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Ärzte Woche

26.02.2018 | Tekal

Gefährliche Flatulenzen im Flugzeug

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Wenn man Pech hat, kann man sich auch über den Wolken in Wolken befinden.

Es gibt kaum ein Thema, das die Menschheit derart belustigt wie Blähungen. So abgeklärt und intellektuell gefestigt kann man gar nicht sein, als einen die unbeabsichtigte Flatulenz eines angesehenen Kollegen kalt lassen würde. Je angesehener, desto weniger kalt. Aus einem entwicklungsgeschichtlich nicht ganz nachvollziehbaren Grund lösen losgelöste Gase etwas aus, das Völker verbindend zu sein scheint. Womöglich repräsentieren sie die Entspanntheit des Loslösers, sodass man davon ausgehen kann, dass hier keine Gefahr zu erwarten ist, so der Löslöser nicht neben einer offenen Flamme steht.

Dabei kann ein handfester Flatus incarceratus (Furz der eingeklemmten Sorte) durchaus zu einem medizinischen, die Abgabe desselben zum zwischenmenschlichen Problem führen. Kürzlich machte eine Meldung die mediale Runde, wonach ein Flugzeug zwar nicht in Turbulenzen, jedoch in heftige Flatulenzen geriet. Beim Flug von Bulgarien in die Niederlande weigerte sich ein älterer Passagier beharrlich, seine Blähungen zurückzuhalten. Darauf entbrannte ein Streit mit vier holländischen Passagieren, der derart eskalierte, dass der Pilot beschloss, die Maschine in Wien notzulanden. Die Streiter mussten aussteigen, der Erzeuger der Flatulenzen durfte weiterfliegen.

Tatsächlich ist aus medizinischer Sicht das Furzen in der Kabine deutlich gesünder, als die Unterdrückung des Darmwindes. Vor einigen Jahren warnten britische und dänische Gastroenterologen sogar explizit vor den Auswirkungen einer noblen Zurückhaltung an Bord. Denn der geringe Luftdruck bewirkt einen stärker aufgeblähten Bauch. Man kennt das von den nach außen gewölbten Joghurtbecherdeckeln in 10.000 Metern Höhe, bei denen man hofft, dass nur der Luftdruck und nicht das überschrittene Ablaufdatum wölbt. Bleibt die Abluft im Darm, kommt es zu Krämpfen oder Sodbrennen. Gerade bei Piloten könne dies zu einem Zustand führen, in dem das Steuern eines Flugzeuges nicht mehr möglich sei. Der Passagier dürfte die Studie gelesen und seinen Gasen daher die Gelegenheit gegeben haben, die Luft der Öffentlichkeit zu erblicken. Er hat also durchaus nach den neuesten Leitlinien gehandelt.

Auch wenn – als Postexpositionsprophylaxe – bereits über das Verarbeiten von Aktivkohle in Flugzeugsitzen nachgedacht wird, um den bereits ausgetretenen Schaden zu begrenzen, sieht es im Kampf Knigge gegen Wohlbefinden für den Knigge eher schlecht aus. Immerhin heißt es, Gesundheit und nicht Benehmen sei das höchste Gut. Deswegen kostet das Gesundheitssystem auch deutlich mehr als alle Tanzschulen des Landes zusammen. Vielleicht erklärt das auch, warum in übervollen Ambulanzen die gegenseitige Höflichkeit zweitrangig ist und ein überaus rauer Wind weht. Im direkten Vergleich dazu mutet eine Flatulenz harmlos wie ein laues Frühlingslüfterl an.

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Metadaten
Titel
Gefährliche Flatulenzen im Flugzeug
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
26.02.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 9/2018

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