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Ärzte Woche

03.10.2022 | Tekal

Moderne Alchemie

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist , Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist, Markus Hechenberger

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Wenn Licht in Gold verwandelt wird: Wie die Zeit vergeht: In meiner Kindheit war Tesla noch die Einheit der magnetischen Flussdichte und weitaus nicht so angesagt wie ein Sportwagen mit 1.000 PS. 

Tatsächlich verbanden wir strombetriebene Fahrzeuge eher mit Modelleisenbahnen, Autodrom-Autos und Elektrobooten. Also Dinge, die mehr in der gemächlichen Freizeit Anwendung fanden als im hektischen Alltag. Alles, was Power hatte, musste in der Regel auch laut sein, also 6-Zylinder-Motoren, Diesel-Lokomotiven und explodierende Atomkraftwerke. Es gab sogar eine kleine Dampfmaschine als Spielzeug, die man im Kinderzimmer laufen lassen und stundenlang beobachten konnte. Quasi das Vorläufermodell von Netflix.

Tatsächlich hatten wir zwar Respekt vor Strom – man durfte nicht mit einer Gabel in die Steckdose fahren, sich bei Gewitter in die Stahlbadewanne unter die Edeltanne legen oder von der Brücke aus auf die Oberleitungen pinkeln – aber sonst hat unsere Generation eher Dingen vertraut, die ordentlich qualmen, also rußende Ölöfen, stinkende Papierfabriken oder rote Marlboro.

Lediglich in der Medizin kennen wir die Elektrotherapie schon lange von der physikalischen Therapie, zu der wir Patienten mit Dauerschmerzen gerne mit der Anforderung „Massage, Ultraschall und irgendwas mit Strom!“ zuweisen. Oder auch von Operationen, bei denen man, statt mit dem Skalpell mit dem Elektrokauter vorgeht (in der Chirurgen-Fachsprache auch „brutzel mal da drauf mit dem Staberl!“).

Mittlerweile kommt der Strom aber nicht nur aus der Steckdose raus, so wie früher, man kann den Strom auch in die Steckdose hineinfüllen. Das ist etwas verwirrend. Aber es scheint auf jeden Fall sinnvoll zu sein, den Strom selbst in diese Dose zu leeren, bevor man ihn wieder rausholt. Meine Frau hat deswegen schon länger mit einer Fotovoltaikanlage für uns geliebäugelt. Ich selbst hätte zwar zuvor lieber ein Motorrad für mich selbst gekauft, das aber mehr Energie verbraucht als es produziert, womit es ein wenig am Sinn der Sache vorbeigeht. Dafür funktioniert es auch bei Regen, was, wie ich finde, ein stichhaltiges Argument ist. Wie auch immer, so, wie ich das verstanden habe, verkaufen wir jetzt Strom an den Stromanbieter. Wir sind also ab nun Stromanbieter-Anbieter.

Mittlerweile liegen solche Anlagen zur sauberen Energiegewinnung im absoluten Trend, wohl weniger dem Klimawandel, sondern mehr dem Putin geschuldet, was der Sache aber keinen Abbruch und der Umwelt einen Gefallen tut. Man kann mittlerweile alles mit PV-Anlagen verplatten, um wie ein moderner Alchemist Licht in Gold zu verwandeln.

Zwar lässt sich auch aus anderen Dingen wie Wind oder Kerne Strom erzeugen, ich bin aber froh, dass meiner Frau nicht ein Katalog mit einem 100 Meter hohen Windrad oder einem Atomkraftwerk in die Hände gefallen ist, den wir uns aufs Hausdach montieren. Aber aus Sonne Energie zu erzeugen klingt charmant, unser Haus kann also Fotosynthese. Ich hoffe, ich muss es nicht gießen.

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Metadaten
Titel
Moderne Alchemie
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
03.10.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 39/2022

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