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Erschienen in: Schweizer Gastroenterologie 3/2021

Open Access 01.09.2021 | Journal Club

Verbesserung der nichtalkoholischen Steatohepatitis unter dem GLP-1-Rezeptor-Agonisten Semaglutid

verfasst von: Luca Schneider, PD Dr. med. Daniel Pohl

Erschienen in: Schweizer Gastroenterologie | Ausgabe 3/2021

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Originalpublikation
Newsome PN, Buchholtz K, Cusi K et al (2021) A placebo-controlled trial of subcutaneous semaglutide in nonalcoholic steatohepatitis. N Engl J Med. https://​doi.​org/​10.​1056/​NEJMoa2028395.
Hintergrund der Studie.
Die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) ist das Folgestadium der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) und wird mittels Leberbiopsie und histologischem Nachweis einer Steatose, Ballonierung der Hepatozyten sowie einer lobulären Entzündung diagnostiziert. Neben sekundären Ursachen (z. B. Medikamente, Hepatitis C) sind vor allem primäre, metabolische Ursachen wie Übergewicht/Adipositas und Insulinresistenz für die Entstehung verantwortlich. Als Pathogenese wird ein lipotoxischer Effekt der freien Fettsäuren durch hepatische Lipidakkumulation mit Zellschädigung diskutiert. Infolgedessen kann sich durch die hepatische Entzündung eine Leberfibrose bilden mit der Gefahr der Progression in eine Leberzirrhose oder der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC). Cave: Ein HCC kann sich bei Patienten mit NASH auch ohne Zirrhose bilden!
Therapeutisch werden primär Lebensstilmassnahmen zur Verminderung des metabolischen Syndroms mit Gewichtsreduktion von 7–10 % des Körpergewichts, Alkoholabstinenz, ausgewogener Ernährung und ausreichende körperliche Aktivität empfohlen. Bei Adipositas permagna ist zudem eine bariatrische Operation eine Option. Eine medikamentöse Therapie ist bisher nicht zugelassen. Selten werden Vitamin E und das Glitazone Pioglitazon (off-label) eingesetzt, haben jedoch eine schlechte Evidenz.
Gegenwärtig scheint der Nutzen von antidiabetisch wirksamen GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) vielversprechend zu sein. Die GLP-1-RA führen einerseits zu einer erhöhten Insulinausschüttung. Andererseits verzögern sie die Magenentleerung und verlängern dadurch das Sättigungsgefühl. Die Aktivierung der GLP-1-Rezeptoren im zentralen Nervensystem führt zu einer weiteren Verstärkung des Sättigungsgefühls und verringert die Hungersignale, was zu einer starken Gewichtsabnahme führt. Frühere Studien mit Liraglutid zeigten eine Abnahme der Transaminasen und Lebersteatose [1].
Ziel der Studie.
Die vorliegende Studie untersuchte als primären Endpunkt die Wirkung von Semaglutid auf die histologische Ausheilung der NASH mit bestehender Leberfibrose. Definiert wurde die Ausheilung als Abwesenheit von Ballonierung der Hepatozyten ohne Verschlechterung des Fibrosegrades und nur noch maximal milder Inflammation, vorliegend nach 18 Monaten (gemessen mit dem NAFLD Activity Score). Sekundäre Endpunkte waren Verbesserung des Fibrosegrades sowie Veränderungen vom Ausgangszustand betreffend NAFLD Activity Score, Transaminasen, Biomarker, elastographische Lebersteifigkeit, Körpergewicht, Glukose, Blutdruck und Lipidstatus.
Methoden.
Eingeschlossen wurden Patienten zwischen dem 18. und 75. Lebensjahr mit einem Body Mass Index (BMI) > 25 kg/m2 und einer NASH (NAFLD Activity Score ≥ 4 Punkte) sowie Leberfibrose (METAVIR-Stadium F1 bis F3). Patienten mit Lebererkrankungen anderer Genese, dekompensiertem Diabetes mellitus, erhöhtem Alkoholkonsum sowie ggf. interagierender Begleitmedikation (Vitamin E, Pioglitazon) wurden ausgeschlossen.
Diese kontrollierte, doppelblinde Phase-2-Parallelgruppenstudie fand in 16 Ländern zwischen 2017 und 2018 statt. Die Patienten wurden in vier gleich grosse Gruppen bestehend aus einer Placebo-Gruppe und drei Semaglutid-Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Medikamentendosierungen randomisiert. Zur Verminderung von gastrointestinalen Nebenwirkungen wurde die tägliche subkutane Therapie mit Semaglutid alle vier Wochen bis zu den jeweiligen Zieldosen von 0,1 mg, 0,2 mg und 0,4 mg auftitriert. Vor und nach dem Behandlungszeitraum von 18 Monaten erfolgte eine Leberbiopsie mit anschliessendem Follow-up über sieben Wochen.
Ergebnisse.
Von 320 randomisierten Patienten schlossen 285 Patienten (89 %) die Behandlung ab. Bei 43 Patienten (13 %) fehlte die zweite Leberbiopsie, sodass diese als Non-Responder interpretiert wurden. Im Mittel waren die Patienten 55 Jahre alt mit einem BMI von 35,8 kg/m2, 61 % der Eingeschlossenen waren weiblichen Geschlechts. Die METAVIR-Stadien der Fibrose waren folgendermassen verteilt: Stadium F1: 28 %, Stadium F2: 23 %, Stadium F3: 49 %. Der mittlere NAFLD Activity Score betrug 4,9 Punkte.
Bei Patienten mit Leberfibrose im METAVIR-Stadium F2 oder F3 wurde nur unter Semaglutid in der Dosierung von 0,4 mg signifikant häufiger eine Ausheilung der NASH nach 18 Monaten beobachtet (59 % in der Semaglutid‑0,4‑mg-Gruppe vs. 17 % in der Placebo-Gruppe; Odds-Ratio: 6,87; 95 % Konfidenzintervall [KI] 2,60–17,63; p < 0,001). Eine Verbesserung des Fibrosestadiums bestand hingegen nicht. Die Verbesserung des NAFLD Activity Scores war dosisabhängig mit 83 % in der Semaglutid‑0,4‑mg-Gruppe, 80 % in der 0,2-mg-Gruppe und 73 % in der 0,1-mg-Gruppe im Gegensatz zu 44 % in der Placebo-Gruppe.
Eine Verschlechterung des Fibrosestadiums trat bei 5, 8 und 10 % der Patienten mit Semaglutid 0,4 mg, 0,2 mg und 0,1 mg sowie bei 19 % mit Placebo auf. Während eine Progression in eine Leberzirrhose in der Semaglutid‑0,4‑mg-Gruppe nicht auftrat, trat dies bei der Placebo-Gruppe zu 4 % und bei den 0,1- und 0,2-mg-Gruppen zu je 3 % auf.
Hinsichtlich Beurteilung der sekundären Endpunkte und der unerwünschten Nebenwirkungen war die Probandenanzahl statistisch ungenügend. Es fanden sich jedoch numerisch Hinweise auf eine dosisabhängige Reduktion der Transaminasen, des Körpergewichtes und des glykierten Hämoglobins (HbA1c). Insbesondere gastrointestinale Beschwerden (Nausea, Obstipation, Appetitminderung, Erbrechen, Bauchschmerzen) waren häufiger unter Semaglutid. Während keine Fälle von akuter Pankreatitis bestanden, wurden unter Semaglutid häufiger Beschwerden der Gallenblase beobachtet (7 % in der 0,4-mg-Gruppe, 5 % in der 0,2-mg-Gruppe, 6 % in der 0,1-mg-Gruppe und 2 % in der Placebo-Gruppe).
Kommentar zur Studie.
Semaglutid ist eine vielversprechende Therapieoption und kann unter der Maximaldosierung von täglich 0,4 mg Semaglutid subkutan eine signifikant häufigere Ausheilung der NASH erzielen, wobei Semaglutid deutlich höher als bei der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 (wöchentlich bis 1 mg subkutan) dosiert war. Ursächlich wird der positive Effekt der GLP-1-RA durch die erzielte Gewichtsreduktion und der Verbesserung der Insulinresistenz diskutiert. Leider fand sich hingegen im untersuchten Zeitraum keine Verbesserung der Leberfibrose. Einerseits hatte fast die Hälfte der Probanden eine fortgeschrittene Fibrose im METAVIR-Stadium F3. Andererseits werden weitere Studien mit deutlich längerem Follow-up benötigt, um einen positiven Effekt auf die Fibrose bzw. auf die Ausheilung der NASH in niedrigeren Dosierungen zu untersuchen.

Interessenkonflikt

L. Schneider und D. Pohl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Metadaten
Titel
Verbesserung der nichtalkoholischen Steatohepatitis unter dem GLP-1-Rezeptor-Agonisten Semaglutid
verfasst von
Luca Schneider
PD Dr. med. Daniel Pohl
Publikationsdatum
01.09.2021
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Schweizer Gastroenterologie / Ausgabe 3/2021
Print ISSN: 2662-7140
Elektronische ISSN: 2662-7159
DOI
https://doi.org/10.1007/s43472-021-00050-2

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