Die Pandemie ist nicht nur ein virus-stichiger Zankapfel, der unsere Gesellschaft entzweit. Man kann sie auch als saure Zitrone sehen, die einem das Leben leider schenkt, aus der man jedoch auch wunderbare Margarita machen kann, um im Vollrausch die Krise zu überstehen.
Vor allem Forscher haben hier ein wunderbares Spielfeld vorgefunden, auf dem sie sich austoben können. So kam für hoffnungsvolle Medizinnobelpreis- Aspiranten eine regelrechte Goldgräberstimmung auf. Immerhin gelangte man mit vergleichsweise wenig Aufwand, wenn nicht unbedingt aufs Cover des „Rolling Stone“, so zumindest in den Lancet. Zumindest am Anfang der Pandemie genügte es, relative kleine Studien (n = 1) einzureichen, wenn der Begriff COVID-19 im Titel vorkam. So wurden Millionen durchaus qualitativ fragwürdige Untersuchungen über den Einfluss von Corona auf rheumatologische Erkrankungen, Magengeschwüre oder Hammerzehen auf Pre-Print Servern hochgeladen und in wissenschaftlichen Medien (Bild, Heute und Facebook) publiziert. Schließlich war vieles neu und Pionierarbeit wieder möglich.
Damit kam auch der Begriff des Off-Label-Use wieder in Mode. Übersetzt bedeutet es, dass man Medikamente in einem rechtlichen Graubereich, quasi zweckentfremdet, verwendet. Wer einem erfrierenden Patienten im Lawinenhang ein fiebersenkendes Zäpfchen gibt, kann das off-label tun, die Firma haftet jedoch nicht dafür. Leitlinienkonformisten stößt es sauer auf, dass noch nicht alles in den Guidelines steht. So müssen auch bei den aktuellen Impfungen die Behandler letztlich selbst die Entscheidung treffen, ob sie einem noch zehnjährigen Pensionisten, der als Hochrisikopatient gilt, jedoch in der neunten Woche schwanger ist, off-laben ein mRNA-Vakzin in den Arm jagen. Tatsächlich ist die Zweckentfremdung nicht auf die Medizin beschränkt. Auch Bierdeckel waren ursprünglich nicht dafür gedacht, sie unter Tischbeine zu schieben; Bleistifte mussten in den 1980er-Jahren als Rettung für verhedderte Tonbandkassetten herhalten; und haben wir nicht einst von MacGyver gelernt, wie man mit einem Kaugummi, einer Haarklammer und einer halben Banane die abgerissene Turbine eines Passagierflugzeugs wieder befestigen kann? Heute lässt sich in Millionen von Youtube-Lifehack-Videos lernen, wie man aus Cola, Mentos und einer kleinen Dosis angereicherten Urans eine atomare Waffe bastelt. Wer Tennisbälle in die Waschmaschine und Zeitungspapier in nasse Schuhe stopft oder die Nylonstrumpfhose als Keilriemen zweckentfremdet, agiert im Off-Label-Bereich und der Hersteller übernimmt keine Haftung für etwaige Laufmaschen nach 1.000 Kilometer Dauereinsatz im Motor. Zum Glück lässt die Medizin auch heute noch ein wenig Spielraum abseits festgesteckter Behandlungsgrenzen, um neues Terrain zu erkunden. Schließlich hätten wir niemals Filterkaffee, wenn Melitta Bentz nicht die Löschblätter ihrer Söhne verwendet hätte – off-label!