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Ärzte Woche

Open Access 17.10.2022 | Tekal

Hämmernde Kopfschmerzen

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist , Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist, Markus Hechenberger

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© mady70 / iStock

Warum der Specht keine Gehirnerschütterung bekommt.

Das Klopfen der Spechte im Wald gehört für viele zur beruhigenden Geräuschkulisse, so wie das liebliche Rauschen der Blätter, das asthmatische Keuchen der Jogger und das sanfte Brummen der Zweitakt-Motor-Laubbläser jener ordnungsliebenden Menschen, denen es auch abseits der Kleingärten zu chaotisch zugeht. Einige ärgert hingegen der Spechtschlag, da der rücksichtslose Vogel zahlreiche Löcher in die Rinde des Lieblingsahorns hämmert. So ist auch die Natur selbst nicht frei von Umweltsünden.

Manche aber sorgen sich eher um das Wohlergehen des Spechtes. Denn uns würde es weniger gut bekommen, den Kopf zwanzig Mal pro Sekunde gegen einen Baum zu schlagen. Nun mal angenommen der Specht ist kein Masochist, so wird sich der Herrgott schon was dabei gedacht und den Vogelschädel entsprechend präpariert und gepolstert haben. Also, liebe Leser, bitte nicht nachmachen, denn nicht alle Gehirne sind dafür geeignet, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.

Dennoch ist auch der Mensch zäh. So frage ich mich, wie manche nach acht Biere und einem Dutzend Schnäpsen überhaupt noch aufrecht stehen können, geschweige denn operieren. Tatsächlich hält unsere Gattung erstaunlich viel aus. Selbst nach einem Absturz mit dem Paragleiter ist so mancher nach der Reha wieder fit genug, sich für einen Wingsuit-Kurs anzumelden. Umgekehrt ist der Mensch ein halbes Jahr außer Gefecht gesetzt, nachdem er sich beim sanften Umböckeln über den flauschigen Perserteppich einen komplizierten Trümmerbruch der kleinen Zehe, einen Sehnenriss und ein Knochenmarksödem zugezogen hat. Oder nach einer banalen Erkältung monatelang völlig paniert im Eck liegt und sich scheinbar auch das Kurzzeitgedächtnis aus dem Leib gehustet hat.

Tatsächlich dürfte es ein systematischer Konstruktionsfehler sein, dass gerade bei den vermeintlich harmlosen Ursachen die Folgen derart dramatisch sind. Das wäre so, wie wenn der Specht, nachdem er, mit seinem Schädel als Presslufthammer, eine 1.000-jährige Eiche gefällt hat, rasende Kopfschmerzen bekommt, weil er sich den Schnabel an einem Grashalm stößt.

Den Patienten ist es oft ein wenig peinlich, wenn an der monatelang nicht heilen wollenden Bisswunde kein weißer Hai, sondern bloß ein gelber Kanarienvogel Schuld trägt oder die blau unterlaufene schmerzhafte Rippenprellung weder durch den Tritt eines ausgewachsenen Gaules noch eines geschulten Taekwondo-Meisters, sondern des gemeinen zweijährigen Neffen erfolgt ist.

Vielleicht sind wir doch alle ein wenig sensibler, als wir es uns zugestehen wollen. Schließlich halten wir auch plumpe Anpöbelungen und offenkundige Angriffe oft leichter aus, als einen schiefen subtilen Blick, der uns aus der Bahn werfen kann. Auch regen wir uns deutlich mehr über Kleinigkeiten auf als über die vermeintlich wichtigen Dinge. Und so kann einem, selbst bei laufendem Zweitakt-Motor-Laubbläser, das Klopfen eines Spechts gehörig auf die Nerven gehen.

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Metadaten
Titel
Hämmernde Kopfschmerzen
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
17.10.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 42/2022

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