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Ärzte Woche

15.05.2018 | Tekal

Wer hat’s erfunden?

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Das Internet macht es uns zunehmend schwerer, Erfolge an die eigenen Fahnen zu heften.

Was sind wir doch stolz auf unser Land. Viele Dinge würde es gar nicht geben, wenn sich nicht einst ein Österreicher hingesetzt und nachgedacht hätte. Die Schiffsschraube etwa. Ohne Herrn Ressel würden die Kreuzfahrtschiffe lahmliegen. Zwar mag es sich unter Segeln romantischer reisen, aber eine Woche in Genua auf guten Wind zu hoffen, kann sich kaum ein Tourist leisten, der in einer Woche Korfu, Istanbul, Oslo, die Cayman-Islands und Bruck an der Mur abhaken möchte.

Hätte Herr Mitterhofer die Schreibmaschine nicht entwickelt, müssten die Autoren ihre Romane händisch niederschreiben und die Leser das Gekrakel mühsam entziffern – gerade bei Arzt-Romanen ein schier unmögliches Unterfangen. Wäre der Salzburger Christian Doppler nicht aktiv geworden, man ginge davon aus, der Klang des Martinshorns einer vorbeifahrenden Rettung höre sich nur durch den zuvor getrunkenen Doppelliter Wein so seltsam an. Ohne Frau Meitner und Herrn Hahn keine Kernspaltung, worauf man gerne verzichtet hätte, und ohne Herrn Hatschek müsste man nicht die asbesthaltigen Eternit-Platten von den Kleingartenhäusern entsorgen.

Medizinisch waren wir auch schon immer top: Ignaz Semmelweis hat den Dreck an den Arzthänden entdeckt und ihnen das Händewaschen beigebracht. Ohne Josef von Škoda, der als Begründer der modernen Auskultation gilt, würden die Mediziner heute noch mit dem Ohr am Brustkorb ihre Patienten abhören und ohne Herrn Billroth hätten viele noch einen ganzen Magen. Ganz zu schweigen von all den in den 1930er-Jahren hinausgeworfenen und nun gehuldigten Erfindern. Als Österreicher darf man auch darauf stolz sein.

Im Zeitalter der digitalen Vernetzung kommen jedoch Zweifel auf, ob nicht anderswo auf der Welt etwas Ähnliches erfunden wurde, weitaus früher – die Wikinger bereits den Atlantik mit einer Schiffsschraube überquert, dies auch mittels Schreibmaschine dokumentiert, jedoch durch den Doppler Met alles wieder vergessen haben.

Der Möbelkonzern Ikea etwa hat unlängst zugegeben, dass die typischen Fleischbällchen Kötbullar gar nicht aus Schweden, sondern aus der Türkei stammen. Dafür soll die Apfel-Geschichte von Wilhelm Tell skandinavischen Mythen entstammen. Wer hat’s also erfunden?

Wirtschaftlich ist es durchaus vorteilhaft, genau jenes Wirtshaus zu sein, in dem sich Mozart im Jahr 1785 nach einem Saufgelage übergeben, jene Universität, an dem Einstein studiert und Mozart zumindest inskribiert oder jene Klinik, in dem Mozart die Hüftprothese erfunden hat, die beim Bewegen die kleine Nachtmusik spielt. Die Namen der Erfinder schmücken die Institute und bürgen für deren Qualität. Denn wie schlecht kann eine Einrichtung sein, wenn Paracelsus, Kepler, Goethe, Nick Cave oder DJ Ötzi ihre Namen hergeben. Selbst wenn Goethe nur einmal in der Nähe in den Wald gepinkelt hat, war es immerhin unser Wald und damit auch unser Goethe.

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Metadaten
Titel
Wer hat’s erfunden?
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
15.05.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 20/2018

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