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Ärzte Woche

01.02.2018 | Tekal

Radiodoktor gehört gehört

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Mehr als ein Vierteljahrhundert ist die akustische Ordination schon on air.

Als Radiodoktor beim chilligen Hip-Hop-Sender Ö1 bekomme ich, als Moderator, regelmäßig die Gelegenheit, mit bemerkenswerten Leuten aus der bemerkenswerten Medizinbranche bemerkenswerte Dinge zu diskutieren. Im Prinzip unterscheidet sich das Portfolio dieses Formates gar nicht so sehr von anderen Radiosendungen, die mit Wetter, Straßenberichten, Tipps für Schwammerlsucher oder Nachrichten die Zeit füllen. Auch wir berichten über Hochdruckgebiete in der Pfortader, Chlamydien nach dem Stoßverkehr, die beliebtesten Plätze, um Fußpilz zu finden wie auch die polithistorische Relevanz von Hammerzehe und Sichelfuß.

Es macht auch Freude, die Themen von unterschiedlichen Seiten beleuchten zu können. Vielleicht ist das auch der Ansatz, den man in der medizinischen Arbeit oft vermisst, wo die Lampe der Erkenntnis nur von einer Seite hinleuchtet. In diesem Licht sieht ein Chirurg eine Gallenblase niemals als faszinierenden Teil eines wunderbaren Systems, sondern bloß als Objekt seiner schneidewütigen Begierde. Das ist ihm auch nicht zu verübeln, denn im Operationsbesteck findet sich nun mal kein Kraut, das die Galle wieder zum Fließen bringt. Kräuterkundige indes haben zwar ihre Kräuter, vielleicht sogar den einen oder anderen Blutegel in ihrem Notfallköfferchen, aber bevor sich so ein Egel durch die Bauchdecke durchgesaugt und die Gallenblase entfernt hat, ist er vermutlich schon an Altersschwäche gestorben.

Vielleicht – und hier müssen wir uns vom Radiodoktor schon an der Nase nehmen – sollte man den Beleuchtungswinkel noch stärker vergrößern, um Krankheiten auch von völlig anderen Standpunkten sehen zu können. Warum nicht einen geschickten Installateur einladen, seinen Zugang zur Gallenblase zu schildern, chronische Verstopfungen mit einem Mitarbeiter einer 24-Stunden-Rohrreinigungsfirma zu diskutieren oder – völlig absurd – bei Sendungen über Kinderkrankheiten auch ein Kind zu fragen.

Da es sich um eine Radiosendung handelt, muss man mit Worten all das beschreiben, was in den Köpfen der Hörer entstehen soll. Wenn ich also von einem romantischen Candlelight-Dinner mit einem nur im transparenten Lendenschurz bekleideten Donald Trump erzähle, so entsteht ein Bild im Geiste, das man gar nicht sehen möchte. Als ein Gast mit Hauterkrankungen in der Live-Sendung sein Ekzem mit den Worten „… und schau’n Sie, wie das jetzt aussieht!“ ins Mikrofon gezeigt hat, hatte jeder Zuhörer am Radio eine konkrete Vorstellung davon – wenn auch eine sehr individuelle.

Das fehlende Bild sorgt dafür, dass man das Gehör sensibler auf Zwischentöne einstellen muss. Das wäre übrigens auch in der Ordination hilfreich. Also schließen Sie beim nächsten Patienten die Augen und genießen Sie die Schilderungen vom Fußpilz.

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Metadaten
Titel
Radiodoktor gehört gehört
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
01.02.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 6/2018

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