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Ärzte Woche

21.08.2018 | Tekal

Sommerloch adé

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Das Internet hat die Saure-Gurken-Zeit abgeschafft.

Das Sommerloch ist die wohl einzige Öffnung, die einen endoskopisch tätigen Arzt nicht interessiert. Schließlich verbirgt sich nur selten etwas wirklich Pathologisches darin, sondern höchstens gähnende Langeweile. Mangels parlamentarischer Sitzungen lässt sich für die Medien nur wenig über aktuelle politische Ereignisse berichten und den heimischen Politikern in ihr Urlaubsdomizil zu folgen und unscharfe Paparazzi-Fotos von ihren bis auf die Badehose entblößten Körper zu schießen, steigert die Auflagenzahlen kaum.

Es gibt sogar den Begriff der Sommerloch-Tiere, die hier ins Zentrum der Berichterstattung rücken. Da muss es sich gar nicht um das Ungeheuer von Sommer-Loch-Ness handeln, meist sind es gesichtete Wölfe, entlaufene Zwergpinscher, Problembären oder Killer-Schafe, die auf der Alm ein paar deutsche Touristen angefallen haben sollen. Klassiker sind auch Hai-Sichtungen im Mittelmeer, die für ein wohliges Kribbeln beim Baden in der oberen Adria sorgen und die Diskussion anheizen, warum die europäische Willkommens-Politik nichts gegen den ungebremsten Zuzug der Haie unternimmt.

Einzig die Promis haben Hochsaison, denn die gefühlten tausend Sommerfestspiele buhlen um Aufmerksamkeit und die Stars sind auch bereit, ausführlich vor laufender Kamera über ihre ganz persönliche Hai-Begegnung zu sprechen.

Auch medizinisch tut sich recht wenig. Kaum publizierte Forschungsergebnisse, keine Kongresse, ja nicht einmal Morgenbesprechungen, über die man als Fachmagazin berichten könnte. Es ist tote Hose, und die interessiert höchstens die Urologen. Dennoch scheint sich mit dem Vormarsch der neuen Medien das Ende des alljährlichen Sommerlochs anzukündigen. Denn das Internet funktioniert auch im Juli und August. Selbst die entlegensten Urlaubsdomizile bieten WLAN an, bevor sie fließendes Wasser haben. Damit sind Menschen immer da, auch wenn sie fort sind. Bekam man früher gerade mal eine Postkarte als Lebenszeichen zugesandt, so kann man auf Facebook höchstens an der Palme im Hintergrund erkennen, dass das gepostete Katzenfoto diesmal aus der Ferne stammt. Wer gewohnheitsmäßig bereits unterm Jahr ein Bild der Einbrennsuppe aus der Kantine ins Netz stellt, wird umso begeisterter ein Bild der Einbrennsuppe aus dem Urlaubsresort posten.

Da auch Männer und Frauen des öffentlichen Interesses über Twitteraccounts und Instagram-Profile verfügen, bekommt die Öffentlichkeit nun – ganz ohne Paparazzi – auch im Sommer mit, wenn ein US-Präsident in der Badehose eine Einbrennsuppe zu sich nimmt oder wie es ein Top-Model schafft, die Suppe ganz ohne Einbrenn zu essen. Damit wurde das Sommerloch, als medialer Sonntag des Jahres, vom Internet abgeschafft. Denn irgendwo ist immer was los, das wert ist, geteilt zu werden.

Wer das Sommerloch dennoch braucht, um mal durchzuschnaufen, könnte, im Sinne eines Digital Detox, das Handy auch mal abdrehen. Aber was wäre das dann für ein Leben?

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Metadaten
Titel
Sommerloch adé
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
21.08.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 29-34/2018

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