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Ärzte Woche

02.06.2021 | Tekal

Sport ist Hort!

verfasst von: Medizin-Kabarettist Dr. Ronny Tekal

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Die Forderung nach mehr Bewegung in den Bildungseinrichtungen.

So bewegt die Krise auch war, so unbewegt waren die Konsumenten dieser Krise. Auch wenn die Menschen im Lockdown laut einer Umfrage im Schnitt sogar etwas mehr gesportelt haben als zuvor, ist es eben nur ein Schnitt. Vermutlich ist die Schere zwischen den Aktiven, die Stress, Liebeskummer und Langeweile mit einem 10 K-Lauf begegnen und jenen, die diese Probleme mit Netflix-und-Chili-Cheese-Nachos lösen, noch weiter aufgegangen als jene zwischen reich und arm.

Tatsächlich haben wir in der Corona-Krise etwas zugelegt. Auch wenn man für diese Erkenntnis keine Studien braucht, sondern nur ein fehlendes Loch im Gürtel. Bei einem Drittel der Menschen sind durchschnittlich rund sechs Kilogramm an Leibesfülle hinzugekommen. Hochgerechnet wurde Österreich damit im vergangenen Jahr um 13.000 Tonnen schwerer. Wo dieses Gewicht herkommt ist mir nicht ganz klar, da sich die Erdmasse bekanntlich nicht ändert. Vielleicht muss als Ausgleich Liechtenstein dementsprechend leichter werden.

Vor allem bei Jugendlichen zeigte sich eine Tendenz, weg von Fitnesscentern und Tanzschulen, hin zu den Konsolen, die glücklicherweise auch im Lockdown rund um die Uhr geöffnet waren. Der Aufschrei besorgter Eltern über den körperlichen Verfall des Nachwuchses ließ nicht lang auf sich warten. So praktisch es auch war, die Kinder während der Home-Office-Zeiten vor dem Bildschirm zu parken, statt ihnen das Wohnzimmer als Basketballarena zum Dribbeln zur Verfügung zu stellen, so groß die Ernüchterung, dass vielen Kindern die Lust am Dribbeln verloren gegangen ist. Heranwachsende haben es nicht leicht mit uns Eltern. Bei zu wenig Bewegungsdrang heißt es: „Häng nicht so rum!“, bei zu viel Bewegungsdrang wird ein Termin beim Psychiater vereinbart. Und auch dort dürfen die Kinder in der Praxis nicht dribbeln, sondern erhalten ein Mittel dagegen.

Der Aufforderung „Geh hinaus spielen“ nachzukommen, ist nicht so ohne Weiteres möglich: So darf man weder in den Bundesforsten mountainbiken noch in den Bundesgärten skateborden und schon gar nicht in den Bundes-Gemeindebau-Höfen fußballen. Erlaubt wäre das in den urbanen Landes-Sportkäfigen, wo die Eltern jedoch einen Drogenumschlagplatz mutmaßen und ihn helikopterartig überwachen.

Der Trend geht daher eher in Richtung organisierter Sport in Vereinen und Schulen. Da sich sportlich weniger Begabte in Vereinen traditionell jedoch weniger gut aufgehoben fühlen und lieber zuhause auf dem Sofa sitzen als auf der Ersatzbank, bleiben der breiten Masse jugendlicher Durchschnittsbeweger nur mehr Schule und Hort als letzter Hort der Bewegung.

Doch bis man den im Lockdown versäumten Lehrstoff nicht restlos in die jungen Hirne gepeitscht hat, wird wohl keine einzige Mathematikstunde einer Bewegungseinheit weichen. Man muss schließlich Prioritäten setzen und so werden wir uns auch in Zukunft über volle Wartezimmer freuen.

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Metadaten
Titel
Sport ist Hort!
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
02.06.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 22/2021

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