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Ärzte Woche

16.07.2018 | Tekal

Ein Sommer wie damals

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Richtig urlauben für abenteuerhungrige Mitteleuropäer im 21. Jahrhundert.

Die Welt verändert sich. War sie früher mal als Scheibe, um die sich das Universum herumbewegt hat wie um einen Klinikvorstand, so scheint sie heute rund zu sein, sodass man einfach nur lange genug in eine Richtung fahren muss, um wieder am Ausgangsort anzukommen. Das hat einerseits eine sisyphoshafte Aussichtslosigkeit, ist andererseits auch beruhigend, dass man sich auf der Erde streng genommen eigentlich kaum verlaufen kann. Trotzdem fahren die meisten Menschen von ihren Feriendomizilen wieder zurück, wohl auch, da die meisten Chefs nach der Badewoche in Jesolo nicht auch eine dreimonatige Rückreise rund um den Globus genehmigen würden. Ein Großteil der abenteuerhungrigen Mitteleuropäer reist in überfüllten Ferienfliegern in den Süden, um Sonne zu tanken oder etwas zu erleben und begegnet auf halber Strecke Menschen, die weitaus weniger komfortabel und meist auch nicht aus freien Stücken in überfüllten Booten in den Norden ziehen, weil sie den Abenteuern in ihrer Heimat überdrüssig geworden sind. Aus der Ferne betrachtet eine absurde Art der Völkerwanderung, die kein Muster erkennen lässt.

Auf die neuen gesundheitlichen Gefahren am Urlaubsort wurde an dieser Stelle bereits des Öfteren nachdrücklich hingewiesen, seien es die gefährlichen Tropeninfektionen durch All-inclusive-Buffets oder halsbrecherische Fahrten in überteuerten Taxis, nach der Ankunft in Wien-Schwechat. Die Unbeschwertheit, mit der man sich damals noch Sonnenbrände und Geschlechtskrankheiten als Souvenir nach Hause nehmen konnte ist dahin, viele nehmen nicht einmal ein Souvenir als Souvenir nach Hause, da es eben alles bereits überall gibt, und wenn es das nicht gibt, bestellt man es bei Amazon. Früher waren die heimischen Städte ausgestorben, mittlerweile genießen viele Menschen jedoch die Ferien zu Hause, da das WLAN hier schneller ist. Immerhin gibt es mehr Möglichkeiten zu parken, auch in den Krankenhäusern, da Patienten auf wunderbare Weise im Sommer deutlich weniger oft krank werden. Die Haudegen unter den Ärzten stellen ihr Auto auf den mit purpurnem Samt ausgelegten Parkplatz des Abteilungsvorstandes und setzen sich auch in der Morgenbesprechung dreist auf dessen Thron. Ein Sommer wie damals ist das alles nicht mehr. Viele Touristen, die im Damals mit dem klimatisierten Reisebus in authentische Dörfer kutschiert wurden, beklagen im Heute die verloren gegangene Authentizität und den Umstand, dass sich die Menschen in den Dörfern mit den touristischen Geldern auch schon Klimaanlagen gekauft haben.

Das Internet hat die Überraschung abgeschafft. Man weiß, was einen in der Ferne erwartet. Dabei sollen unerwartete positive Ereignisse das Glücksgefühl steigern. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser und auch meiner lieben Redaktion einen Urlaub, den Sie sich nicht so vorgestellt haben!

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Metadaten
Titel
Ein Sommer wie damals
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
16.07.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 28/2018

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