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Zahnarzt

23.01.2023 | Zahnmedizin

Augmentationsmethoden kompakt

verfasst von: J. G. Werny, K. Saghebund E. Schiegnitz

Hartsubstanzdefekte im Kiefer können präimplantologisch mithilfe verschiedener Augmentationstechniken behoben werden. Um Misserfolge bei der Augmentation zu vermeiden, muss die Wahl der anzuwendenden Technik in Anhängigkeit vom Knochendefekt sowie unter Kenntnis der technikeigenen Vor- und Nachteile erfolgen.

Fragebogen für ZFP-Punkte:

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Implantate sind eine sehr gute Therapieoption für Patienten mit einem oder mehreren fehlenden Zähnen. Die Langzeitüberlebensrate für Einzelzahnimplantate und Brücken ist sehr gut. Bei Hartsubstanzdefekten im Kiefer kann es dazu kommen, dass eine Implantation nicht direkt möglich ist. Bei diesen Patienten mit knöchernen Defekten kann eine präimplantologische Knochenaugmentation erfolgen.

Indikation

Eine präimplantologische Augmentation ist indiziert, wenn

- nicht genügend Knochen vorhanden ist, um ein ausreichend stabiles Implantat zu inserieren,

- sich die Prognose des inserierten Implantats dadurch deutlich verbessert oder

- die Ästhetik ohne eine Augmentation stark eingeschränkt ist.

Voraussetzungen für ein langlebiges und ästhetisch ansprechendes Implantat sind knöcherne Distanzen von mindestens 1,5 mm zum Nachbarzahn, mindestens 3 mm zu einem benachbarten Implantat und mindestens 2 mm bis zur vestibulären Knochenoberfläche.

Verschiedene Inlay-Techniken

Die augmentativen Inlay-Techniken umfassen die Bone-Split-Technik, die Distraktionsosteogenese und die Sandwich-Technik.

Bei diesen Augmentationsverfahren wird die Kontinuität des Knochens teilweise bis komplett unterbrochen. Durch Raumschaffung, die mithilfe von Schrauben, dynamischen Distraktoren oder Implantaten erreicht wird, entsteht ein geschützter Bereich, der aus mindestens zwei Richtungen heilen und verknöchern kann.

Merke: Der mithilfe der Inlay-Techniken geschaffene Raum kann mindestens bidirektional heilen und veknöchern.

Bone-Split-Technik

Es erfolgt ausschließlich eine transversale Verbreiterung des Alveolarfortsatzes durch eine lamelläre sagittale Spaltung. Aus diesem Grund eignet sich diese Technik besonders bei Patienten mit einer ausreichenden Alveolarkammhöhe und einer defizitären Alveolarkammbreite. Mindestens notwendig ist eine Alveolarkammbreite von 2 mm. Ein Vorteil dieser Technik ist, dass die Implantation simultan zur Augmentation stattfinden kann.

Distraktionsosteogenese

Mithilfe der Distraktionsosteogenese können vertikale Knochendefekte kompensiert werden. Ilizarov beschrieb, dass die Distraktion in der axialen Richtung nach transversaler Durchtrennung des Knochens möglich ist und zu einer nachträglichen Knochenneubildung führt. Um den Knochen kontinuierlich zu dehnen, ist ein dynamischer Distraktor erforderlich. Nach der erfolgreichen Distraktion muss dieser entfernt werden. Die Knochenneubildung erfolgt nach demselben Prinzip wie die Knochenheilung bei einer Fraktur. Zu den häufigsten Komplikationen bei der Distraktionsosteogenese des Alveolarkamms zählen die Fehlstellung oder Resorption des distrahierten Segments, die Fraktur des Distraktors oder des basalen Knochens und lokale Infektionen.

Sandwich Technik

Die Sandwich Technik stellt eine Modifikation der Distraktionsosteogenese dar. Die Knochenfragmente werden mithilfe von Osteosyntheseplatten oder Implantaten fixiert, statt sie durch dynamische Distraktoren voneinander zu entfernen.

Der entstandene Raum zwischen den Knochensegmenten wird mit Knochenersatzmaterial (KEM) und/oder autogenem Knochen aufgefüllt. Ein Vorteil dieser Technik ist, dass bei der Operation simultan Implantate inseriert werden können. Die Komplikationen entsprechen denen bei der Distraktionsosteogenese.

Onlay-Techniken

Zu den Onlay-Techniken zählen die Block-Onlay- und partikulären Onlay-Techniken. Sie unterscheiden sich in der Applikationsform des KEM und/oder autogenen Knochens. Das partikuläre KEM kann allogenen, xenogenen oder synthetischen Ursprungs sein. Zusätzlich kann auf autogenen Knochen zurückgegriffen werden. Häufig wird eine Kombination aus unterschiedlichen KEM und autogenem Knochen appliziert. Die Block-Onlay-Technik wird mithilfe eines autogenen oder allogenen Knochenblocks durchgeführt.

Block-Onlay-Technik

Die autogenen Knochenblöcke stammen aus dem R. mandibulae, der Schädelkalotte oder dem Beckenkamm und stellten für viele Jahre den Goldstandard bei oralen Augmentationsverfahren dar. Die Resorptionsraten der autogenen Knochenblöcke unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Entnahmeort. Knochenblöcke vom Beckenkamm weisen mit 12 bis 60 Prozent die höchste Resorptionsrate auf; vergleichsweise beträgt die Resorptionsrate der Schädelkalotte nur 0 bis 12 Prozent. Zahlreiche Studien zeigten, dass Implantate, die in mithilfe einer Blockaugmentation aufgebautem Knochen inseriert werden, eine Überlebensrate von mehr als 90 Prozent haben.

Neben der hohen Resorptionsrate des autogenen Knochenblocks ist als weiterer Nachteil die hohe Entnahmemorbidität in der entsprechenden Spenderregion zu nennen. Zudem ist, wie bei allen anderen Augmentationsverfahren, bei Eintreten von Wundheilungsstörungen ein Totalverlust des Augmentats möglich.

Cave: Nachteile autogener Knochenblöcke sind hohe Resorptionsraten und hohe Entnahmemorbidität in der Spenderregion.

Partikuläre Onlay-Techniken

Als partikuläre Onlay-Techniken gelten unter anderem die Guided Bone Regeneration (GBR), die Titan-Mesh-Technik, die Schalentechnik und die Umbrella-Technik. All diese Techniken funktionieren nach demselben Prinzip: Es wird ein geschützter, stabiler Raum geschaffen, der mit KEM und/oder autogenem Knochen aufgefüllt wird (Abb. 1a, 2b, 3b, 4b). Diese Augmentationstechniken können sowohl ein- als auch zweizeitig durchgeführt werden. Die Aufgabe der raumschaffenden Elemente ist es, Stabilität zu ermöglichen, damit die Angiogenese und Knochenneubildung erfolgreich verlaufen können. Außerdem dienen sie dazu, dem augmentierenden Bereich ausreichend Volumen zu verschaffen. Je nach Platzierung der raumschaffenden Elemente kann ein vertikaler, ein horizontaler oder ein kombinierter horizontal-vertikaler Knochendefekt augmentiert werden.

 

Guided Bone Regeneration

Grundprinzip der GBR ist die Abdeckung von partikulären KEM und/oder autogenem Knochen mit einer Membran. Die verwendeten Membranen können sowohl aus resorbierbarem als auch nichtresorbierbarem Material bestehen. Resorbierbare Membranen setzen sich aus autogenem „advanced platelet rich fibrin“ (A-PRF), nativem Kollagen, „Cross-linked“-Kollagen, xenogenem Perikard oder Polylactid zusammen. Nichtresorbierbare Membranen beinhalten unter anderem Polytetrafluorethylen (PTFE). Diese PTFE-Membranen (Abb. 1b) werden mithilfe von Pins am Knochen fixiert. Für eine höhere Stabilität vor allem bei vertikalen Defekten können titanverstärkte PTFE-Membranen verwendet werden. Resorbierbare Membranen können nach optimaler Positionierung mithilfe von resorbierbarem Nahtmaterial auf beiden Seiten durch das Periost vernäht beziehungsweise mithilfe von Titan-Pins auf der Knochenoberfläche fixiert werden. Die Aufgabe der Membranen besteht primär darin, die partikulären KEM beziehungsweise den autogenen Knochen zu stabilisieren. Ein Vorteil der GBR ist, dass eine Dehiszenz nicht automatisch einen kompletten Verlust des Augmentats bedeutet. Durch gute Mundhygiene und regelmäßiges Spülen mit Chlorhexidin kann der Verlust des Augmentats verhindert werden. Jedoch sind Dehiszenzen der Membran mit einer erhöhten Knochenresorption assoziiert. Nachteilig ist bei dieser Methode die geringe Stabilität aufgrund der fehlenden starren raumschaffenden Elemente.

Merke: Im Rahmen der GBR führt eine Dehiszenz nicht zwangsläufig zum kompletten Verlust des Augmentats

Titan-Mesh-Technik

Intraoperativ wird ein Titangitter um den Knochensubstanzdefekt gebogen, damit zwischen Gitter und Knochen ein Raum geschaffen wird, der augmentiert werden kann. Ähnlich wie bei der GBR kann in den durch das Gitter stabilisierten Raum partikuläres KEM und/oder autogener Knochen eingebracht werden. Nach der definitiven Platzierung des Gitters wird dieses mithilfe mehrerer Schrauben fixiert, um eine hohe Stabilität, insbesondere bei vertikalen Belastungen, zu gewährleisten.

Die Titan-Mesh-Gitter müssen die Anforderungen bezüglich der Biokompatibilität und der Integration in das umliegende Gewebe erfüllen. Sie sind weder als Gewebebarriere zu verstehen, noch sind sie resorbierbar. Dies hat zur Folge, dass sie vor der Implantation oder simultan mit der Implantation entfernt werden müssen. Eine simultane Augmentation und Implantation wird auch in der Literatur beschrieben, ist jedoch mit einem suboptimalen krestalen Knochenniveau assoziiert, das eine erneute Augmentation oder eine Reduktion des Knochens zur Kompensation notwendig machen kann. Eine Dehiszenz des Gitters ist nicht mit dem Misserfolg der Augmentation gleichzusetzen. Stattdessen kann es bei Belassen des Gitters möglich sein, dass sich die Dehiszenz nicht negativ auf das klinische Ergebnis auswirkt.

Um während der Operation Zeit zu sparen, kann es von Vorteil sein, das Titangitter präoperativ zurechtzubiegen oder auch mithilfe eines dreidimensionalen Röntgenbilds digital zu planen und drucken beziehungsweise fräsen zu lassen. Die mithilfe der CAD-CAM modifizierte Titan-Mesh-Technik wird durch die Zuhilfenahme eines 3D-gedruckten beziehungsweise gefrästen Gitters aus Titan (Abb. 2) oder Polyetheretherketon (PEEK) ermöglicht. Digital geplante Gitter haben gegenüber konventionellen Gittern den Vorteil, dass die Zahl der verwendeten Schrauben und die Operationszeit signifikant verkürzt werden. Zu den Nachteilen der Titan-Mesh-Technik zählen jedoch die notwendige Entfernungsprozedur und das kritische Weichgewebsmanagement.

Merke: Das Titangitter muss vor der Implantation oder simultan dazu entfernt werden.

Schalentechnik

Die Schalentechnik ist ein komplexes Augmentationsverfahren, bei dem eine autogene oder allogene Knochenschale mithilfe von Stellschrauben in der zu augmentierenden Region befestigt wird (Abb. 3a). Bei der Fixation der Knochenschale ist es wichtig, darauf zu achten, dass eine Distanz zum ortsständigen Knochen bewahrt bleibt. Die Schale ist gemeinsam mit den Schrauben das raumschaffende Element und ermöglicht die Applikation von partikulärem KEM und/oder autogenem Knochen zwischen dem ortsständigen Knochen und der Schale (Abb. 3b, c).

Als partikuläres KEM können allogene, synthetische und xenogene KEM eingesetzt werden. Außerdem kann auf autogenen Knochen zurückgegriffen werden. Die Augmentation ist sowohl einzeitig als auch zweizeitig möglich. Es gibt Hinweise darauf, dass die Schalentechnik mit einer geringeren Resorption einhergeht.

Cave: Bei der Fixation der Knochenschale muss eine Distanz zum ortsständigen Knochen bewahrt bleiben

Umbrella-Technik

Als raumschaffende Elemente werden „pilzförmige“ Stahlschrauben in den Alveolarknochen eingebracht (Abb. 4). Diese müssen ein möglichst dünnes Gewinde und einen breiten Schraubenkopf besitzen, der eine großflächige Auflagerung auf der Schleimhaut ermöglicht. Damit verringern sich die Belastung pro Fläche und das Risiko, die Schleimhaut zu perforieren. Mit dieser Technik ist sowohl eine einzeitige als auch eine zweizeitige Augmentation möglich.

Nach dem Platzieren der Schrauben wird, analog zu den vorherigen Techniken, der geschaffene Raum zwischen ortsständigem Knochen und Schleimhaut mit KEM und/oder autogenem Knochen aufgefüllt. Anschließend kann eine resorbierbare Membran über das Augmentat gelegt werden. Ein spannungsfreier Wundverschluss ist wie bei allen Augmentationstechniken zwingend erforderlich.

Alternativen zu einer Knochenaugmentation

Bei Patienten mit Kontraindikationen oder fehlender Einwilligung zur Augmentation kann ein Knochenaufbau eventuell umgangen werden. Hierfür stehen durchmesserreduzierte und kurze Implantate zur Verfügung. Während bei Augmentationen mit Standardimplantaten die biologischen Komplikationen (zum Beispiel Schwellung, Dehiszenz, Augmentatverlust) überwiegen, treten bei durchmesserreduzierten und kurzen Implantaten mehr technische Komplikationen auf (zum Beispiel Implantat- oder Abutment-Fraktur). Im Rahmen des Informed Consent müssen Patienten über Vor- und Nachteile der verschiedenen Konzepte aufgeklärt werden.

Resümee

- Um die Stabilität, Prognose und Ästhetik eines Implantats zu verbessern, kann eine Augmentation in Erwägung gezogen werden.

- Die einzelnen Augmentationsverfahren unterscheiden sich in der räumlichen Ausrichtung und der Stabilisierung des Augmentats. Jeweils unterschiedliche raumschaffende Elemente kommen zum Einsatz.

- Je nach Augmentationsmethode ist eine simultane Implantatinsertion möglich.

- Patienten müssen über die Vor-, Nachteile und Risiken der einzelnen Verfahren aufgeklärt werden.

Korrespondenz:

Joscha G. Werny,Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsmedizin Johannes Gutenberg-Universität, Augustusplatz 2, Mainz

Mail: Joscha.werny@unimedizin-mainz.de

Der ungekürzte Originalartikel ist erschienen in „Der Freie Zahnarzt“ 3/2022,DOI: 10.1007/s12614-022-0290-1

Metadaten
Titel
Augmentationsmethoden kompakt
Schlagwörter
Zahnmedizin
Implantologie
Publikationsdatum
23.01.2023
Zeitung
Zahnarzt
Ausgabe 1-2/2023

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