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Ärzte Woche

22.11.2021

Versiegte Quellen

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist , Medizin-Kabarettist Dr. Ronny Tekal

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© izusek // iStock

Auch die Thermen sind im Lockdown geschlossen.

Dass ein Lockdown, der ja eigentlich der Gesundheit der Bevölkerung dienen soll, selbst der eigenen Gesundung nicht sonderlich zuträglich ist, kann als eines der zahlreichen Paradoxa der Pandemie gesehen werden. Jedes Mal, wenn das Land zusperrt, wird das Land auch etwas kränker. Alleine der Umstand, dass Fitnesscenter geschlossen, der Pizzaservice jedoch geöffnet hat, sollte klar machen, wohin die Reise geht. Zum Glück hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Ärzte auch im Lockdown ordinieren und man sich in der Praxis seine Portion Gesundheit auf Rezept holen darf. Dann kann man das zu wenig an Fitness und das zu viel an Pizza durch eine verordnete Portion Antidepressiva ausgleichen. Körpernahe Dienstleistungen sind hingegen untersagt. Da die meisten Mediziner ihre Patienten in der Praxis ohnehin niemals berühren, kommen sie ihnen, getrennt durch einen breiten Schreibtisch als viralen Schutzschild, auch nicht zu körpernah. Bedauerlich dennoch, denn ein guter Teil des physischen und psychischen Wohles hängt nicht nur mit guten Blutwerten, sondern auch mit gepflegten Füßen, geschnittenen Haaren und massierten Rücken zusammen.

Nicht einmal die Thermen haben geöffnet, jene Begegnungszone für Menschen und Pilze, an der beide ihre Freude haben. All jene, denen die Kneipp-Güsse zu brutal und die F. X. Mayr-Kuren zu eintönig sind, tummeln sich in den Heilquellen der Thermenbäder. Statt sich mit einem Gartenschlauch abkerchern zu lassen und lustlos eine Stunde an einer Semmel zu kauen, tunkt man seinen vom Burnout angesengten Körper an verregneten Tagen in handwarmes Wasser und kaut mehrere Stunden deutlich lustvoller am Buffet des angeschlossenen 4-Sterne-Superior-Hotels. Dies mag aus gesundheitlicher Sicht die Schlacken nicht ganz so effektiv aus dem Organismus spülen, da man im Blutbild die Schlacken aber ohnehin nicht auf den ersten Blick sieht, muss man hier nicht so pingelig sein. Tatsächlich sitzen wir in Österreich auf diesem flüssigen Gold aus Thermalwasser. Neben Kohle, Erz, Magnesit und das in der Steiermark geförderte Kernöl gelten die mineralhaltigen Quellen als große zu bergende Schätze. Sie sorgen dafür, dass sich in entlegenen ländlichen Gebieten Fuchs und Hase nicht nur „Gute Nacht“ sagen, sondern dafür auch im örtlichen Thermenresort um gutes Geld nächtigen. Nun habe ich erfahren, dass es sogar unterhalb von Wien in drei Kilometern Tiefe heißes Wasser geben soll. Damit liegen diese Quellen in einer Entfernung, für die man zu Fuß nicht mal eine Stunde braucht.

Ich denke aber, dass die Thermen die Pandemie gut überstehen werden. Zwar fehlt den dortigen Hoteliers das Verhandlungsgeschick der Skiliftbetreiber, die den Innenraum einer Gondel als „outdoor“ klassifizieren, dafür sind sie längerfristig nicht von den Launen von Frau Holle abhängig. Denn im Gegensatz zu Schnee wird es schirches Wetter immer geben, selbst nach dem Klimawandel.

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Metadaten
Titel
Versiegte Quellen
Publikationsdatum
22.11.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 48/2021

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