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Erschienen in: Psychotherapie Forum 1-2/2022

Open Access 23.05.2022 | originalarbeit

Zur Bedeutung der begleitenden Arbeit mit den Eltern in einer Kindertherapie. Eine Einzelfallstudie

verfasst von: Gertraud Diem-Wille

Erschienen in: Psychotherapie Forum | Ausgabe 1-2/2022

Zusammenfassung

Die Bedeutung der begleitenden Arbeit mit Eltern bei einer Kindertherapie wird beschrieben. Die Eltern sind das zweite Patientensystem, mit dem ein Therapeut/eine Therapeutin eine stabile Kooperationsbeziehung etablieren muss, um die weitere Therapie des Kindes zu ermöglichen. Wir gehen von der Annahme aus, dass die innere Welt des Kindes mit Repräsentanzen erfüllt ist, die durch Introjektionen der äußeren und inneren Erlebniswelten gebildet werden. Das bedeutet, dass auch die Symptome und Probleme des Kindes in enger Verflochtenheit mit der inneren Welt der Mutter und des Vaters gedacht werden müssen. Es wird beschrieben, wie der Vater und die Mutter Zugang zu eigenen Möglichkeiten in sich fanden, ihr Kind in adäquate Weise zu fördern. Das wurde möglich, nachdem der Vater sich mit seinen ungelösten Konflikten („unresolved conflicts“ Fraiberg 2011) mit seinem Vater auseinandersetzen konnte, die er in seiner Beziehung zu Patrik wiederholte. Die Hypothese der emotionalen Verstrickung zwischen dem Vater und Patrik wird untersucht und der Prozess zu deren Auflösung wird beschrieben.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Bedeutung der begleitenden Arbeit mit Eltern in Kindertherapien

Die psychotherapeutische Arbeit mit Eltern wird zwar in seiner Bedeutung gewürdigt, theoretisch aber wenig beleuchtet (Novick/Novick 2005). 2005 wird das Heft der Kinderanalyse der „Arbeit mit Eltern“ gewidmet (v. Klitzing 2005) und darauf hingewiesen, dass sich die „eher vernachlässigende, ja manchmal sogar abwertende Haltung gegenüber den Eltern“ durch die kinderanalytische Literatur zieht und „viele Falldarstellungen enden mit dem Abbruch der Behandlung durch die Eltern“ (v Klitzing 2005, S. 116). Durch die jahrzehntelange Erfahrung sowohl in Therapien mit Kindern und ihren Eltern als auch in der „psychoanalytischen Babybeobachtung nach Esther Bick“ gibt es reichhaltige Daten über das Entstehen der Beziehung zwischen Eltern und Kind1 (Bick 1968; Sternberg 2005; Datler 2009). Bevor wir auf die Herausforderungen der Arbeit mit den Eltern eingehen, soll die besondere Gratifikation der Arbeit mit Kindern betont werden. In der Einheit von Heilen und Forschen (Freud) stellt die analytische Arbeit mit sehr kleinen Kindern eine Möglichkeit dar, die unbewussten Schichten des frühen kindlichen Denkens zu erforschen; es ist ein Privileg, von den Eltern das Vertrauen geschenkt zu bekommen, mit ihrem Kind zu arbeiten; die pathologischen Konstellationen sind noch nicht so gefestigt wie bei einem Erwachsenen, sodass Veränderungen rascher möglich sind. Die Eltern eines minderjährigen Kindes entscheiden, ob sie für ihr Kind eine Therapie in Anspruch nehmen wollen. Sie sind daher das zweite Patientensystem, mit dem eine Therapeutin eine stabile Kooperationsbeziehung etablieren muss, um die weitere Therapie des Kindes zu ermöglichen. In einigen therapeutischen Richtungen sprechen Therapeut_innen von der „Zusammenarbeit mit den Eltern“, um zu zeigen, dass sie „eine Begegnung auf Augenhöhe“ intendieren und die Eltern nicht „zum Gegenstand“ machen wollen. Sie sind sich dabei gar nicht der Gefahr bewusst, dass sie damit indirekt einen normativen Druck auf die Eltern ausüben, als ob sie nur als Erwachsene wahrgenommen werden, die ihre elterliche Funktion erfüllen sollen. Die große Bedürftigkeit der Eltern, ihre kindlichen archaischen Ängste, die ein Containment und ein Verstehen des Analytikers bedürfen, werden oft missachtet und den Eltern damit eine Zuwendung verweigert.
Wir gehen von der Annahme aus, dass die innere Welt des Kindes mit den Repräsentanzen von Selbst-mit Mutter, Selbst-mit Vater und Selbst-mit Elternpaar Introjektionen der äußeren und inneren Erlebniswelten erfüllt ist. (Winnicott 1958; Andersson-Plaut 1997). Das bedeutet, dass auch die Symptome und Probleme des Kindes in enger Verflochtenheit mit der inneren Welt der Mutter und des Vaters gedacht werden müssen. Fraiberg sprach von den „Geistern im Kinderzimmer“, wenn Eltern ihre unbewussten und unbewältigten Konflikte mit ihren Eltern auf ihre Kinder projizieren, indem sie interaktiv mit dem Baby in Szene gesetzt werden (Fraiberg 2011). Augustin-Forster (2011, S. 7) schreibt im Vorwort „Gleichzeitig hat Fraiberg damit die entscheidende Rolle der projektiven Identifizierung und die generationenübergreifende Dimension der frühen pathologischen Beziehungsmuster illustriert“. Sie ging dabei bis zur Formulierung, „das Kind sei für seine Eltern ein Übertragungsobjekt“. Bei der analytischen Arbeit mit Eltern werden die Anteile der Eltern am Zustandekommen der Probleme zu verstehen und zu reflektieren versucht, um die integrierende Tendenz der beiden Subsysteme zur Entfaltung zu bringen (Bründl et al. 2016).
Beim Gespräch mit den Eltern erhält die Therapeutin Einblick in die Art und Weise, wie die Eltern über ihr Kind sprechen, sowie in die Fähigkeit der Eltern, eine dritte Person als relevante Bezugsperson des Kindes akzeptieren zu können, was v. Klitzing et al. (1999) als „triadische Kompetenz“ bezeichnet. Können die Eltern über ihre Scham, Hilfe zu brauchen, und ihre Versagensängste als Eltern sprechen? Haben sie einen inneren Raum, um mit der Therapeutin über ihr Kind nachzudenken? (Götz 2018) Bei der begleitenden Arbeit mit den Eltern während der Therapie geht es um einen Informationsaustausch, um zu erfahren, wie sich das Kind im Kindergarten/Schule und zu Hause verhält. Den Eltern zu helfen, den Blickwinkel des Kindes einnehmen und so seine Reaktionen verstehen zu können (Sorensen 2005). Ein regelmäßiger Kontakt während der Therapie des Kindes ist deshalb wichtig und ermöglicht den Eltern, sich mit ihren eigenen unbewussten destruktiven Fantasien und Projektionen auf das Kind auseinanderzusetzen- die liebevollen Fantasien sind meist bewusst. Besonders wichtig ist ein gemeinsames Festlegen des Abschlusses der Therapie; es sollte idealerweise im Konsens getroffen werden, und zwar mit einem Zeithorizont (3–6 Monate), der eine Bearbeitung des Abschieds mit dem Kind ermöglicht.

Falldarstellung der Therapie von Patrik und seinen Eltern

In der Beschreibung des Falls geht es darum zu zeigen, wie einerseits versucht wurde, Patriks Probleme, Ängste und Aggressionen zu bearbeitet und gleichzeitig bei den Elterngesprächen die Anteile der Eltern am Zustandekommen der Symptome des Kindes zu verstehen und die Verstrickung zu entwirren. Die Einbeziehung der Eltern und das Besprechen ihrer Konflikte trug wesentlich zum Erfolg der Therapie bei. Die klinischen Beispiele aus den Stunden beziehen sich vorrangig auf diese Themen, der konflikthaften Beziehung mit dem Vater und dessen Bearbeitung.
Ein dreijähriger Knabe, den ich Patrik nenne, wurde auf Empfehlung der Kindergärtnerin von einer Psychologin getestet, da er sowohl im Kindergarten durch sein aggressives Verhalten und Außenseiterposition als auch zu Hause wegen seiner Alpträume, kaum zu managen war. Beim Test wurde seine tiefe Störung sichtbar, sodass die Psychologin dringend eine hochfrequente Spieltherapie empfahl. Seine Eltern vereinbarten mit mir einen Termin. Bei kleinen Kindern vereinbare ich zunächst ein Elterngespräch, um von den Eltern zu hören, welche Probleme das Kind oder sie mit dem Kind haben. Danach schlage ich vor, für das Kind zwei psychotherapeutische Sitzungen zu vereinbaren, um mir ein Bild über seine Probleme machen zu können (Diem-Wille 2009). In den Stunden mit dem Kind versuche ich herauszufinden, ob das Kind einen Leidensdruck hat und von sich aus Hilfe in Anspruch nehmen möchte. Aufgrund dieser Erfahrungen bespreche ich dann mit den Eltern beim zweiten Treffen, ob ich für ihr Kind eine Therapie empfehle. Stimmen die Eltern zu, vereinbaren wir das Setting, die Bezahlung und die Absageregelung sowie meine Urlaube, die ich zeitlich parallel zu den Schulferien organisiere.

Das erste Elterngespräch

Die Eltern sind ein junges, sympathisches Paar, beide um dreißig Jahre, beide berufstätig. Sie beschreiben Patriks Probleme: Er hat Alpträume, Schreianfälle, will nicht mehr in den Kindergarten gehen und hat Probleme, sich von der Mutter zu trennen. Seit der Geburt seiner 1 ½ Jahre jüngeren Schwester leide er unter heftiger Eifersucht. In dem psychologischen Befund und den Testergebnissen der zuweisenden Psychologin, das die Eltern mir überreichen, steht:
Testverhalten: „In Kontakt distanzunsicher; Trennungsängste sind aufgetreten, Machtkämpfe mit der Mutter und der Testleiterin – XX will seine ‚Stärke‘ demonstrieren; es zeigt sich ein massives aggressives Spielverhalten; sadistische Züge sind enthalten. XX befindet sich noch im Kritzelstadium“.
Intelligenzuntersuchung nach Kramer: „104 IQ (IA: Intelligenz in Monaten 46,8; LA: Intelligenz in Monaten: 45) Durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit; seine Schwächen liegen in der geringen und widerwilligen Einsatzbereitschaft; … seine Stärken liegen im räumlich geometrischen Sinn, im kausalen Denken, in der konkreten Urteilsfähigkeit, im Erfassen von praktischen Beziehungen; in der konkreten Kritik- und Kombinationsfähigkeit …“
„Die intellektuelle Leistungsfähigkeit ist trotz der geringen Einsatzbereitschaft durchschnittlich gut. Emotional zeigt sich eine Fixierung auf der anal-sadistischen Phase, die unbedingt in einer Spieltherapie aufgelöst werden soll“. Soweit der psychologische Befund.
Beim ersten Treffen spricht hauptsächlich die Mutter. Der Vater wirkt tief gekränkt, dass sein Sohn überhaupt getestet wurde. Er verteidigt ihn, indem er sagt, Patrik sei beim Test einfach müde gewesen, der Test sei deshalb nicht aussagekräftig. Er fühlt sich ungerecht behandelt. Die Mutter ist mehr mit Patriks emotionalen Einsamkeit in Kontakt, er leidet unter Angstträumen und ist ganz isoliert im Kindergarten.
Diskussion: Die starke Abwehr des Vaters wirft die Frage auf, ob er die Not und den Leidensdruck von seinem Sohn nicht sehen will, und er die Probleme verleugnet. Oder ob er mit Patrik so verstrickt ist, dass er ihm die Hilfe verweigern will? Es folgen zwei Sitzungen mit Patrik.

Assessment mit Patrik

In der ersten Stunde kann sich Patrik nicht von seiner Mutter trennen, sodass sie beide im Spielzimmer sind. Er ist sehr aggressiv, zerschneidet den Spagat und einige Zeichenblätter. Als die Mutter ihn ermahnt, wendet er sich zu ihr und bedroht sie mit der Schere, will ihr Kleid zerschneiden. Er wirft mit Matchbox Autos herum, schreit und weint dann wie ein kleines Kind, sitzt ganz nahe bei der Mutter, lässt sich aber von ihr nicht aufnehmen.
In der zweiten Stunde verabschiedet sich die Mutter, so wie sie es im Kindergarten tut. Patrik zeigt mir, wie es in seiner inneren Welt aussieht, indem er zunächst mit dem Kleber am Blatt herumschmiert und dann in einem immer intensiver werdenden erregenden Spiel allen neuen 12 Buntstifte die Spitze abbricht, dann die Stifte zerbricht und sie herumwirft. Mit grausamer Destruktivität und immer größerer Lust, verwandelt er das Spielzimmer in einen chaotischen Raum, in dem keine Hoffnung auf Verständigung Platz hat. Alle meine Deutungen stacheln ihn immer noch mehr auf, alles zu zerbrechen. Ich fragte mich, was es bedeutet, dass Patrick all die neuen Stifte, die für ihn hergerichtet wurden, zerbrechen und sie wild im Raum herumwerfen muss. Will er mir zeigen, wie es in ihm aussieht? Dass er Stifte nicht zur Kommunikation, sondern nur als zu zerstörende Objekte sieht? Weist das auf eine innere Fragmentierung (Bion 1995) hin, auf eine innere Welt voller zerstörter, toter Objekte? Er zeigt, dass er große Probleme hat und vor allem beim Anlehnen an mich, dass er sich von meinen Worten berührt gefühlt hat und sich Hilfe erwartet, seine innere Welt zu ordnen. Man kann annehmen, dass er seine Hilflosigkeit und Aggression in mich projiziert und mich in so eine ohnmächtige Situation versetzte. Ich musste die Unsicherheit ertragen, nicht zu wissen, was ihn bekümmerte, außer dem Wissen, dass er vor 1 ½ Jahren eine kleine Schwester bekommen hatte. Erst als ich deute, dass er überzeugt sei, dass ich ihn wegschicken würde und ihn nicht mehr sehen wolle, änderte er sein Verhalten plötzlich. Patrick kam zu mir und berührte meine Beine wie zufällig mit seinem Körper. Ich meinte, dass er mir so zeigte, dass er sich verstanden und von meinen Worten berührt gefühlt hatte. Er sah mir tief in die Augen und nickte. Wir wussten beide, wie wichtig es war, beide Seiten zu sehen, seine massive Aggression und Zerstörungswut und seine Sehnsucht nach Geborgensein und einem verstanden werden. Es war wichtig, nichts zu beschwichtigen, sondern ihm zu zeigen, dass ich seine Aggression ertragen und ihm helfen will zu verstehen, was ihn so wütend sein lässt. Wie Bion (1984) sagt, die Suche nach O, der ultimativen Wahrheit, die nie erreichbar ist. Es geht in der Analyse darum, die Lüge von der Wahrheit zu unterschieden und ein erstes Verständnis seiner inneren Welt zu bekommen.

Elterngespräch

Die Eltern stimmen einer zweistündigen Therapie zu, die bald in eine dreistündige Analyse umgewandelt wurde, da sichtbar wird, wie gut er die Analysestunden nützen kann. Der mütterliche Großvater übernimmt es, Patrik zu den Therapiestunden zu bringen, da beide Eltern berufstätig sind. Der Vater ist sehr ambivalent, lässt sich aber von seiner Frau überreden zuzustimmen. Er meint, Patriks Therapie heiße, dass er als Vater versagt habe. Ich versuche mit ihm zu besprechen, wie schwer es ihm fällt, Hilfe für sich und seinen Sohn anzunehmen. Als Antwort erzählt mir der Vater, dass Patrik gesagt habe, ich hätte ihn geohrfeigt und ihm am T‑Shirt gezogen. Die Mutter beschreibt ihre Erziehungsmethode, dass sie ihm nie ein klares Ja oder Nein gibt, oder eine Erklärung, sondern sie ihm sagt, das bekomme er später oder andere Vertröstungen macht, wenn er einen Wutanfall habe. Er lasse sich leicht ablenken, aber dann komme er doch wieder auf seinen ursprünglichen Wunsch zurück. Die disziplinären Fragen regle der Vater, meint die Mutter. Seit der Geburt der Schwester haben die Alpträume begonnen. Sie gehe in der Nacht zu ihm, er sei aber nur zu beruhigen, wenn sie ihn aufwecke und mit ihm spreche. Es ist deutlich, dass sie sehr manipulativ ist und Patrik sich nicht auskennt, oft erlebt hat, dass Versprechungen nicht gehalten werden, nie ein klares Nein und eine Erklärung dazu bekommt.

Beginn der Analyse mit Patrik

Patrik entwickelte sehr rasch eine intensive positive und negative Übertragung. Er erforscht das Therapiezimmer, will alles genau untersuchen. Seine neuen Buntstifte kann er kurz zum Zeichnen verwenden. Als er die vier versperrten Laden in der Kommode entdeckt, fragt er, ob noch drei andere Kinder zu mir kommen. In der nächsten Stunde bringt er eine Menge von Pickerl mit, die er in seiner Lade für die anderen Kinder aufhebt. Im Garten hatte er in der zweiten Stunde zwei Arbeiter gesehen, die Rasen gemäht haben.
P : Hast du zwei Männer? Meine Mama hat gesagt, dass Frau Diem auch ein Mann ist.
A: Du denkst, ich habe zwei Männer, die mir noch ein Baby machen wollen. Vielleicht hast du Angst, dass deine Mama noch ein Baby bekommt und du dir den Platz mit zwei Geschwistern teilen musst, so wie du denkst, ich habe vier Kinder in Therapie.
P : Dann müssen wir uns Windeln von dir ausborgen.
P : (Er zeichnet und tut so, als ob er meine Worte nicht gehört hätte). Hast du den Mist von der letzten Stunde weggeräumt?
Dazwischen fragt er mich, ob ich auch schimpfen kann. Da er sehr orientierungslos schien, zeichnete ich ihm in der ersten Stunde einen Kalender, in dem ich die Tage mit Therapie einzeichnete, und die anderen Tage in einer anderen Farbe. Am Beginn jeder Stunde nahm er den Kalender und hakt den jeweiligen Tag ab.

Diskussion

Patrik zeigt mir, wie in seinem Kopf viele Dinge in Unordnung sind: bin ich ein Mann oder eine Frau? Wie viele (Therapie) Kinder habe ich? Wie viele Männer habe ich? Ganz wichtig war für ihn, die Struktur der Stunden klar visualisiert zu sehen und zu erleben, dass diese ganz verlässlich stattfinden. Sein Großvater brachte ihn pünktlich und holte ihn rechtzeitig ab.

Elterngespräch nach 6 Wochen

Beide Eltern kommen pünktlich. Mutter: „ Alles ist viel besser geworden“, sagen sie.
Vater: Patrik hat keine Wutanfälle mehr.
Mutter: Er kann jetzt über seine Gefühle sprechen, seine Wünsche klar ausdrücken, sagen, wenn er traurig, wütend oder enttäuscht ist. (Sehr gerührt) Gestern ist er spontan zu mir gekommen, hat mich umarmt und gesagt: „Mami, ich habe dich lieb!“ Das hat er noch nie gesagt, ich habe ihn fest an mich gedrückt und war glücklich. Wir besprechen, wie wichtig es ist, Patrik die Wahrheit zu sagen und seine Enttäuschung oder Freude auszuhalten. Die Mutter ergänzt, dass sie das schon probiert habe und ganz überrascht war, dass er auf ein Nein nicht mit einem Wutanfall regierte, sondern fragte „Warum geht es nicht?“ Sie konnte es ihm erklären und sie fanden gemeinsam eine Lösung. Er gehe nun ohne Probleme in den Kindergarten und könne sich von der Mutter trennen. Die Eltern stimmen einer Erhöhung der Frequenz auf drei Stunden pro Woche zu.

Diskussion

Durch die klare Struktur der Woche an zwei aufeinander folgenden Tagen mit Therapie und fünf Tagen ohne Therapie konnte sich Patrik orientieren. Er erlebte, dass ich auf ihn wartete und ihm meine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Er sah, dass das Spielzimmer wieder aufgeräumt war und nahm an, ich räume die Unordnung weg oder schiebe sie so weg, wie er es tut. Meine Deutungen konnte er überraschend gut aufnehmen und seine Eifersucht meinen Männern und Therapiekindern gegenüber zeigen.

Weiterer Verlauf der Analyse

Die Osterpause stellte ein großes Problem für ihn dar, es ist „wie sterben“, sagte er und rollte sich auf der Couch wie ein sterbendes Tier zusammen. Er bringt Bücher von sich zu Hause mit, die ich mit einem Stempel versehen soll. Meine Deutung, dass er etwas von mir bei sich haben will, wenn er mich in den zwei Wochen Osterpause nicht erreichen kann, stimmt er zu. Fürsorglich packt er die gestempelten Bücher ein. Dazwischen tritt er mich zwei Mal gegen die Schienbeine, was ich aus Ausdruck seiner Wut verstehe, so lange weg zu sein, was er akzeptiert. Als ich ihm sage, dass er jetzt drei Mal pro Woche kommen kann, putzt er alle drei Fenster mit einem nassen Papierhandtuch. Ich sage, er will mir zeigen, dass er ganz brav sein und unseren Raum schön machen will. In der ersten Stunde nach der Osterpause brüllt er mich als ungeduldiger Vater immer wieder an, ich bin zu langsam, langsam, wie eine Schnecke. Er beschimpft mich, wie deppert ich bin. Als ich ihm sage, wie er wütend ist, weil die Zeit ohne Stunden ihm so endlos erschienen und die Zeit so langsam vergangen ist, ändert sich seine Stimmung. Er spitzt alle Buntstifte und packt den Müll sorgfältig als Geschenk in ein Papier, das er nach Hause mitnehmen will. Er wünscht sich neue Ölkreiden und beginnt, Bäume und Personen zu zeichnen.
In den folgenden Stunden bittet er mich, etwas zu zeichnen, dazwischen brüllt er mich als langsames Kind immer wieder an, bekommt einen roten Kopf und beschimpft mich. Wenn ich in der Rolle des dummen Kindes sage, ich weiß nicht, wie man das zeichnet, wird er wütend und dann ganz verzweifelt und todunglücklich. In der Gegenübertragung spüre ich, wie mächtig ich bin, in der Rolle als langsames Kind den starken Vater bis zur Weißglut reizen zu können – und erschrecke bei diesem heftigen Gefühl.

Diskussion

Immer wieder zeigt mir Patrik, wie er den Vater ohnmächtig und wütend machen kann, wie er und der Vater in einer intensiven quälenden Beziehung verstrickt sind. Die Mutter versucht sich draußen zu halten, indem sie disziplinäre Fragen an den Vater delegiert. Ich frage mich, wie er es schafft, den Vater zu diesen Wutausbrüchen bringen zu können.

Elterngespräch

Bei den beiden nächsten Elterngesprächen standen die Kindheitserinnerungen des Vaters an seinen Vater im Mittelpunkt. Der Vater, der zu Beginn so skeptisch bis ablehnend der Therapie seines Sohnes gegenübergestanden war, wollte nun genau wissen, wie die Spieltherapie funktioniert. Er hatte vergeblich versucht, Patrik durch Schreien, Demütigen und Schlägen zur Vernunft zu bringen, ihn zu zwingen, kooperativ zu sein. Nun staunte er über die rasche Veränderung von Patrik. Ich versuche dem Vater zu erklären, wie das Kind im Spiel seine Konflikte und Probleme ausdrückt und wir diese deuten. Ich frage ihn, wie seine Beziehung zu seinem Vater war. Die Mutter scheint sehr froh zu sein, dass der Vater nun mehr Interesse an der Therapie zeigt.
Dem Vater fällt es schwer darüber zu sprechen: Seine Eltern hatten beide ein Geschäft und bis zum späten Abend keine Zeit für ihn und seine Schwester. Er musste mit fünf Jahren auf sich und seine kleine Schwester aufpassen. Er will sich gar nicht an die Vergangenheit erinnern, weil sie so schrecklich ist. „Es ist eine Hassliebe, zwischen mir und meinem Vater“, sagt er. „Jetzt habe ich keinen Kontakt zu ihm“. Er möchte auf alle Fälle vermeiden, dass seine Beziehung zu Patrik so sei, wie zu seinem Vater. Nach einer nachdenklichen Phase meint er, ob er nicht schon am besten Weg sei, so eine Hass-Beziehung zu entwickeln. Er werde von Patrik zur Weißglut gereizt, dass er so wütend werden, dass er ihn wüst beschimpft. Beim nächsten Elterngespräch meint der Vater, dass er viel über sich und Patrik nachgedacht habe. Er habe nach unserem letzten Gespräch beschlossen, alle disziplinären Aufgaben seiner Frau zu überlassen, was sich sehr bewährt habe. Er habe nun mehr Zeit, mit den Kindern zu spielen. Wenn sie Bauchweh hätten, habe er Patrik den Bauch massiert, was gut geholfen habe. „Als ich dann Bauchweh hatte, ist Patrik gekommen, und hat meinen Bauch liebevoll massiert. Wenn meine Frau K. (die kleine Schwester) zu Bett bringt, kuschelt sich Patrik an mich, wenn ich ihm eine Geschichte vorlese – etwas was ich nie bei meinem Vater gemacht habe“, sagt er sichtlich bewegt.

Diskussion

Sobald es dem Vater gelingt, sich aus der Verstrickung zurückzuziehen, erlebt er, wie gerne Patrik zärtlich seine Nähe sucht. Er erkennt, dass er am besten Weg war, mit seinem Sohn dieselbe Situation wie mit seinem Vater zu wiederholen.

Patrik in Analyse

In den folgenden Wochen zeigt mir Patrik in Rollenspielen, wie er seine Beziehung zum Vater erlebt. Er ist der strenge, wütende, brüllende unkontrollierbare Vater und ich bin der dumme „Scheiß-Patrik“. Er verhöhnt mich „Scheiß-Patrik hat sich angeschissen“ und lacht dabei höhnisch. Dann wechselt er die Rollen, ich bin der Vater, der ihn anbrüllt; ich soll ihm die Windel wechseln und ihn dabei fest auf den Popo hauen. Als ich es nur andeutungsweise tue, schreit er: „Fester, fester“, dann nimmt er seine Hand und schlägt sich selbst auf den Popo: „So macht man das“, er ist vor Aufregung und Lust ganz rot im Gesicht, es ist ein richtiger Höhepunkt. „Du willst, dass ich und du so aufgeregt sind, wie du und dein Papa.“ Ich sage ihm, dass er mir zeigt, wie er seinen Vater dazu bringt, ganz wütend auf ihn zu sein und ihn fest zu schlagen. Er nickt und sagt: „Ja, so geht das“.
Trennungen sind für Patrik schwer zu ertragen. Vor einem Feiertag, bei dem eine seiner drei Stunden ausfällt, fragt er: „Warum gibt es Feiertage?“ Ich verstehe, dass er diese Stunde sehr vermisst und auf mich böse ist. Da kommt er nahe zu mir und greift mir wie ein Lover auf den Popo, nicht zärtlich, sondern Besitz ergreifend. Ich sage ihm, dass er einen Groll gegen mich hegt und er mir zeigen will, dass er mich ganz für sich haben will. Als er mich beim Weggehen auf der Straße sieht, schimpft er mit mir. Nach dem Feiertag kommt er traurig, sagt, ihm sei kalt, geht aufs Klo. Als ich sage, dass er denkt, ich bin böse auf ihn, weil er mich in der letzten Stunde nicht weggehen lassen wollte und mich beschimpft hat, zeichnet er eine hohe Mauer, auf der er mich zeichnet, dann falle ich herunter. Er sagt: „Jetzt fällst du runter und bist tot und dein Scheißmann auch!“ Als ich verstehe, wie eifersüchtig er auf meinen Mann ist, von dem er denkt, dass ich das lange Wochenende mit ihm verbracht habe, kommt er zu mir und legt seinen Kopf auf meinen Schoß. Er wechselt das Thema: Wir sind Eltern und haben Katzenbabys, die wir im Haus liebevoll versorgen. Er baut unter dem Tisch eine Wohnung für uns und die Katzenbabys.
P : „Du bist das Katzenbaby, das sich die Pfote verbrannt hat“, sagt er. „Ich bin der große, starke Hund, der dich nach Hause bringt“.
A: Was soll ich machen?
P : Du bist ganz klein und kannst nur leise Miau machen. (Er nimmt mich zart bei der Hand und bringt mich in unser Haus – unter dem Tisch.) Du musst jetzt schlafen, bis du wieder gesund bist. (Ganz fürsorglich deckt er mich zu.).
Beim Weggehen sagt er: Morgen spielen wir weiter! Am nächsten Tag spielt er weiter, als ob er vor einer Minute gegangen wäre. Er fragt mich, ob ich mich noch erinnern kann, wie es geht. Ich sage, dass er herausfinden will, ob ich ihn auch über Nacht in meinen Gedanken gehabt habe und ich mich an unser Spiel erinnern kann. Er ist zunächst das Katzenbaby, das ins Spital muss. Er wird jedoch von großer Angst überfallen, die er über eine Körperausscheidung herausbringen muss. Er geht aufs Klo, macht Kaka und ruft mich, um ihn abzuwischen. Zurück im Spielzimmer will er ein Haus bauen, es wird aber ein See, in dem er Fische fängt, drei Mal fischt er kleine Fische.
Ich verbinde die kleinen Fische mit seinen drei Stunden und mit Babys, die er mit mir machen will. Zunächst macht er weiter, dann wird er aber von seiner Eifersucht überwältigt, wird aggressiv und wirft sie weg.
Diskussion: Patrik und sein Vater sind durch Grausamkeit und Scham eng miteinander verbunden. Als weiteres Motiv tauchen ödipale Elemente auf, sein Wunsch, auch Kinder bekommen zu können.

Elterngespräch

Der Vater ist beeindruckt, wie Patrik seine Gefühle ausdrücken kann, als er wegen einer Magenverstimmung nicht in den geliebten Zirkus mitgehen kann und nur die Mutter mit der kleinen Schwester geht. „Ich bin traurig und enttäuscht, weil ich nicht in den Zirkus mitgehen kann“, sagt er. Der Vater berichtet, dass er nicht nur Patrik beobachtet, sondern auch sein eigenes Verhalten. Es fällt ihm auf, wie schwer es ihm fällt, Patrik beim Spielen auch einmal gewinnen zu lassen. Ich kommentiere, dass er Patrik oft wie einen Bruder und nicht wie einen Sohn behandelt. Er begreift auf einmal, wie gerne er als Kind mit seinem Vater gespielt hätte und gewinnen hätte wollen – was er nie konnte. Er wurde damals auch so wütend wie Patrik. Der Vater ist gerührt, dass er jetzt im Spiel der Kinder einen Platz bekommen hat: er ist entweder der Postbote, der Pakete bringt oder ein Helfer, der Dinge repariert. Vater erzählt die Szene, als sie Patrik zur Strafe hinauf auf sein Zimmer schickten. Patrik habe freundlich zu seiner Schwester gesagt, ob sie jetzt oben mit ihm spielen wolle, was sie gerne tat. Sie gingen dann wie ein Liebespaar – wie die Eltern sagten – ins Kinderzimmer nach oben und blieben dort mehr als eine Stunde und die Eltern fühlten sich ausgeschlossen. Nach zwei Jahren Analyse zeichnet und malt Patrik gerne, kann Buchstaben lesen und bis 100 zählen, will auch einmal so ein großer Mann wie sein Vater werden.
In den Elterngesprächen versuche ich, den Eltern die Art und Weise verständlich zu machen, wie kleine Kinder im magischen Denken gefangen, die Welt erleben. Anhand von konkreten Anlässen, die der Vater erzählt, versuchen wir gemeinsam zu verstehen, was in Patrik vorgeht. So erzählte der Vater, dass Patrik wieder ohne Grund einen Schreianfall bekommen hätte und nicht zu beruhigen gewesen sei. Ich meine, dass wir oft als Erwachsene die Ursache von Bedrohungen oder Schwierigkeiten übersehen und wir ganz genau hinschauen müssen, um zu verstehen. Ich bitte dann den Vater, mir zu erzählen, was genau geschehen sei. Vater sagt: „Wir waren alle gemeinsam im Wohnzimmer als meine Frau beschlossen habe, kurz zur Nachbarin durch den Garten hinüberzugehen. Als ich hinter meiner Frau die Terrassentüre verschlossen habe, wurde Patrik ganz aufgeregt und habe gefleht, die Türe offen zu lassen. Da es draußen aber Minusgrade hatte, bestand ich auf dem Schließen der Türe. Patrik hat versucht, sie aufzumachen, konnte es nicht und wurde immer verzweifelter, bis ich wütend wurde und ihn bestrafte“. Er verstehe Patriks Verhalten nicht. Nun lade ich den Vater ein, nachzudenken, was im Kopf von Patrik vorgegangen seine könnte. Der Vater wird nachdenklich und meint, dass er vielleicht gedacht habe, die Mutter könne nun nicht mehr hereinkommen, da man von außen nicht aufmachen kann. Jetzt fällt ihm auch ein, dass Patrik immer wieder „Mami, Mami“ geweint hätte. Ich schlage dem Vater vor, Patrik beim nächsten Mal durch eine Beschreibung der Situation zu helfen zu verstehen, dass die Mutter bald zurückkommen und er dann für sie die Türe öffnen und sie hereinlassen werde. Als die Eltern nach 1 ½ Jahren über das Ende der Therapie sprechen, äußert die Mutter die Angst, es ihm zu sagen. Ich betone, wie wichtig es ist, ihn vorzubereiten und ihm Zeit für die Bearbeitung der Trennung zu geben. Die Mutter entschließt sich, offen mit ihm zu sprechen.

Ende der Analyse

Am nächsten Tag kommt Patrik, der vom Großvater gebracht wird, und sagte, dass er gestern so stark geweint habe. „Du hast gesagt, ich habe schon genug gelernt“, sagt er vorwurfsvoll. Ich sage ihm, dass er wohl so böse auf mich ist, weil ich ihn gehen lasse, obwohl er noch so gerne bleiben will.
Patrik: Ich möchte, dass jede Stunde zwei Stunden dauert.
A: Du möchtest die Stunden verdoppeln, weil es noch so viel gibt, was du mir zeigen willst und wir gemeinsam ordnen sollen.
Diskussion: Der Abschied ist sehr schmerzlich, wir werden beide traurig. In den letzten Stunden vor Ostern will er meine drei Fenster mit Ostereiern schmücken, als ob er nicht wüsste, dass er nach Ostern nicht mehr zu mir kommen kann. Als er mich fragt, was ich mit seinen Spielsachen mache, erkläre ich ihm, dass ich sie in einer Box aufbewahre. Er fragt, ob wir das gemeinsam machen können, was ich bejahe. Ganz geschickt räumt er die Box ein und schreibt auf den Deckel seinen Vornamen und meint, wenn er wiederkommt.

Abschließende Bemerkungen

Die Hypothese, dass Patrik und sein Vater in einer engen, quälenden, erregenden Beziehung verstrickt waren, hat sich im Spiel eindrucksvoll gezeigt. Auf die Frage im Rollenspiel, wo denn die Mutter sei, antwortete Patrik: „Die ist tot“. Es gab emotional vor allem die enge Beziehung zum Vater, bei der Patrik den Ton angab, und er den Vater bis zur Weißglut reizen konnte. Der Vater, der zunächst so skeptisch gegen eine Therapie seines Sohnes gewesen war, erlebte die große Entlastung, wenn Patrik seine Probleme in die Stunde brachte und zu Hause die Wutanfälle und Alpträume abrupt verschwanden. Statt in Alpträumen wurde seine Eifersucht, Neid und Konkurrenz lebhaft in den Analysestunden in Szene gesetzt und konnten benannt und geordnet werden. Rasch entwickelte Patrik mehr Selbstvertrauen und konnte seine Gefühle mit Worten statt mit Destruktivität ausdrücken und sich verstanden fühlen. Es war sehr wichtig, dass der Vater beschloss, sich von den Disziplinierungsaufgaben zurückzuziehen und zu erkennen, wie er unbewusst genau dieselbe unglücklichen Hass-Liebes-Beziehung wie zu seinem Vater eingegangen war.

Folgerungen aus den Erfahrungen der Arbeit mit Patrik und seinen Eltern

Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit den Eltern aufgrund der Erfahrungen der Arbeit mit dem drei und vierjährigen Patrik gestaltet werden können, um das Kind und die Eltern in ihrer Entwicklung zu unterstützen, können vier Punkte genannt werden:
1.
Beginn der Gespräche mit den Eltern parallel zum Beginn der Analyse mit dem Kind und nicht – wie etwa Rosenbaum (2005, S. 137) postuliert – nach einer monatelangen sorgfältigen Abklärung mit den Eltern bis sie „sich der Individualität des Kindes und seiner von den ihren abweichenden Bedürfnissen bewusstwerden“ (Rosenbaum 2005, S. 137). Der Leidensdruck der Familie ist so groß, dass rasch eine Therapie angeboten werden soll.
 
2.
Verständnis der Eltern als zweites Patientensystem, das eine Verantwortung für die Entwicklung der Eltern inkludiert und so eine „Tendenz zur Rivalität mit den Eltern“ als bessere Mutter/Vater entgegenwirkt. Im Zentrum steht das Erforschen der unbewussten Verstrickung der emotionalen Beziehung zwischen Eltern und Kind. Wichtig ist auch die Einbeziehung der Väter. (Garstick 2013)
 
3.
Wenn die Eltern (wie die von Patrik) die Anregung, selbst eine Therapie zu machen, nicht aufgreifen, sind regelmäßige Elterngespräche wichtig, bei der es um die Entwicklung einer „triadischen Kompetenz“ geht.
 
4.
Besonderes Augenmerk soll in der Selbstreflexion der Therapeutin auf die Gefahr einer Spaltung gelegt werden, in der meist unbewussten Vorstellung einer „guten analytischen Mutter“ und versagender, manipulativen Mutter entstehen können. Wie in den Vignetten der Stunden mit Patrik gezeigt wurde, ist es von zentraler Bedeutung, auch die negative Übertragung zu sehen und zu deuten, um eine Spaltung in idealisierte Analytikerin und böse Eltern zu vermeiden.
 
Abschließend soll noch einmal betont werden, dass jede Analyse und Therapie die Berücksichtigung der einmaligen, unterschiedliche Familiensituation erfordert. Wir müssen arbeiten „mit dem, was wir haben“.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

G. Diem-Wille gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Ethische Standards

Die Deklaration von Helsinki in Bezug auf die Verarbeitung von patient_innenbezogenen Daten wurde eingehalten, die Daten anonymisiert und das Einverständnis der Patient_innen eingeholt.
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Fußnoten
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Bei der psychoanalytischen Säuglingsbeobachtung „Infant Observation“ nach Esther Bick beobachtet jeweils ein_e Student_in eine Familie in ihrem Alltag in ihrer Wohnung. Die Interaktionen der Eltern und anderen Bezugspersonen zum Neugeborenen und Kind bis zum Ende des ersten oder zweiten Lebensjahres werden wöchentlich eine Stunde lang beobachtet. Danach wird ein beschreibendes Beobachtungsprotokoll (ohne Hypothesen oder theoretische Bezüge) erstellt, das dann in einer wöchentlichen Gruppe (4–5 Studierende) besprochen und analysiert wird und so gemeinsam die unterschiedliche Entwicklung der fünf Kinder miterlebt werden kann. In der Gruppe unter der Leitung einer/eines Analytiker_in werden behutsam Hypothesen über die entstehenden Beziehungen zwischen Kind und den primären Bezugspersonen formuliert, die bei der nächsten Präsentation der Beobachtung des Kindes in seiner Familie überprüft und weiterentwickelt werden. Nach Ablauf der ein- oder zweijährigen Beobachtung sehen die Teilnehmer_innen fünf verschiedene kleine Persönlichkeiten.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Zur Bedeutung der begleitenden Arbeit mit den Eltern in einer Kindertherapie. Eine Einzelfallstudie
verfasst von
Gertraud Diem-Wille
Publikationsdatum
23.05.2022
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Psychotherapie Forum / Ausgabe 1-2/2022
Print ISSN: 0943-1950
Elektronische ISSN: 1613-7604
DOI
https://doi.org/10.1007/s00729-022-00198-5

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