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Ärzte Woche

26.11.2019 | Tekal

Patienten-Bewertungs-App

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist

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Nach dem Wirbel um die Lehrer-Bewertung folgt der nächste Skandal.

Zu gehörigem Aufsehen hat die kürzlich präsentierte Lehrer-Bewertungs-App gesorgt. Sie soll, ganz zeitgemäß, eine Beurteilung der Unterrichtenden ermöglichen. Da eine Schüler-Bewertungs-App bereits existiert und unter dem Namen „Zeugnis“ höchst erfolgreich ist, hat ein 17-Jähriger den Spieß nun umgedreht und das Programm „lernsieg“ entwickelt. Nicht nur im Vorfeld gab es Kritik, die Plattform musste nur kurz nach dem Start offline gehen, da der Entwickler einem heftigen Shitstorm ausgesetzt war. Auffallend war, dass die anonymen digital-verbalen Übergriffe auf den Jugendlichen in korrekter Schreibweise verfasst wurden und meist mit einem „Nicht genügend, setzen!“ endeten.

Die Konsequenz für die User ist ohnehin fraglich. Denn während man ein Hotel, das auf tripadvisor als „miese Kaschemme mit fragwürdigem Service“ beschrieben wird, nicht unbedingt aufsuchen muss, bleibt den Schülern in Bezug auf ihre Pädagogen kaum eine Wahlmöglichkeit.

Als Mediziner steht man dieser Entwicklung mit einer gewissen Gelassenheit gegenüber. Schließlich sind Bewertungsportale nichts Neues und werden im Kampf um die Privatpatienten auch strategisch eingesetzt. So landen nicht unbedingt nur jene Ärzte mit den besten medizinischen Skills auf den Top-Rängen, sondern auch all jene mit einem guten Händchen für soziale Medien und einer kleinen Portion krimineller Energie, um die Bewertungen selbst zu verfassen oder das System zu hacken. Selbst den redlichen Ärzten wird empfohlen, ihre Patienten beim Verlassen der Praxis drauf anzusprechen, eine gute Bewertung abzugeben. Besser noch, wenn man ihnen dieses Bekenntnis vor einem schmerzhaften Eingriff abringt.

Ärzte, die sich eher auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, haben hier eindeutig das Nachsehen. Doch was, wenn auch wir nun zurückschlagen und unsere Patienten bewerten. Hier können etwa Orthopäden auf hipadvisor in den Kategorien „Pünktlichkeit“, „Sauberkeit“, „Dankbarkeit“, „Compliance“, „Klageverhalten“, und „dringender Konsultationswunsch bei Lappalien“ zwischen 1 und 5 Sterne vergeben. Bei der nächsten Terminvereinbarung reicht ein kurzer Blick auf die App – und schon wird der schwierige Patient zurückgereiht.

Ich sehe eine große Zukunft im florierenden Bewertungsmarkt, denn schließlich möchte man wissen, wie die Masse eine Person bewertet und ob der Mensch auch etwas taugt – egal ob Lehrer, Arzt, Pfarrer, Richter, Vater, Mutter oder Kind. Man muss schon Eremit sein, um sich diesem Ranking-Wahn zu entziehen. Auch wenn ich glaube, dass es nicht lange braucht, bis die Top-10-Eremiten gekürt werden. Schließlich hat die Community ein Recht darauf zu erfahren, inwieweit der Einzelgänger das, was auch immer er tut, in den Augen der anderen, auch ordentlich macht.

Und so möchte ich abschließend noch bitten, mich auf booking.com, die-beste-kolumne.org und derschoenste-arzt.at mit sieben von fünf Sternen zu bewerten.

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Metadaten
Titel
Patienten-Bewertungs-App
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
26.11.2019
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 48/2019

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