Über den Umgang mit Katastrophen. Es war das Wetter, nicht das Klima, hat es geheißen.
Schlicht und ergreifend ein Pech für die vom Hochwasser betroffenen Regionen, über die sich kürzlich ein tiefes Tief unter ein hohes Tief geschoben und damit die Regenwolken stationär über dem Königreich St. Pölten gehalten hat. So ähnlich hat es der Meteorologe im Fernsehen erklärt. Ein hundertjährliches Ereignis, das wir nun jedes Jahr aufs Neue erleben dürfen.
Für die noch tiefer als die Tiefs lebenden Menschen war es indes irrelevant, ob sie nun vom Wetter, vom Klima oder von Petrus‘ Ungnaden überschwemmt wurden. Es waren „außergewöhnliche Naturgefahren“, für die sich viele Versicherungen nicht zuständig sehen. Und wäre ich eine Versicherung, so würde ich auch prinzipiell keine Schäden abdecken, wenn sie in Situationen auftreten, in denen Schäden entstehen können. Damit sind die Betroffenen auf Nachbarschaftshilfe und milde Gaben vom Katastrophenfonds angewiesen, wenn sie artig bittend einen Antrag stellen. Auch der Mauerbach, der unmittelbar an unserer Gartengrenze meist nur als kleines Rinnsal fließt, wurde binnen Stunden zu einem reißenden Fluss. Dennoch blieb er Nachbar und wurde nicht Gast in unserem Wohnzimmer. Ich hätte ihm auch nichts anderes anbieten können, als ein Glas Wasser.
Auch wenn ein jeder froh sein konnte, mit seinem Leben und seinen Lieben gesund aus der Sache gekommen zu sein, war es verständlich, wie verzweifelt viele angesichts der gefluteten Kellerabteile waren. Bemerkenswert, wie gelassen sich so mancher angesichts der Trümmer gab. Ein Mann, dessen Haus knietief im Wasser stand, sagte in einem Fernsehinterview: „Dafür leb ich den Rest des Jahres an einem wunderschönen Platz am Fluss“. Selig all jene, die tanzen wie Alexis Sorbas, als Symbol der Akzeptanz für die Unvorhersehbarkeit des Lebens. Auch wenn man hierzulande vermutlich eine Überweisung für die Psychiatrie bekommt, wenn man im Schlamm den Sirtaki gibt.
Dass dem einen das Wasser bis zum Hals gestanden ist, während der Nachbar unbeschadet blieb, mag als Ungerechtigkeit empfunden werden. Die Frage „Warum gerade ich?“ ist seit Hiob in den Köpfen der Betroffenen. Die Frage „Warum nicht der Unsympathler von nebenan?“ wird seit Floriani gestellt. Egal ob Hochwasser, Krankheit oder andere Schicksalsschläge. Dabei geht es gar nicht so sehr um die großen Dinge. Der Alltag ist ungerecht. Für manche beginnt die Hiobsche Tragödie bereits dann, wenn man im Stau oder an der Supermarktkasse in der längsten Warteschlange zu stehen kommt. Oder man der Einzige ist, der zum dritten Mal in einer Woche die Grippe bekommen hat, obwohl die Saison noch gar nicht begonnen hat. Oder man ist immer derjenige, der an der Kaffeemaschine und am Kopierer zum Handkuss kommt, wenn es darum geht, für das Gerät Papier, Wasser und Bohnen nachzufüllen, Kaffeesatzbehälter und die Windeln zu wechseln. Schwierig, es Karl Valentin gleichzutun: Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.