtlinie 2004/24/EG u.a. für die Arzneimittelgruppe der HMP beschlossenen Ergänzungen und Änderungen umzusetzen. In der Novelle werden ebenso wichtige weitere Bestimmungen enthalten sein, z.B. der so genannte »Apotheker-Kompromiss« (Art. 3a SGBV) und eine zeitgemäße Liberalisierung der Arzneimittelwerbung (Heilmittelwerbegesetz).

Erschwert wird die Situation fraglos dadurch, dass das »Gesundheitsmarkt-Angebot« breiter ist denn je und als Folge eingeschränkter Kostenerstattung in der Krankenversicherung sich von Phytopharmaka im klassischen Arzneimittelbereich über Nutriceuticals bis zu Nahrungsergänzungsmitteln oder funktionellen Ernährungsstoffen bewegt - was dies im Einzelnen immer sein mag.

Im Sinne eines guten Verbraucherschutzes erwächst den Heilberufen eine neue, hohe Verantwortung in der Information und - ohne Hybris - in einer Gesundheitserziehung der Verbraucherinnen und Verbraucher, die »Internet-verunsichert« sich an den Arzt, Apotheker oder an Oecotrophologen wenden. Wenn dann noch für Nichtarzneimittel mit Health claims (gesundheitsbezogene Anwendungsgebiete) geworben wird, ist der Verbraucher mit Sicherheit überfordert.

Dieses Szenario im Blick haben Wissenschaftler und Hersteller parallel den Versuch unternommen, das rezente Wissen über wichtige Arzneipflanzen zu sichten, vor allem im Hinblick auf eine Einordnung in die anerkannten Kategorien der »Keller-Pyramide«, die zudem ihren Niederschlag sowohl in der eingangs zitierten Richtlinie 2004/24/EG gefunden haben als auch früheren Regelungen folgen (2001/83/EG). »Well-established medicinal use« ist in diesem Zusammenhang nicht ein mythischer Begriff, sondern spiegelt harte, transparente und nachprüfbare Fakten zu Qualität, Sicherheit und vor allem klinischer Wirksamkeit von HMPs wider.

So ist schließlich in gutem Zusammenwirken zwischen der Gesellschaft für Phytotherapie, der Kooperation Phytopharmaka und dem Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) eine »Liste« entstanden, die - mit besonderem Dank an alle Beteiligten - Teil dieses Editorials ist.

Die fachliche Bewertung der Liste unter den Voraussetzungen der Systematik der Evidence Based Medicine (EBM) hat ergeben, dass im wirksamen Dosisbereich alle aufgeführten Arzneipflanzen grundsätzlich im »well-established medicinal use« - Bereich anzusiedeln sind.

Die Gesellschaft für Phytotherapie ist bereit, mit allen daran Interessierten über die Aufnahme weiterer Arzneipflanzen in die Liste oder Korrekturen zu diskutieren. Dennoch wird es ein wichtiges Anliegen sein und bleiben, das in Deutschland und in Europa auf der Basis der Richtlinie 2001/83/EG entstandene duale System mit den Optionen »well-established medicinal use« und »traditional use« aufrechtzuerhalten.

Gleichmacherei, wie diese in Ansätzen vor allem in der Diskussion in einigen der 25 europäischen Mitgliedsländern erkennbar wird, d.h. alle HMPs unter »traditional use« zu rubrizieren, wird abgelehnt und führt für den Verbraucher zu keinen Vorteilen; zudem entspricht dies nicht den eingangs beschriebenen Zielen einer transparenten und verlässlichen Produkterwartung. Graduelle Unterschiede in den Beurteilungsunterlagen sind ohne Frage vorhanden und müssen sich damit nicht nur im Umfang von Indikationen, sondern eben auch in der Klassifizierung widerspiegeln.

Fritz Kemper

Münster

für die Gesellschaft für Phytotherapie e.V. und mit besonderem Dank an die AG »Klinische Prüfung pflanzlicher Arzneimittel« der Gesellschaft.

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