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Ärzte Woche

18.01.2022 | Tekal

Simmering gegen Kapfenberg

verfasst von: Medizin-Kabarettist Dr. Ronny Tekal

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© entralITAlliance // iStock

Die Zeiten für medizinisches Personal werden rauer.

Vor Kurzem bekam ich ein E-Mail von der Polizei. Nach einer Schrecksekunde, in der ich reflexartig meine Chatverläufe gelöscht, die Festplatte durchbohrt und die Aufzeichnungen der Schwarzgelder meiner Privatpatienten geschreddert habe, widmete ich mich dem Anliegen der Exekutive. Es war jedoch nur ein wohlmeinendes Schreiben, wie ich mich, als Teil der medizinischen Community, vor den Angriffen militanter Impfgegner schützen kann. Tatsächlich sind die Zeiten vorbei, in denen das Spitalspersonal von Balkonen aus beklatscht wurde. Man hört vielmehr von unschönen Beschimpfungen, die vor Krankenhäusern und Impfstellen skandiert werden. Interessanterweise hat weder die eine noch die andere Aktion etwas an den miesen Arbeitsbedingungen in den Kliniken geändert. Dennoch werden die meisten lieber beklatscht als gescholten, denn der Applaus ist bekanntlich der Lohn der Pflege.

In der ärztlichen Kollegenschaft mehrt sich aber die Sorge vor den verbalen und körperlichen Übergriffen. Man muss ja nicht unbedingt erwarten, mit einer Bonbonniere bedacht zu werden, wenn sich eine Person weniger freiwillig und mehr zähneknirschend das isolationsbefreiende Serum in den Oberarm jagen lässt. Aber ein kleines Dankeschön wäre zumindest angebracht. Vor allem, weil wir dazu auch gerne eine Lebensweisheit mit auf den Weg geben – hier die Top 3: (Platz 3) „Das freut mich ganz besonders, dass Sie endlich zur Vernunft gekommen sind“, (Platz 2) „Selbst, wenn Sie es durch Ihr Verhalten nicht verdient haben, bekommen Sie die Spritze. Wie heißt da das Zauberwort?“, oder (Platz 1) „Na, und wegen so einem kleinen Autschi-Sticherl haben Sie ein Jahr lang so ein Theater gemacht!“ Wie befreiend es doch sein kann, auch etwas Salz in die Impfstelle zu streuen. Da kann es natürlich sein, dass zurückgepfeffert wird. Ich habe die polizeilichen Ratschläge für die Umgangsregeln mit gewaltbereiten Impfgegnern aufmerksam studiert. So ist der typische Gegner schwer bewaffnet, heimtückisch und schlitzt bei Fahrzeugen mit einem „Arzt im Dienst“-Schild die Reifen auf. Man solle sich daher mit Securities umgeben und die Gegner nicht einer Notarztjacke oder einem Stethoskop um den Hals unnötig provozieren. Allerdings fürchtet sich auch die andere Seite davor, in der Hausarztpraxis von zwei Geckos in Tarnanzug überwältigt, in eine Zwangsjacke gesteckt und dreifach geimpft zu werden.

Tatsächlich liegen die Nerven blank und so ist die Regierung um Deeskalation bemüht, um das Land wieder zu einen. Man soll sich wieder lieb haben und es sei viel netter, einander gegenseitig nicht über die sozialen Medien der Dummheit zu bezichtigen, sondern sich auf Augenhöhe bei einer Tasse Café den „Trottel“ direkt ins Gesicht zu schleudern. Ob man sich nun fürchten soll? Sagen wir so: Nicht das Qualtinger’sche Fußballspiel Simmering gegen Kapfenberg ist die wahre Brutalität, sondern ein durchschnittlicher Montagvormittag im Wartebereich einer Ambulanz. Ganz ohne Impfung.

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Metadaten
Titel
Simmering gegen Kapfenberg
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
18.01.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 3/2022

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