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Ärzte Woche

20.11.2024 | Tekal

Ungeschützt

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Das Österreichische Beamtendienstrecht als Traum aller Agenten.

Vergangenes Wochenende habe ich überaus unruhig geschlafen. Grund war weder meine präsenile Insomnie noch der Supermond. Nein, ich wusste, dass der Luftraum über mir nicht geschützt war. Und das ist mindestens so ungemütlich wie das Wissen, den Gelsenstecker mit einem neuen Plättchen zu bestücken. Tatsächlich waren die heimischen Abfangjäger tagelang nicht einsatzfähig. Der Grund ist profan wie amüsant: Die Fluglotsen des Bundesheeres mussten Überstunden abbauen. Ein gefundenes Fressen für Kolumnisten und Satiriker. Das Beamtendienstrecht als Siegfried’sches Lindenblatt.

Als ehemaliger Zivildiener kenne ich mich naturgemäß nur wenig mit militärstrategischen Themen aus. Mir erscheint es jedoch nicht allzu klug, selbst im Nachhinein zu sagen, dass das Land die vergangenen Tage militärisch blank war, nun jedoch wieder bis an die Zähne bewaffnet, von den Tarnkappenbombern in Zeltweg bis zur U-Boot-Flotte im Neusiedlersee, gegen jedwede Invasion bereitsteht. Noch weniger klug scheint der Schachzug, dass im Vorhinein hinauszuposaunen.

Man braucht dazu auch keinen ausländischen Geheimdienst, keinen Agenten, der einen steirischen Piloten in Kernöl waterboarden lässt, bis er ausplaudert, wann sich der Österreichische „Iron Dome“ öffnet. Nein, der Agent muss dazu nur Nachrichten schauen und bei einer gemütlichen Tasse Tee die Schlagzeile „Österreichischer Luftraum aktuell ungeschützt“ mit einem „Vergelt’s Gott“ quittieren.

Ein Militär und Kenner der Szene sagte noch dazu sinngemäß im Fernsehen, sollte jemand in diesem Zeitraum eine Drohne nach Österreich schicken, so könnte sie nicht abgefangen werden. Das ist wie ein Lehrer, der bei der schriftlichen Matura kurz mal aufs Klo geht. „Drones welcome!“

Beim Pokern wäre Österreich vermutlich kein guter Spieler. Denn ich vermute, dass es bei Militärstrategien nicht zuletzt ums Bluffen geht. Bei einer Parade hinauszuposaunen, dass die gezeigten Mittelstreckenraketen zwar beeindruckend anzusehen sind, allerdings gar nicht fliegen können, da man darauf wartet, bis der Spritpreis wieder etwas niedriger wird, ist kontraproduktiv. Oder anzukündigen, dass der Truppenstützpunkt am dritten Adventsonntag vermutlich verweist ist, da an diesem Tag die interne Betriebsweihnachtsfeier stattfindet. Und damit sind wir ohnehin schon wieder von der Satire in der Realität des Überstundenabbaus.

Doch lassen wir die Kirche im Dorf und die Eurofighter im Hangar. Wir liegen geostrategisch inmitten von NATO-Staaten und trotz weltpolitisch unsicherer Lage sind wir nicht allzu exponiert. Und neutral noch dazu. Und darüber hinaus auch so gemütlich. Also drei Gründe gegen eine drohende Gefahr. Zudem bin ich als Pazifist froh, wenn die Dinger nicht zum Einsatz kommen. Und wenn es die so verhasste Bürokratie ist, die das zustande bringt, soll es mir recht sein.

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Metadaten
Titel
Ungeschützt
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
20.11.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 48/2024