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Ärzte Woche

28.11.2024 | Telemedizin

Die Medizin kommt zu den Patienten nach Hause

verfasst von: Markus Stegmayr

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Ein ärztliches Beratungsgespräch oder das medikamentöse Einstellen per Videocall sind an vielen Orten Realität. Nunmehr legen aber die „tirol kliniken“ eine neue App vor, die sich vorerst nur an Kinder richtet, die an Leukämie erkrankt sind. Künftig soll sie alle jungen onkologischen Patienten erreichen.

Dass sich durch die Telemedizin der Alltag der Ärztinnen und Ärzte ändert, liegt auf der Hand. „Wir müssen vom Narzissmus wegkommen, dass Ärztinnen und Ärzte glauben, Heilung sei nur durch persönlichen Kontakt vor Ort mit ihnen möglich.“ Das sagt Prof. Dr. Christian Haring. MAS seines Zeichens medizinischer Geschäftsführer der „tirol kliniken“. Haring wirbt für die App „ePROtect“.

Der Projektleiter der bereits im Jänner 2023 eingeführten App, Prof. Mag. Dr. Roman Crazzolara, erläutert die Funktionsweise: „Die Zeit ist eng getaktet. Pro Patient sind für das Videogespräch über die App 15 Minuten vorgesehen.“ Das sei allerdings kein Nachteil: „Wir gehen ja gut vorbereitet ins Gespräch, haben etwa schon die Ergebnisse der Blutabnahme, die zuvor bei den Hausärzten vor Ort erfolgt, vorliegen.“

Videogespräche sind zentral

Vor allem die medikamentöse Einstellung lasse sich per Videogespräch vornehmen: „Das ist nicht nur effizient für die Ärztinnen und Ärzte, sondern vor allem auch eine Erleichterung für die jungen Patienten zwischen Null und 18 Jahren sowie für deren Eltern“, sagt er. Die Eltern hätten bisher – das Einzugsgebiet reiche bis nach Vorarlberg und Osttirol – zum Teil lange, zahlreiche und mühsame Fahrten auf sich nehmen müssen. Das sei überhaupt der zentrale Gedanke der App: „Wir möchten die Zeit der Behandlung so angenehm und einfach wie nur irgend möglich machen.“

Dazu gehöre auch der Gedanke der viel zitierten „Selbstermächtigung“, welcher der App zugrundeliegt. Der Begriff wird hier einmal mit Leben erfüllt, denn: „Die jungen Patienten können jeweils altersgerecht und tagesaktuell unsere Fragen zu ihrem Befinden und zu ihren Symptomen beantworten“, sagt Crazzolara.

Das bedeute nicht nur, dass für die Ärztinnen und Ärzte wichtige Daten und Anhaltspunkte bereitgestellt würden, sondern eben auch, dass sich die Teilnahmebereitschaft an der Therapie erhöhe. Die Patienten seien engagiert. „Unsere Patienten schaffen es zumeist in weniger als einer Minute, die Fragen zu beantworten“, führt er weiter aus und hält auf Nachfrage der Ärzte Woche fest, dass aktuell rund 30 Patienten bei diesem telemedizinischen Projekt mit an Bord seien.

Warum die App aktuell auf junge Patienten mit Leukämie beschränkt ist? Der Projektleiter begründet den Umstand mit der Tatsache, dass diese Patienten ähnliche Krankheitsbilder hätten und damit bei ihnen auch eine vergleichbare Behandlung vonnöten sei. „Wir planen allerdings, das Angebot auf junge Krebspatienten an sich auszuweiten“, sagte Crazzolara, der als Oberarzt an der Innsbrucker Kinderklinik und Leiter der Kinderonkologie fungiert.

Personalisierung durch Telemedizin

Ein Vorhaben wie dieses ließe sich zudem auch ausdehnen, teilte Haring mit. „Telemedizin ist gut dazu in der Lage, die Verbindung zwischen Patienten und Ärzten zu intensivieren, sie persönlicher zu gestalten.“

Es sei also das Gegenteil dessen wahr, was man der Telemedizin oft unterstelle, nämlich, unpersönlich zu sein: „Durch den häufigeren Kontakt wird die Medizin auch personalisiert“. Er selbst könne aus Patientensicht nur Vorteile und Fortschritte erkennen: „Ich glaube nicht, dass es für Patienten sehr attraktiv ist, weit anzureisen und dann warten zu müssen, um endlich zu einem Gespräch mit einem Mediziner vorgelassen zu werden.“ Diesem Umstand pflichtete auch Gesundheitslandesrätin Dr. Cornelia Hagele (ÖVP) bei und wies im gleichen Atemzug auf weitere telemedizinische „Erfolgsprojekte“ in Tirol hin, etwa auf das „HerzMobil“, das sich an Patienten mit Herzschwäche richtet, oder auf eine telemedizinisch-dermatologische Beratung. „Im dermatologischen Bereich gibt es zum Teil lange Wartezeiten“, sagt die Gesundheitspolitikerin. Nunmehr sei es aber möglich, dass der Hausarzt ein Foto, etwa das Bild eines Muttermals mache, und ein Facharzt dieses in weiterer Folge diagnostiziere. „Dadurch brauchen in Tirol nur mehr 13 Prozent eine dringende Behandlung vor Ort, der Rest lässt sich über Telemedizin abwickeln“, sagt die Landesrätin.

Tirol will „Vorreiter“ sein

Überhaupt sei Tirol „Vorreiter“ und in Sachen Telemedizin „sehr innovativ unterwegs“, führte Hagele aus. Es arbeite sich auf diese Weise „besser und effizienter“. Für die Patienten lägen die Vorteile zudem auf der Hand: „Man spart sich Zeit und das ganze Drumherum.“

Der Leitsatz der jüngsten Gesundheitsreform von Johannes Rauch (Die Grünen) gilt auch hier: Er lautet „digital vor ambulant vor stationär“, was mit Unternehmungen wie der ePROtect -App mehr und mehr gelinge, streicht sie heraus. Hagele argumentiert übrigens so wie Haring, dass die Telemedizin nämlich „vieles persönlicher“ mache. „Es gibt schlicht mehr Möglichkeiten mit den Ärztinnen und Ärzten in Kontakt und Austausch zu kommen“, sagt Hagele. Zudem sei bereits sichtbar, dass sich die Teilnahmebereitschaft der Patienten erhöhe, wenn die Medizin zu ihnen nach Hause komme und nicht die Patienten von Zuhause zur Medizin kommen müssen.


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Metadaten
Titel
Die Medizin kommt zu den Patienten nach Hause
Publikationsdatum
28.11.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 50/2024

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