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23.08.2024

Weltberühmt und unbekannt

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Für den Titel kannst du dir hierzulande nichts kaufen. Doch Simone Kopmajer hat eine große internationale Karriere hingelegt. Dass die steirische Künstlerin immer wieder in Österreich – vor Kurzem mit Viktor Gernot in Wien – auf der Bühne steht, ist eine Gelegenheit, die man nicht verstreichen lassen sollte.

Der Spittelberg ist einer von ca. 100 Wiener Bergen, Ende Dezember 2023 wandern die Wiener in Scharen seine Gassen hinauf und hinunter. Am höchsten Punkt stehen die Menschen vor dem Theater am Spittelberg Schlange für ein Weihnachtskonzert von Simone Kopmajer. Es schüttet wie aus Schaffeln. Der Regen weicht die Print@home-Tickets auf. Kopmajer rettet den Abend. Die sanften, schrillen, tief tauchenden und hoch aufsteigenden Töne, die aus der Kehle von „Österreichs Jazzsängerin Nummer eins“ (Viktor Gernot) dringen; Versionen von „Stille Nacht“ und „Leise rieselt der Schnee“; „White Christmas“ werden auch gegeben.

Im Schwarzenberg-Garten an der Prinz Eugen-Straße steht seit der Pandemie eine Bühne inmitten einer Parklandschaft. Kopmajer und Gernot singen an diesem stürmischen Sommerabend gegen das Rauschen der Blätter und die Folgetonhörner der Einsatzfahrzeuge an, die vom Landstraßer Gürtel herunterdonnern. „Ruhe! Hier arbeiten Menschen!“, ruft Gernot, hierzulande vermutlich bekannter als Kopmajer. Das neue Album der steirischen Sängerin – „Hope“ –ist Nummer eins in Japan. Kopmajer und Gernot schlagen im „Theater im Park am Belvedere“ das American Songbook auf, sie interpretieren Jazz-Standards aus der Zeit der großen Big Bands, dazu gibt es viele Eigenkompositionen Kopmajers und ein Popjazz-Arrangement von George Michaels „Careless Whisper“, bei dem das Original sporadisch durchschimmert. Live setzt Kopmajer ihre Stimme wie ein Instrument ein. Sie gibt alles. Schont sich nicht. Nebenbei erzählt sie von ihrer betagten Gesangslehrerin, die sie auf ihrem Weg als Sängerin bestätigt habe (Jazz-Pianistin hätte sie auch werden können). Man spricht leicht von großen Begabungen, welche für die Bühne geboren seien, so als wäre es das Natürlichste auf der Welt vor Dutzenden, vor Hunderten oder vor Tausenden aus sich heraus zugehen und im Schwarzenberg‘schen Garten etwas so Bezauberndes, etwas so Intimes herzustellen, wie es Kopmajer gelingt.

Gernot zeigt an diesem Abend sein feines Gitarrenspiel, und zwar bei seiner Version von Carlos Santanas „Europe“. Wer ihn nur als Bühnenpartner von Michael Niavarani kennt, war vermutlich überrascht. Doch es wäre nicht Gernot, wenn er die Kostprobe seines großen Talents nicht ironisch brechen würde. „Das war jetzt eine Herausforderung für alle Beteiligten.“

Ein Park ist zum Promenieren da und viele der Zuschauer und der Zuspätgekommenen machen davon ausgiebig Gebrauch. Das kann einen ärgern, wenn man fußfrei vor einem der Gehwege sitzt, es kann aber auch dazu anregen, die Wolken zwischen den Bäumen zu beobachten, alle verbliebenen Sinne zu aktivieren und auch bei den Moderationen zuzuhören. „Beautiful“ ist ein Wort, das an diesem Abend häufig fällt.

Nach dem Konzert nimmt sich Kopmajer am Verkaufstisch noch Zeit zum Signieren ihrer CD.

„Und? War Ihr Lieblingslied heute Abend dabei?“

„Wir waren bei Ihrem Weihnachtskonzert.“

„Dann war es vermutlich ,Baby, It’s Cold Outside’.“


Der Song wurde in den 1940er-Jahren geschrieben, von großen Interpreten wie Dean Martin geprägt. Die Lyrics sind ein Dialog zwischen einem männlichen Gastgeber („wolf“) und einem weiblichen Gast („mouse“), bei dem „Er“ wiederholt versucht, „Sie“ zum Bleiben zu überreden. Gernot ist sich bewusst, dass der Inhalt des Liedes heute von manchen kritisch gesehen wird; er bleibt ihm treu: „Ich dachte, in dem Lied geht es ums Flirten. Ich werde 60, ich bin ein alter weißer Mann.“ Das Publikum ließ das so stehen.

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Metadaten
Titel
Weltberühmt und unbekannt
Publikationsdatum
23.08.2024

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