Skip to main content
Ärzte Woche

21.03.2022

Wie der Schnabel gewachsen ist

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Charles Darwin, dessen Todestag sich im April 2022 zum 140. Mal jährt, hätte das AVONET wohlwollend gewürdigt: Dieser globale Datensatz enthält die Merkmale aller 11.000 Vogelarten.

Nicht jede Ähnlichkeit bringt einen Erkenntnisgewinn. Eine Stockente und ein Wanderfalke bringen jeweils zwischen 0,7 und 1,6 Kilogramm auf die Waage – bezüglich ihrer Lebensweise verbindet die beiden Vögel bis auf ihre Körpermasse aber nicht viel. Funktionelle Merkmale sind aussagekräftiger. „Wir haben für nahezu alle beschriebenen Vogelarten weltweit neun Merkmale zusammengetragen, beispielsweise zu ihrer Schnabel- und Flügelform. Hierfür haben wir in einem globalen Konsortium mehr als 90.000 individuelle Vögel aus 11.000 Arten und 181 Ländern vermessen“, erklärt Prof. Dr. Susanne Fritz vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F) und der Goethe-Universität Frankfurt. Sie fährt fort: „Diese funktionellen Merkmale korrelieren mit wichtigen ökologischen Eigenschaften der Vogelarten, beispielsweise mit deren Nahrung und Fortbewegungsweise. In früheren Studien wurden meist nur weit gefasste Kategorien wie der Lebensraum, die Hauptnahrung oder das Körpergewicht verwendet – dies sagt aber oft wenig über die spezifische Rolle der Vögel im Ökosystem aus.“

Zielsetzungen der bislang umfassendsten, weltweiten Zusammenstellung funktioneller Merkmale einer Organismengruppe sind die Überprüfung ökologischer Theorien zur Entstehung der biologischen Vielfalt sowie das Erstellen einer besseren Datenbasis für Vorhersagen zum Verlust dieser Vielfalt.

Außerdem werden die Merkmalsdaten genutzt, um wichtige Prozesse und Wechselwirkungen in Ökosystemen neu zu entschlüsseln. Dr. Matthias Schleuning, ebenfalls SBiK-F, erläutert: „Wir haben das AVONET mit einer Datenbank von Palmenmerkmalen kombiniert und konnten so zeigen, dass es global eine Beziehung zwischen der Schnabelweite von Vögeln und der Größe von Palmfrüchten gibt.“ Für diese Analyse wurde anhand von Merkmalsdaten zu 1.100 fruchtfressenden Vogel- und 2.000 Palmenarten eine weltweite Karte erstellt, welche das Vorkommen dieser Tiere und Pflanzen kombiniert. Schleuning: „Je breiter ein Schnabel, desto größere Palmfrüchte kann ein Vogel verzehren. Da viele Vogelarten die Früchte von Palmen fressen, hat sich aus diesem Zusammenspiel eine enge Verflechtung zwischen der Morphologie von Vögeln und Palmen entwickelt: Denn die Vögel brauchen die Früchte als Nahrung und die Palmen brauchen die Vögel zur Ausbreitung ihrer Samen.“ Das klingt banal, ermöglicht den Forschern aber Einblicke in die tropische Artenvielfalt und bietet Lösungen für Renaturierungen.

Die untersuchten Vögel stammen aus einer Vielzahl von naturhistorischen Sammlungen. Darunter finden sich auch viele historische Vogelbälge – viele gesammelt von berühmten Naturforschern wie Charles Darwin, Alfred Russel Wallace oder Ernest Shackleton. „Diese Daten aus vergangenen Jahrhunderten sind unersetzlich. Etwa um zu verstehen, ob der steigende menschliche Einfluss auf Lebensräume zu langfristigen morphologischen und ökologischen Veränderungen bei Vögeln geführt hat“, sagt Fritz.

Empfehlung der Redaktion
Zebrafinkenküke

28.10.2019

Bei Lärm wachsen Vögel langsamer

Lärm macht krank – nicht nur den Menschen: Zebrafinkenküken, die in einem Nest mit Straßenlärm aufwachsen, sind kleiner als Küken in einem ruhigen Nest. Erst später holen sie den Rückstand wieder auf.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Wie der Schnabel gewachsen ist
Publikationsdatum
21.03.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 12/2022

Weitere Artikel der Ausgabe 12/2022