Aktuelle Ernährungsmedizin 2003; 28(5): 284-291
DOI: 10.1055/s-2003-42512
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Probleme und Möglichkeiten einer „gesunden” Ernährung im Krankenhaus

Problems and Possibilities of a „Healthy” Diet in HospitalS.  Pust1 , S.  Lange1 , M.  J.  Müller1
  • 1Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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Publication Date:
23 September 2003 (online)

Zusammenfassung

In der vorliegenden Untersuchung wurde das Ernährungsverhalten von 173 Patienten im Universitätsklinikum Kiel anhand eines 3-Tage-Ernährungsprotokolles untersucht. Darüber hinaus wurden die Speisepläne für das Mittagessen („Vollkost” und „Leichte Vollkost”) über einen Zeitraum von 7 Wochen berechnet. Das Interesse der Patienten an „gesunder” Ernährung und an einem dem Krankenhausaufenthalt nachgeschalteten Beratungsangebot zu diesem Thema wurde mittels eines Fragebogens erfasst. Die Ernährungserhebung zeigte für Frauen und Männer deutliche Abweichungen von den Empfehlungen der Fachgesellschaften für eine „gesunde” Ernährung. Die Aufnahme von Kohlenhydraten, Ballaststoffen, Vitamin D, Vitamin E, Folsäure, Eisen, Jod und mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist zu gering. Die Abweichungen liegen im Vergleich zu den DACH-Referenzwerten (= 100 %) bei - 26 bis - 59 %. Demgegenüber ist die Aufnahme von Fett, Retinoläquivalente, Vitamin B6, Vitamin B12 und gesättigten Fettsäuren zu hoch (+ 35 bis + 106 %). Der Ernährungsmusterindex zeigt ein Ernährungsverhalten, welches nicht den Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung entspricht (mittlerer Score von 55 - 58,4 auf einer Punkteskala zwischen 0 und 100). Probleme sind ein zu hoher Fleisch- und Wurstverzehr bei einem zu geringen Obst- und Fischkonsum. Die Ernährungsprotokolle belegen, dass die Patienten als Mittagsmahlzeit vorwiegend die „Vollkost” bzw. „Leichte Vollkost” verzehren. Weitere angebotene Wahlmöglichkeiten, wie z. B. eine vegetarische Variante, werden nicht gewählt. Die Berechnung der Kostpläne zeigte für beide Kostformen zum Teil deutliche Abweichungen einzelner Nährstoffe (> ± 25 % gegenüber den DACH-Referenzwerten = 100 %). Folgende Nährstoffe liegen über den Empfehlungen: Retinoläquivalente (+ 102 % „Vollkost”/+ 184 % „Leichte Vollkost”), Vitamin B1 (+ 45 %/+ 38 %), Vitamin B6 (+ 78 %/+ 69 %), Vitamin B12 (+ 144 %/+ 139 %), Vitamin C (+ 55 %/+ 37 %) und gesättigte Fettsäuren (+ 37 %/+ 28 %). Unterhalb der Empfehlungen liegt die Zufuhr von Folsäure (- 38 %/- 37 %) und mehrfach ungesättigten Fettsäuren (- 41 %/- 39 %) sowie Kohlenhydraten (- 26 % „Vollkost”) und Vitamin D (- 64 % „Leichte Vollkost”). Beide Kostformen zeigen ein zu hohes Fleischangebot. Das Angebot an Obst, Rohkost sowie Fisch ist hingegen unzureichend. Eine „gesunde” Ernährung ist für die Mehrzahl der Patienten wichtig oder sehr wichtig. Ebenso ist das Interesse an „gesunder” Ernährung bei den Patienten hoch. Nach eigener Einschätzung ernähren sich 79 % der Männer und 87 % der Frauen immer oder meistens „gesund”. Dementsprechend halten auch nur 23 % der Patienten und 33 % der Patientinnen eine Ernährungsumstellung für notwendig. Auch das Interesse an einem den Klinikaufenthalt „nachgeschalteten” Beratungsangebot ist bei den Patienten mit 32 % (Frauen) bzw. 31 % (Männer) eher gering. Zusammenfassend entspricht das Ernährungsverhalten der Patienten im Universitätsklinikum Kiel nicht den Empfehlungen der Fachgesellschaften für eine „gesunde” Ernährung. Das Speisenangebot „Vollkost” und „Leichte Vollkost” als Mittagsmahlzeit sollte optimiert werden. Eine Optimierung wäre durch Veränderungen der Lebensmittelauswahl und Kostzusammenstellung einfach möglich. Eine dem Klinikaufenthalt „nachgeschaltete” Ernährungsberatung stößt auf ein geringes Interesse bei den Patienten.

Abstract

We have analysed dietary intake of 173 patients of the university hospital Kiel using 3-day dietary records. In addition 2 standard diets („Vollkost” and „Leichte Vollkost”) were analysed over a period of 7 weeks. The patients interest in dietary counselling were evaluated using a questionaire. Dietary records showed significant deviations from reference values. The intake of carbohydrates, fiber, Vitamin D, Vitamin E, folate, iron, iodine and poly-unsaturated fatty acids were too low, ranging between - 26 to - 59 % (reference values = 100 %). Concomitantly the intake of fat, retinol-equivalentes, Vitamin B6, Vitamin B12 and saturated fatty acids were higher than the DACH-reference values (+ 35 to + 106 %). The healthy eating index was low. We observed a high consumption of meat and sausages but fruit and fish intake was low. When compared with the DACH-reference values „Vollkost” and „Leichte Vollkost” showed considerable deviations for some nutrients (≥ 25 % in opposite to the DACH-reference values = 100 %). The intake of retinol-equivalente (+ 102 % „Vollkost”/+ 184 % „Leichte Vollkost”), Vitamin B1 (+ 45 %/+ 38 %), Vitamin B6 (+ 78 %/+ 69 %), Vitamin B12 (+ 144/+ 139 %), Vitamin C (+ 55 %/+ 37 %) and saturated fatty acids (+ 37 %/+ 28 %) were higher than the reference values. The intake for folate (- 38 %/- 37 %), poly-unsaturated fatty acids (- 41 %/- 39 %), carbohydrates (- 26 % „Vollkost”) and Vitamin D (- 64 % „Leichte Vollkost”) were low. Meat intake was high in „Vollkost” as well as in „Leichte Vollkost”. Concomitantly fruit, uncooked vegetarian food and fish was seldom offered. „Healthy” eating had a great significance for male and female patients. They interested in „healthy” eating. 79 % of men and 87 % of women felt that they eat „healthy”. Accordingly only 23 % (males) and 33 % (females) felt that they should improve their nutrition. The interest in nutritional counselling after the hospitalization was very small, and only 32 % or 31 % of male or female patients respectively were interested in nutrition counselling. Taken together dietary intake of male and female patients of the university hospital Kiel showed significant deviations from reference values for „healthy” eating. Two standard diets („Vollkost” and „Leichte Vollkost”) contributed to these deviations and should be optimised. It is easy to improve the two diets. The kitchen of the hospital ought to change the choice of food and the arrangement of meals. Since there is not much interest in counselling this measure does not seem to have a major impact.

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Prof. Dr. M. J. Müller

Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde · Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Düsternbrooker Weg 17

24105 Kiel

Email: mmueller@nutrfoodsc.uni-kiel.de

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