Skip to main content
Ärzte Woche

05.03.2020 | Tekal

Hygge, Lagom, Tågskryt und Smygflyga

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Viele gute, unaussprechliche Dinge kommen aus Skandinavien.

Vor einiger Zeit wurde in dieser Kolumne die Flugscham thematisiert, also die klimawandelbedingte peinliche Berührtheit, wenn man, der CO 2 - Bilanz zum Trotz, dennoch mit dem Flugzeug verreist. Da sich die eigene Scham jedoch in Grenzen hält, wenn man in den Urlaub fliegt, übernehmen andere Personen gerne diese Rolle und schämen sich fremd.

Das ursprüngliche Wort „flygskam“ stammt aus Schweden, was nicht sonderlich überrascht. Gelten doch die Skandinavier traditionell als europäische Musterschüler, was Nachhaltigkeit, Lebensstil und soziale Kompetenz betrifft. Dass die Schweden auch wackelige Möbel verkaufen, die man zwar bezahlen, aber auch selber zusammenschrauben muss, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Zu globaler Berühmtheit ist die „flygskam“ bekanntlich durch die umtriebige Greta Thunberg gekommen. Weniger bekannt ist, dass es den Begriff schon Jahre zuvor gegeben hat. Daher hat Schweden auch einen gewissen Informationsvorsprung und die Sache mit dem Schämen ein wenig näher erforscht. Herausgekommen ist ein weiterer Terminus technicus, das sogenannte „Smygflyga“, also das „Geheime-doch-Fliegen“. Wer sich schämt, als Umweltrowdy den Flieger zu benützten, verreist eben verschämt, also ohne es an die große Glocke zu hängen. Ein Verhalten, dass wir von unseren Patienten nur allzu gut kennen. Wer sich schämt, seinem Arzt die Anzahl der gerauchten Zigaretten zu verraten („rök-skam“), raucht eben im Geheimen („smyg-att-röka“). Und auch ich selbst schäme mich, da ich eigentlich gar kein Schwedisch kann („svenska-skam“), es aber nicht zugebe.

Ich finde aber, dass Scham kein guter Motivator ist. Auch das haben die Skandinavier bereits erkannt und arbeiten mit positiven Assoziationen: „Tågskryt“ heißt übersetzt so viel wie „Zugstolz“ und bestärkt die Bahnfahrer, ohne die Flugreisenden zu diskreditieren. Das ist eine Vorbildwirkung, die bei einigen zum Umdenken führen könnte, mal abgesehen von den unbelehrbaren Menschen mit „flygskam-skryt“, die also stolz auf ihre Flugscham sind. Wer nun von den vielen Formen des Schämens völlig verwirrt ist, dem sei ein wenig Gelassenheit empfohlen. Und selbst hier haben die Schweden wieder das passende Wort in der Ikea-Lade: „Lagom“ bedeutet „genau richtig“, also den goldenen Mittelweg zu nehmen, der passt. Noch besser der dänische Ausdruck für die behagliche Gemütlichkeit „Hygge“. Dann kann man nämlich, ökologisch vertretbar, ganz ohne Fernreise, in den eigenen vier Wänden mit einer Tasse Tee aus Ceylon in einem Katalog mit original skandinavischen Möbeln aus China schmökern und sich in behaglichen Alpaka-Socken aus Peru dem „Ikea-Couch-Herumlungering“ hingeben.

In Österreich haben wir zwar auch ein Wort für „Gemütlichkeit“, nämlich „Gemütlichkeit“, jedoch auch tausend Worte fürs Raunzen, das wir gerne zelebrieren. Voller Stolz und ganz ohne Scham.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Hygge, Lagom, Tågskryt und Smygflyga
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
05.03.2020
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 10/2020

Weitere Artikel der Ausgabe 10/2020