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Ärzte Woche

23.05.2018 | Tekal

Korrupt, aber glücklich!

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Die gute alte Zeit: Nicht ganz so reguliert und etwas lustiger.

Früher war das Leben einfacher, wenngleich politisch deutlich unkorrekter. Dem Früher lässt sich daraus jedoch keinen Vorwurf machen, man wusste es nicht besser. Aus heutiger Sicht kann man die korrekten Fortschritte zwar begrüßen, gleichzeitig jedoch der guten, alten, rückschrittlichen Epoche ein wenig nachtrauern. So durfte man den Müll noch zusammenwerfen statt zu trennen, auch beim Essen war eine solche Trennkost eher eine Randerscheinung, es war in dieser anarchistischen Epoche sogar gestattet, Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Im Gasthaus gab es „Zigeunerschnitzel“ und „Mohr im Hemd“. Heute auch, aber mancher Wirt schämt sich ein wenig dafür, die Speisen noch nicht umbenannt zu haben, so er nicht kreativ „Mohr im Nachthemd“ auf die Karte gesetzt hat.

Po-Grapschen gehörte zum guten Ton mittelständischer Unternehmen, „Mee-Too“ assoziierte man mit Generika-Produkten und der Begriff „Binnen“ war lediglich in Mahnungen zu finden und noch nicht vor dem i. Rauchen war sowohl in Raucher- als auch in Nichtraucherlokalen erlaubt, auch in Schulen, Ordinationen und in der Bahn (Lungen-Zug). Es wurden noch Torten gebacken, nach Omas Rezept, mit reichlich Butter, raffiniertem Zucker und einem ordentlichen Schuss Alkohol, damit die Kinder nach der Jause etwas ruhiger werden.

Sicherheit war natürlich auch vor 40 Jahren ein Thema, wenngleich noch nicht in dem neurotischen Ausmaß von heute. Die Draufgänger mit weniger Geld besorgten sich für den Straßenverkehr dreirädrige Kabinenroller aus Karton. Wer vermögender war und ein sicheres Auto besitzen wollte, kaufte einen Volvo und fuhr mit dem Selbstbewusstsein eines Panzerfahrers über rote Ampeln und Kabinenroller. Als Kinder waren wir noch nicht angegurtet, turnten auf der Rückbank, völlig ungestört von den Blicken der Eltern, die durch die Marlboro-Rauchschwaden nicht zurücksehen konnten. Und man konnte sich nach Herzenslust legal bestechen lassen, zumindest im kleinen Stil. Mediziner schwärmen heute noch von den goldenen Zeiten, in denen die ganze Familie von einer Pharmafirma nach Mauritius eingeladen wurde. Auf einen Nenner gebracht: Korrupt wie Sau, aber glücklich!

Letztlich sorgte auch die ärztliche Vetternwirtschaft für eine geregelte Hofübergabe gut gehender Kassenordinationen, man durfte Patienten noch nach Herzenslust beschimpfen, nach ärztlicher Kunst statt ökonomischer Gunst behandeln und der Anwalt wurde frühestens beim Abnehmen des falschen Beins eingeschaltet, noch nicht wie heute bereits beim Abgeben eines falschen Scheins.

Viele weinen dieser Ära nach, beklagen die überbordende politische Korrektheit und den Umstand, dass man heute ernsthaft überlegt, eine Helmpflicht auf Rolltreppen einzuführen. Zum Glück sind Menschen evolutionsfähig, passen sich geänderten Umweltbedingungen an und machen unbeirrt unkorrekt weiter. Oder wie es Kästner formuliert, sind sie bei Lichte betrachtet im Grund noch immer dieselben Affen.

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Metadaten
Titel
Korrupt, aber glücklich!
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
23.05.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 21/2018

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